Projekt «XReate» der GBS St.Gallen
Lernen und lehren im Metaverse
Das Projekt «XReate» eröffnet neue Dimensionen für den Schulunterricht, indem es eine Lernumgebung im «Metaverse» schafft – dem Raum, der durch das Zusammenwirken virtueller, erweiterter und physischer Realität entsteht. Ein Beispiel: Mit einer VR-Brille können die Lernenden künftig in einem virtuellen Klassenzimmer weltweit Platz nehmen und gemeinsam lernen. Das von Movetia finanziell unterstützte und vom GBS St.Gallen geleitete Projekt mit vier internationalen Partnern konzentriert sich einerseits auf die technischen Anforderungen, andererseits werden die Grundlagen für das Lehren und Lernen im Metaverse erarbeitet.
Es geht nicht darum, den heutigen Unterricht ins Metaverse zu verlegen, sondern die Möglichkeiten des Unterrichtens zu erweitern.
Wie sieht der Unterricht der Zukunft aus? Könnte er sich auch im virtuellen Raum abspielen, über Schulgrenzen hinweg? Was wäre der Nutzen? Und wer weiss, wie man dann im Metaverse unterrichtet und lernt?
Mit solchen Fragen beschäftigt sich das Projekt «XReate», in dessen Rahmen die erste europäische Berufsfachschule im Metaversum (Metaverse) gegründet und aufgebaut werden soll. Partner in diesem Projekt sind unter der Leitung der GBS St.Gallen (Schweiz) Newcastle College (England), Talland (Alkmaar, Holland), IES El Rincon (Las Palmas, Spanien) und OSAO Koulutuskuntayhtymä (Oulu, Finnland). Sie alle wollen ihren Unterricht durch Anwendungen und Praxisbeispiele im virtuellen Raum erweitern.
Die Metaverse-Schulumgebung wird mit Inhalten und Kursen aus gemeinsamen Berufsfeldern der verschiedenen Schulen ausgestattet. GBS-Rektor Daniel Kehl: «Mit unserem Metaverse-Projekt schaffen wir eine Umgebung für den virtuellen Austausch über Landesgrenzen hinweg, in der sich sich Lernende und Lehrpersonen begegnen. Es geht nicht darum, den heutigen Unterricht ins Metaverse zu verlegen, sondern die Möglichkeiten des Unterrichtens zu erweitern.»
In der durch «XReate» geschaffenen virtuellen Umgebung sind vier grundsätzliche Lernsettings möglich:
- Virtual Learning Labs (Selbst- oder Teamlern-Erfahrung)
- Virtual Classroom (Begegnungen, Keynotes, Präsentationen)
- Bibliothek mit 3D-Anwendungen (fachspezifische Einbindung bestehender Angebote von Lehrmittelanbietern und Firmen)
- Begehbare 3D-Scans der physischen Schulgebäude (digitaler Zwilling)
Motivation durch Kollaboration
Wenn Grafikerinnen in internationalen Arbeitsgruppen eine Unterrichtssequenz zum Poster-Design für ein internationales Musikfestival gestalten, wenn Informatiker ein Robo-Race gemeinsam coden, wenn die Grundlagen moderner Krankenpflege gemeinsam erörtert werden, dann entsteht Motivation durch internationale Kollaboration. Mit dem Projekt «XReate» wird versucht, dafür eine Plattform zu schaffen.
Experimente im Chemielabor dürfen auch mal schief gehen, denn in der virtuellen Umgebung kommen weder Menschen zu Schaden noch entstehen zusätzliche Materialkosten.
Aber wieweit kann und soll der virtuelle Austausch physische Begegnungen ergänzen oder ersetzen? Welchen Mehrwert hat das Metaverse im Vergleich zu herkömmlichen Plattformen wie MS Teams? Eine Reihe von Tests führte während der Projektumsetzung Potenziale von Unterrichtseinheiten im Metaverse deutlich vor Augen. Ein solches Potenzial liegt darin, dass in einer sicheren und flexiblen Lernumgebung gelernt werden kann, in der zum Beispiel gefährliche oder komplexe Aufgaben risikofrei geübt werden können. Experimente im Chemielabor dürfen auch mal schief gehen, denn in der virtuellen Umgebung kommen weder Menschen zu Schaden noch entstehen zusätzliche Materialkosten. Ein weiteres Potenzial bilden die unbegrenzten Wiederholungsmöglichkeiten, ein drittes das kollaborative Arbeiten in ortsunabhängigen Teams. Im virtuellen Raum können sich Lernende und Fachleute über Schulgrenzen hinweg, zum Beispiel durch Keynotes im virtuellen Raum, ohne Reisestrapazen vernetzen.
