Berufsbildung in Forschung und Praxis

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Studie des Leading House GOVPET

Welchen Wert haben alternative Abschlüsse auf dem Arbeitsmarkt?

Annatina Aerne & Giuliano Bonoli

Das Thema der Validierung von Bildungsleistungen sowie alternativer Verfahren zur Anerkennung von Kompetenzen gewinnt wieder an Bedeutung – der Mangel an qualifizierten Arbeitskräften ist gross. Mit «Validierung von Bildungsleistungen» ist die Zertifizierung von Arbeitserfahrung sowie die Anerkennung ausländischer Bildungsabschlüsse gemeint. Im Rahmen des Leading House GOVPET untersuchten wir, wie Arbeitgeber diese alternativen Qualifikationen im Bereich der Kindertagesbetreuung wahrnehmen. Die Ergebnisse zeigen, dass alternative Qualifikationen ein gutes Image bei den Arbeitgebern haben, aber immer noch etwas weniger angesehen sind als Standardabschlüsse.

Modulares Ausbildungsprogramm bei Helvetia

Massgeschneidert statt standardisiert

Michèle Schaub

In einer ständig sich wandelnden Arbeitswelt ist es wichtig, die Bedürfnisse und Erwartungen junger Talente zu verstehen, um sie langfristig an das Unternehmen zu binden. Helvetia Versicherungen Schweiz folgt diesem Ansatz und hat ein modulares Ausbildungsprogramm entwickelt, das die Interessen und Individualität von Lernenden in den Vordergrund stellt. So haben diese die Gelegenheit, neben Pflichtmodulen auch Kurse oder Einsätze ihrer Wahl zu belegen. Und wer will, absolviert einen Stage in einer Helvetia-Agentur einer anderen Sprachregion.

Buchbeitrag zur Ausbildung von Lehrpersonen an Berufsfachschulen

Lehrpersonen: «Virtuosen der Anpassung»

Sie stellen sich auf unsichere und wechselhafte Umstände ein und machen das Beste daraus, sie sind «Virtuosen der Anpassung». Diesen Begriff zitieren Philipp Gonon und Lena Freidorfer (Universität Zürich) in einem Buchbeitrag zur Ausbildung von Lehrpersonen an Berufsfachschulen in der Schweiz. Der Beitrag umfasst einen Blick auf die Geschichte der Berufsbildungslehrerausbildung, die aktuellen Anforderungen an die Profession und Entwicklungsperspektiven. Demnach sollte eine (neue) Professionalisierung auf den Erwerb von spezifischen Kompetenzen ausgerichtet sein (transversale Kompetenzen wie kritisches Denken und Problemlösen).

Der Beitrag erschien in der wbv-Publikation «Partnership-Based Governance and Standardization of Vocational Teacher Education in Ukraine».

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Studie des Schweizerischen Verbandes für Weiterbildung SVEB

Kleinere Unternehmen können den Weiterbildungsbedarf nicht immer decken

90% der Unternehmen bis 50 Mitarbeitende finden Weiterbildung wichtig für ihren Erfolg. Die Mitarbeitenden sind zu rund drei Vierteln motiviert, sich weiterzubilden. Aber mehr als die Hälfte nimmt nur selten an Weiterbildung teil. Diese Feststellungen macht die SVEB-Studie «Bedeutung und Umsetzung von Weiterbildung in KMU». Ein Drittel der Betriebe kann das Weiterbildungspotenzial nicht ausschöpfen, weil die finanziellen oder zeitlichen Ressourcen fehlen oder weil es keine adäquaten Angebote gebe. Fast die Hälfte der befragten Firmen erachtet es zudem als schwierig, ihren künftigen Kompetenzbedarf einzuschätzen. Die Studie basiert auf einer quantitativen Befragung von 386 Firmen und zehn qualitativen Interviews mit Verantwortlichen.

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Umfrageexperiment der Universität Bern

Behindern Eltern eine geschlechtsneutrale Berufswahl?

Eltern haben einen grossen Einfluss auf die Berufswahl ihrer Kinder. Im Rahmen eines randomisierten Umfrageexperiments mit Erwachsenen (N=5940) zeigte sich, dass sie geschlechtsneutral sind, wenn sie eine Tochter beraten, aber eine ausgeprägte Präferenz für männlich dominierte Berufe haben, wenn sie Söhne beraten. Die Präferenzen sind für Eltern und Nicht-Eltern und über alle Alterskohorten von Erwachsenen hinweg fast identisch. Das Projekt wurde durch Stefan C. Wolter (SKBF) und Thea Zöllner (Universität Bern) durchgeführt.

