Tour de Suisse (TdS) Blended Learning
So setzen die Berufsfachschulen Blended Learning um
Im vergangenen Jahr haben zehn Berufsfachschulen gezeigt, wie sie E-Learning und Präsenzunterricht kombinieren. Blended Learning: Wie funktioniert das im Alltag? Die zehn Schulen bildeten die Etappenorte einer Tour de Suisse, in der die Teilnehmenden konkrete Antworten auf diese Frage erhielten. Jetzt liegt ein Schlussbericht der EHB vor. Eine Erkenntnis ist besonders interessant: Konzeption und Umsetzung der Lehrgänge zu neuen Berufsbildern an den Schulen sind aufgrund von Blended Learning zeitlich näher zusammengerückt. Das unterstreicht die wachsende Bedeutung der Vertretung von Berufsfachschulen in der Weiterentwicklung der Berufsbilder.
Mitte 2021 haben die Verbundpartner im Rahmen von Berufsbildung 2030 einen Bericht der SBBK zu Blended Learning in einem Projekt weiterbearbeitet. Es umfasste sieben Handlungsfelder und hatte folgende Ziele:
- Innovative Lernformen werden durch gemeinsam vereinbarte Rahmenbedingungen auf eine solide Basis für die Zukunft gestellt und damit gefördert.
- Die Qualität und Einheitlichkeit der Umsetzung von Blended Learning Sequenzen wird gewährleistet.
- Die Effizienz und Rechtssicherheit bei der Einführung von Blended Learning im Reformprozess wird sichergestellt.
Im Verlaufe dieses Projekts hat man unter anderem folgende Erkenntnisse festgehalten:
- Die Lernorte sind methodisch-didaktisch frei
- Die pädagogischen Fragen im Zusammenhang mit Blended Learning liegen in der Verantwortung der Berufsfachschulen
- Das Know-how der Berufsfachschulen im Bereich Blended Learning soll in die Weiterentwicklung von Berufsbildern in den Kommissionen B&Q (Berufsentwicklung und Qualität) eingebunden werden.
Ausgehend von diesen drei Erkenntnissen ist unter anderem die Idee einer Tour de Suisse (TdS) in die Table Ronde berufsbildender Schulen eingebracht worden. Hier sollten Berufsfachschulen interessierten Personen ihre Ansätze, Umsetzungen und Ideen zu Blended Learning zeigen. Die Federführung hatte die Table Ronde in Zusammenarbeit mit der EHB. Unterstützung kam zudem von der Schweizerischen Berufsbildungsämter-Konferenz, dem Schweizerischen Arbeitgeberverband, dem Schweizerischen Gewerbeverband und dem Projekt Berufsbildung 2030.
Genau so vielfältig wie die Schulen waren die vorgestellten und diskutierten Umsetzungen von neuen Lernsettings.
Mit der Tour de Suisse Blended Learning sollte die an den Berufsfachschulen entstandene Expertise verbreitet und an anderen Orten sehr schnell umgesetzt werden können. Der Ablauf an den Etappenorten war immer gleich: Standardisierte halbtägige Kurzbesuche bei Berufsfachschulen, die Blended Learning umgesetzt haben, sollten Interessierten helfen, sich vor Ort ein Bild der die Strategien und deren Umsetzung zu machen und offene Fragen zu klären. Im Rahmen dieses Gedankenaustauschs auf Augenhöhe wurden Rückmeldungen der Teilnehmenden diskutiert, Fragen beantwortet und Dokumente zu Blended Learning ausgetauscht.
Als Schwerpunkte haben die einzelnen Schulen folgende Bereiche angesprochen:
- Gesamtkonzept, Gesamtstrategie für das Lernen
- Gemeinsames Werteverständnis an der Schule
- Usability der umgesetzten Lösung
- Integration von 4K (Kommunikation, Kollaboration, Kreativität, Kritik) in die Kompetenzentwicklung
- Pädagogik, Didaktik, Methodik (Lernen mit digitalen Werkzeugen, Portfolio, Constructive Alignment)
- Verwaltung / Recht (Informationssicherheits- und Datenschutzkonzept, Berufs-/ Dienstauftrag Lehrpersonen
- Technik / Technologie (KI, AR, VR, Simulation)
- Notwendige Kompetenzen bei Lehrpersonen, Schulleitung und Verwaltung
Die Zielgruppe waren Schlüsselpersonen im Bereich der Berufsbildung, darunter Schulleitungen, Lehrpersonen, Fachgruppen- und Projektleitende, Bildungsverantwortliche der Kantone, Berufsbildnerinnen aus den Betrieben sowie Vertreter der Verbundpartnerschaft und der Pädagogischen Hochschulen.
Die Etappenorte der Tour de Suisse 2023
Die Tour de Suisse Blended Learning startete am 8. Dezember 2022. Die Etappen führten in folgende Berufsfachschulen:
- Berufsfachschule BBB in Baden
- Berufs- und Weiterbildungszentrum Uzwil BWZU
- Centre professionnel du Nord Vaudois CPN
- Berufsbildungszentrum Gesundheit und Soziales BBZG in Sursee
- Bildungszentrum Emme
- Wirtschafts- und Kaderschule KV WKS Bern
- Berufsbildungszentrum Olten
- Gewerbliches Berufs- und Weiterbildungszentrum GBS in St. Gallen
- Centro professionale tecnico Lugano-Trevano
- Bildungszentrum Limmattal BZLT
Die Auswahl der zehn Schulen (Kastentext) zeigt, dass möglichst alle Berufsrichtungen und Bildungstypen vertreten waren. So waren sowohl gewerblich-industrielle als auch kaufmännische sowie gesundheitlich-soziale Berufsfachschulen unter den Anbietenden. An einzelnen Schulen waren die Grundbildung mit allen Abschlüssen und auch die Weiterbildung vertreten.