Unternehmenstouren, Notfallsimulationen und interaktive Workshops machen das Lernen effizient, immersiv und zukunftsorientiert. Dank 3D-Visualisierungen werden Arbeitsbedingungen ohne reale Materialen simuliert, und das haptische Feedback verbessert die Feinmotorik. Visuelle und auditive Reize sowie sensorische Wahrnehmungen vertiefen das Lernen.
Ein Verhaltenskodex steht
Bevor das Projektteam das erste internationale Zentrum für berufliche Bildung im Metaverse etablieren kann, muss zuerst definiert werden, was das Metaverse überhaupt ist und wie man seine Möglichkeiten nutzen will. Es sind viele Fragen zu beantworten, da jede beteiligte Schule eine andere Sicht auf dieses Thema hat – nicht zuletzt auch aufgrund unterschiedlicher Lernpläne, Lernsettings und Schulsysteme.
Ein Verhaltenskodex liegt mittlerweile vor. Er fokussiert sich auf eine rücksichtsvolle Zusammenarbeit und einen verantwortungsvollen Umgang mit virtuellen Werkzeugen. Ausserdem sollen Konflikte von den Lernenden wie in der realen Welt konstruktiv gelöst werden. Eine Regel hat das «XReate»-Team besonders genau auf das Metaverse-Zeitalter zugeschnitten. Diese lautet: «Dränge dich nicht zu nah an andere Avatare – gib jedem genug Platz, um sich wohlzufühlen und alles gut sehen zu können.»
Motor mit VR-Brille auseinanderbauen
Daniel Kehl ist der Meinung, «dass allgemein akzeptiert ist, dass man Augmented Reality, Virtual Reality und Extended Reality in die Ausbildungen integrieren sollte.» Nur das «wie» stelle die Bildungsanbieter häufig vor Herausforderungen. Mit dem Projekt «XReate» nehmen sich die Projektpartner an jeder Schule dieses Themas an.
Den Prototyp für die «XCreate»-App haben Paul Smyth und Murray Lambert, Gamedesigner vom Newcastle College, entwickelt. Während eines Treffens des Projektteams im vergangenen Jahr wurde getestet, wie die Benutzeroberfläche aussehen soll und wie die Schaltflächen reagieren. Paul Smyth: «Wir verwenden die Entwicklungsplattform Unity Game Engine, um 3D-Modelle zu integrieren und Meta Quest 3-Headsets zu nutzen. Damit können wir die Virtual-Reality-Aspekte umsetzen.» Beim GBS-Bildungspartner in Newcastle werden schon heute VR-Plattformen wie Animvr, Quill oder Tribe DJ genutzt. Diese Erfahrungen bekräftigen Paul Smyth zu sagen: «Im Metaverse tun sich viele neue Chancen auf.»
Erfolg an den «Dynamites Awards»
Das Projekt «XReate» mit der Laufzeit von August 2023 bis Juli 2025 endet mit der Erstellung von Prototypen.
GBS-Rektor Daniel Kehl unterstreicht, wie wichtig es sei, internationale Projekte durchzuführen. Er sagt: «Es ist unglaublich spannend zu sehen, welche Herausforderungen und Chancen entstehen, wenn man zusammenarbeitet und etwas erschafft, das nicht möglich wäre, wenn man in der eigenen Schule und Umgebung bleibt.»
Das Projekt «XReate» mit der Laufzeit von August 2023 bis Juli 2025 endet mit der Erstellung von Prototypen. In einem Folgeprojekt müssen dann die weiteren Schritte zur Einbindung weiterer Partner, zur Nutzung bestehender VR-Anwendungen und zur bestmöglichen Einbindung in die entsprechenden Lehrpläne erstellt werden.
Die Ausarbeitung der Projekteingabe des Folgeprojektes wird von der holländischen Partnerschule im Rahmen eines Erasmus+-Projektantrages für strategische Partnerschaften 2026 stattfinden. Daniel Kehl: «Im aktuellen Projekt wurden mögliche Unterrichtsthemen erarbeitet und im Prototyp wurde ein Setting vollständig ausgearbeitet, das nun technisch getestet wird. Der Ausbau der Möglichkeiten und die Einbindung aller an den verschiedenen Partnerschulen bereits bestehenden AR/VR-Anwendungen wird das nächste Thema im neuen Projekt sein.»
Bereits mit den Ergebnissen der aktuellen Projektphasen hat «XReate» an den renommierten «Dynamites – North East’s IT and Tech Awards 2024» in England den zweiten Platz belegt. Passenderweise in der Kategorie «Project Excellence Award». Ausgezeichnet werden in dieser Sparte Projekte, die einen aussergewöhnlichen Einfluss auf die Technologiebranche haben.
Weiterführende Videos
Zitiervorschlag
Gadient, M. (2025). Lernen und lehren im Metaverse. Transfer. Berufsbildung in Forschung und Praxis 10(5).