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Studie untersuchte Wirkung von «Grit»

Mit Ausdauer und Leidenschaft in Richtung Lehre

Vor etwa zwanzig Jahren prägte die amerikanische Psychologin Angela Duckworth den Begriff «Grit», der die Persönlichkeitsmerkmale Ausdauer und Leidenschaft vereint. Diese Eigenschaften sind wichtige Prädiktoren für den Erfolg in der Ausbildung und auf dem Arbeitsmarkt, wie eine Studie von Stefan C. Wolter (Universität Bern), Janine Albiez (SKBF) und Maurizio Strazzeri (Fachhochschule Bern) zeigt. So weisen Jugendliche (N=2500), die sich für eine berufliche Grundbildung entschieden haben, einen signifikant höheren Grit auf als ihre Altersgenossen, die den allgemeinbildenden Weg gewählt haben. Unabhängig von der Art der Ausbildung wählen junge Menschen mit höherem Grit jedoch Berufe mit höheren Mathematikanforderungen oder spezialisieren sich in ihrer akademischen Laufbahn auf Mathematik und Physik.

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Dieter Euler

Wenn das Neue nicht ganz neu ist: Lernkulturen in der Berufsbildung

Dieter Euler

Seit einiger Zeit spricht man in der Berufsbildung von «Lernkulturen». Mit dem Begriff wird neben dem individuellen Lernen eines Menschen die Art der Interaktion mit den Lehrenden sowie die lernrelevanten Einflüsse in der Organisation bezeichnet. Mit der Verwendung des Begriffs ist eine Programmatik verbunden, die alle an der beruflichen Grundbildung beteiligten Akteure in Pflicht nimmt. Aber ist das in allen Berufen und Arbeitsbereichen gefragt? Trifft das Leitbild die Erwartungen aller Lernenden oder streben manche ein eher traditionelles Lernverhalten an? Und wird eine neue Lernkultur mit selbstverantwortlichen Lernenden und Mitarbeitenden auf den Führungsebenen geteilt?

Vortrag im Rahmen der Verbundpartnertagung 2024

Erwachsene ohne Berufsabschluss als Zielgruppe für die erwerbsbezogene Weiterbildung

Katrin Kraus

In der Schweiz verfügen rund 12 Prozent der erwerbstätigen Bevölkerung im Alter zwischen 25 und 65 Jahren nicht über einen nachobligatorischen Bildungsabschluss. Diese Personen könnten u.a. als Zielgruppe in den Blick genommen werden, wenn es um die Gewinnung von Fachkräften für den Arbeitsmarkt geht. Bildungsangebote, mit denen Erwachsene einen beruflichen Abschluss absolvieren können, müssen zielgruppengerecht sein. Denn Erwachsene befinden sich in spezifischen Lebenssituationen und haben Voraussetzungen, die mit einem standardisierten Regelangebot häufig nicht getroffen werden. Was sind zielgruppengerechte Angebote, welche Bedürfnisse haben erwachsende Lernende?

OECD legt die Grundlagen für eine Leistungsmessung der Berufsbildung

PISA-VET ohne die Schweiz

Die OECD will auch die Berufsbildung einer Leistungsstudie unterziehen. Diese soll die Fähigkeiten von Lernenden in fünf Berufsbereichen kurz vor dem Abschluss ihrer Berufsausbildung messen. Im Bericht «PISA Vocational Education and Training (VET). Assessment and analytical framework» hat sie nun die theoretischen Grundlagen dafür gelegt, zum Teil mit Schweizer Unterstützung (Jürg Schweri, Tanja Käser, Sabina DeCurtins). Die Bewertung umfasst auch eine Reihe von Beschäftigungsfähigkeiten wie soziale und emotionale Kompetenzen oder Lese- und Schreibfähigkeiten. Für PISA-VET arbeiten 13 Länder zusammen; die Schweiz nimmt nicht teil.

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Forschungsprojekt der PH FHNW

Das Lehrstellenangebot beeinflusst die Berufswahl sehr

Schnupperlehren oder Berufspraktika führen – ergänzend zum individuellen Fähigkeitsselbstkonzept – am ehesten dann zu einer Fortsetzung im betreffenden Beruf, wenn das Lehrstellenangebot dafür gross ist. Dies zeigen Ergebnisse aus dem WiSel-Projekt von Jan Hofmann und Markus P. Neuenschwander (beide PH FHNW). Nichtzutreffend ist demgegenüber die ebenfalls geprüfte Hypothese, wonach eine grosse Person-Beruf-Kompatibilität zwischen den beruflichen Interessen der Jugendlichen und den beruflichen Anforderungen eines ausprobierten Berufs zu dessen Weiterverfolgung führt. Eine Ausnahme bildet das Ausmass führend-verkaufender Anforderungen des ausprobierten Berufs, das auf junge Frauen eher abschreckend wirkt. Basis der Untersuchung bildete eine Längsschnittstichprobe von 128 weiblichen und 202 männlichen Jugendlichen.

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Erster Anlass aus der «Themenreihe Berufsbildung» an der PH Zürich

Handlungskompetenzorientierung in der Berufsbildung – Erfahrungen aus drei Berufen

René Schneebeli

Die Handlungskompetenzorientierung ist das konstituierende Merkmal der beruflichen Grundbildung. Seit 2002 im Berufsbildungsgesetz verankert, stellt das Paradigma die Berufsfachschulen aber noch immer vor Probleme. Die Auswirkungen auf die didaktische Gestaltung des Unterrichts, die Organisation von Prüfungen oder die Weiterbildung von Lehrpersonen sind gross. Die Pädagogische Hochschule Zürich nimmt das Thema im Rahmen ihrer vierteiligen «Themenreihe Berufsbildung» auf. Die erste Veranstaltung stand im Zeichen von Berichten aus der Praxis. Eine Erkenntnis daraus: Nicht immer verläuft die Umsetzung erfolgreich. Viele Schulen wollen zu viel auf einmal. [Foto: PH Zürich]

EHB-Workshop

Wagen wir zu träumen…. Utopien für die Berufsbildung der Zukunft

Thomas Ruoss & Lorenzo Bonoli

Könnte ein schulisches Basislehrjahr für alle die Berufsbildung stärken? Sind Fachmittelschulen Teil des berufsbildenden Systems? Hat die Handlungskompetenzorientierung die Rolle der Berufsfachschule geschwächt? Solche Fragen standen im Zentrum des VET Winterworkshops der EHB vom 2. Februar 2024. Rund 50 Forscherinnen sowie Akteure der Berufsbildung diskutierten Utopien zur Entwicklung des schweizerischen Berufsbildungssystems.

Dissertation an der Gottfried Wilhelm Leibniz Universität Hannover

ADHS im Jugendalter: Wie sich Betroffene fühlen und was sie stärkt

Das Jugend- und junge Erwachsenenalter ist für Betroffene von ADHS-Symptomen eine vulnerable Phase. Präventions- und Unterstützungsangebote sind notwendig – auch in der Berufsbildung. Dies zeigt die Dissertation von Annette Krauss (Interkantonale Hochschule für Heilpädagogik, HfH) auf Basis der Befragung von 907 Betroffenen in der deutschen Schweiz. Die Studie zeigt, dass therapeutisch insbesondere das negative Selbstbild von ADHS-Betroffenen in den Blick genommen werden sollte. Ebenso ist die emotionale Unterstützung einer nahen Bezugsperson sowie von Mitschülerinnen und Mitschülern für das emotionale Wohlbefinden von Betroffenen relevant. Weitere umfeldbezogene Massnahmen betreffen nebst dem Elternhaus die Bedingungen in Schule und Betrieb.

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Bericht im Auftrag der Schweizerischen Konferenz für Berufs-, Studien- und Laufbahnberatung

Definition von Laufbahngestaltungskompetenzen 

Wer die eigene Berufswahl und Laufbahn aktiv und selbstbestimmt gestalten kann, verfügt über gute «Laufbahngestaltungskompetenzen» (LGK). Nachdem ein Autorenteam bereits in einem Beitrag in Transfer Details dazu vertieft hatte, liegt nun auch eine eingehende «Definition von Laufbahngestaltungskompetenzen über diverse Bildungsstufen und Laufbahnphasen» vor. Verfassende sind Andreas Hirschi (Universität Bern), Koorosh Massoudi (Universität Lausanne) sowie Francisco Wilhelm, Sarah Mullen und Julian Marciniak (Universität Bern). Neben einem Modell von LGK (Teil 1) enthält der Bericht auch eine Analyse von Lehrplänen und Förderung von LGK sowie eine Bestandsaufnahme bestehender Ansätze und Empfehlungen zur Förderung von LGK.

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Plädoyer für eine bessere Zusammenarbeit der drei Lernorte

Mehr Miteinander in der Berufsbildung

Ben Hüter

Eines der Probleme des Schweizer Berufsbildungssystems besteht in der mangelhaften Zusammenarbeit der drei Lernorte. Die Schweizerische Direktorinnen und -Direktorenkonferenz der Berufsfachschulen (SDK) hat das Thema an ihrer Herbsttagung aufgenommen und acht Thesen dazu formuliert. Sie sieht die Schulen und ihre Lehrpersonen in der Pflicht, bei der Verbesserung der Lernortkooperation eine Führungsrolle zu übernehmen. Dazu müsse zunächst ein gemeinsames pädagogisch-didaktisches Verständnis aller drei Lernorte geschaffen werden. Zudem sollten überfachliche Kompetenzen im Vergleich zu fachlichen Inhalten gestärkt werden.

Auslegeordnung zur Schweizer Berufsbildung

Bilanz nach 20 Jahren Berufsbildungsgesetz

Peter Marbet

2004 wurde in der Schweiz das neue Berufsbildungsgesetz (BBG) eingeführt. Mit der neuen Gesetzesgrundlage ist es gelungen, die Berufsbildung fit für die Anforderungen des 21. Jahrhunderts zu machen. Es gibt aber auch Herausforderungen. Drei Beispiele: Die Quote der zugewanderten Jugendlichen mit nachobligatorischem Abschluss ist immer noch zu tief. Zu diskutieren ist auch, wie der Berufsabschluss für Erwachsene gefördert werden kann. Schliesslich ist die Finanzierung ein Thema: Angesichts der Tatsache, dass der Bund die wesentlichen Eckpfeiler der Berufsbildung festlegt, ist dieser Anteil zu tief. Gemäss dem Prinzip der fiskalischen Äquivalenz müsste der Bundesanteil höher sein.

Integrationsvorlehre INVOL für migrierte und geflüchtete Personen

Starke Brücke in die Berufsbildung

Barbara E. Stalder & Marie-Theres Schönbächler

Die Integrationsvorlehre (INVOL) ist ein Erfolg. Mehr als 80 Prozent haben sie erfolgreich abgeschlossen. Nach dem Abschluss haben rund 70 Prozent eine zwei- oder dreijährige berufliche Grundbildung (EBA oder EFZ) aufgenommen. Dies zeigt die jüngste Evaluation des Programms durch die PHBern. Sie macht auch qualitative Befunde: So nehmen die Ausbildenden die Teilnehmenden meist als engagierte Personen wahr. Knapp drei Viertel der Teilnehmenden erreichen im mündlichen und rund 90 Prozent im schriftlichen Bereich das angestrebte Sprachniveau. In den ersten fünf Programmjahren haben mehr als 4000 Personen an einer INVOL teilgenommen. Ab Sommer 2024 wird das Bundesprogramm in den teilnehmenden Kantonen als Regelangebot verstetigt.

Evaluation bestätigt positive Effekte auf die Persönlichkeit

viamia schweizweit erfolgreich implementiert

Die kostenlose berufliche Standortbestimmung und Beratung viamia ist erfolgreich in allen Schweizer Kantonen implementiert. Die Zufriedenheit der Teilnehmenden ist sehr hoch. Zudem können positive Effekte auf die persönliche Entwicklung und die Arbeitssituation festgestellt werden. Dies zeigt die Evaluation von viamia, welche das SBFI in Auftrag gegeben hatte. Zur Frage der Konkurrenzierung privater Angebote durch viamia äussert sich die Evaluation zurückhaltend; immerhin sei die Schnittmenge von viamia und privaten Angeboten eher «überschaubar».

Tour de Suisse (TdS) Blended Learning

So setzen die Berufsfachschulen Blended Learning um

Rolf Häner

Im vergangenen Jahr haben zehn Berufsfachschulen gezeigt, wie sie E-Learning und Präsenzunterricht kombinieren. Blended Learning: Wie funktioniert das im Alltag? Die zehn Schulen bildeten die Etappenorte einer Tour de Suisse, in der die Teilnehmenden konkrete Antworten auf diese Frage erhielten. Jetzt liegt ein Schlussbericht der EHB vor. Eine Erkenntnis ist besonders interessant: Konzeption und Umsetzung der Lehrgänge zu neuen Berufsbildern an den Schulen sind aufgrund von Blended Learning zeitlich näher zusammengerückt. Das unterstreicht die wachsende Bedeutung der Vertretung von Berufsfachschulen in der Weiterentwicklung der Berufsbilder.

Dieter Euler

Auf den Spuren von Christo? – Über die sprachliche Verhüllung von Bildungsabschlüssen

Dieter Euler

Seit Jahren fordern berufsbildende Kreise die Einführung von Titeln wie «Professional Bachelor» und «Professional Master» für die Abschlüsse der höheren Berufsbildung. Nun erarbeitet das SBFI eine Vernehmlassungsvorlage. Aber statt einer Aufwertung der Höheren Berufsbildung bringt das Projekt eine Verwischung ihres Profils. Auch das Angleichungsargument im Hinblick auf internationale Titelbezeichnungen hält einer genaueren Betrachtung nicht stand. Schliesslich ist das Projekt auch unnötig, weil sich die Höhere Berufsbildung einer stabilen Beteiligung erfreut, und von den Betrieben werden die Absolventinnen und Absolventen unverändert nachgefragt.