Genau so vielfältig wie die Schulen waren die vorgestellten und diskutierten Umsetzungen von neuen Lernsettings. So wurden Modelle für digitalisierten Unterricht, flexiblere Lernsettings, das selbstorganisierte Lernen oder Lösungen für eine BM2 mit einem hohen Selbstlernanteil mit Online-Unterstützung vorgestellt. Mit Lernvolution wurde ein von einer Schule und Swisscom getragenes Projekt präsentiert, das zum Ziel hat, Lernen hinsichtlich Zeit, Ort, Inhalt und Form flexibel zu gestalten und Lernortkooperation hin zur Lernortkollaboration weiterzuentwickeln. Bei einer anderen Schule stand die Entwicklung eines Bildungsmodells für handlungskompetenzorientierten Unterricht, individualisierte Lernwege und aktives Begleiten im Zentrum. Einigkeit herrschte bei den meisten Schulen über die Ausrichtung der Anstrengungen: Anzustreben sind selbstorganisiertes Lernen, innovative Raumgestaltung und die Förderung von 21st Century Skills, wie das World Economic Forum sie vorgeschlagen hat.
Auch die Akzeptanz und die Entwicklung der Kompetenzen und der Skills der Lehrpersonen sind herausfordernd; beides wird durch die immer schneller werdende Entwicklung der Informations- und kommunikationstechnischen Hilfsmittel nicht leichter.
Auch bei den Herausforderungen sieht es bei den meisten Berufsfachschulen ähnlich aus. Sie liegen in der Infrastruktur (wie Learning Management Systeme), der Vernetzung mit schul-, ja teilweise kantonsweiter Integration und dem Postulat «Bring your own Device» (BYOD). Auch die Akzeptanz und die Entwicklung der Kompetenzen und der Skills der Lehrpersonen sind herausfordernd; beides wird durch die immer schneller werdende Entwicklung der Informations- und kommunikationstechnischen Hilfsmittel nicht leichter. Man nehme nur das Aufkommen von KI- Hilfsmitteln als Beispiel, die neben dem Tagesgeschäft in den Unterricht eingebunden werden müssen; das stellt viele Lehrpersonen und Schulleitende vor zeitliche Probleme. Auf Seiten der Lernenden sieht es ähnlich aus. Auch sie müssen mit den Entwicklungen Schritt halten, was ihrer Motivation nicht immer förderlich ist – etwa dann, wenn KI-Leitlinien oder andere Regeln sie hindern, die neuen Hilfsmittel uneingeschränkt einzusetzen.
Die Tour de Suisse(TdS) Blended Learning war ein grosser Erfolg, waren doch an allen zehn Etappenorten durchschnittlich 40 bis 50 sehr interessierte Besuchende anwesend, die ihre Kompetenzen und ihr Wissen im Bereich zukünftige Lernsettings steigern und in den lebhaften Diskussionen andere an ihrem Wissen und ihren Erfahrungen teilhaben liessen. So waren die Rückmeldungen über ein standardisiertes Feedback sehr gut. In die gleiche Richtung gingen die Ergebnisse der Schlüsselpersoneninterviews, die an jedem Etappenort durchgeführt worden sind. Natürlich gab es die eine oder andere kritische Rückmeldung, mit deren Hilfe die TdS optimiert werden konnte.
Die Ziele wurden übertroffen
Rektorinnen und Rektoren, Lehrpersonen und kantonale Berufsbildungsverantwortliche sollten bei ihren Besuchen an Schulen die konkrete Praxis des Blended Learning kennen lernen. Sie sollten auf diesem Weg Ideen für Kooperationen und eigene Projekte an ihren Schulen erhalten. Dieses Ziel ist aus Sicht der Table Ronde übertroffen worden.
- Die TdS hat zu einem gemeinsamen Verständnis des Ausdrucks «Blended Learning» in all seinen Facetten beigetragen. Blended Learning wurde, wie der Schlussbericht der EHB zeigt, insgesamt primär präsentiert als Methoden-Mix unter Einsatz technischer Tools, wobei den Lernenden ein hohes Mass an Eigenverantwortung im Rahmen des selbstorganisierten Lernens zugewiesen wird. Die Umsetzung von Blended Learning wird als Schulentwicklungsaufgabe verstanden, wobei die Vernetzung der Fachschaften und der Fächer in den Berufsfachschulen stärker betont wird als die Vernetzung von Lernorten über die Schulen hinaus. Letztere wurde insgesamt verhältnismässig wenig betont.[1]
- Die TdS hat gezeigt, dass ein durch die Lehrpersonen orchestrierter ausgewogener Mix an Lern- und Lehrmethoden nach wie vor ein wichtiger Erfolgsfaktor für gute Lernsettings und guten Unterricht ist.
- Die Verantwortlichen an den zehn Etappenorten haben gezeigt, dass die individuellen Bedürfnisse der Lernenden durch Blended Learning vermehrt berücksichtigt werden können.
- Die ausgewählten Berufsfachschulen konnten ihre Innovations- und Gestaltungs- und Umsetzungskraft anhand von Projekten zeigen. Es ist tief beeindruckend und hoch erfreulich, mit welchem Enthusiasmus die Lernenden, die Lehrpersonen und die Schulleitungen unterwegs sind.
- Die durch die TdS erlebbar gewordenen Umsetzungen mit Blended Learning zeigen die wachsende Relevanz der Vertretung von Berufsfachschulen in den Kommissionen B&Q (Berufsentwicklung und Qualität), die Teil einer gelebten Lernortkooperation sind. Konzeption und Umsetzung der Lehrgänge zu neuen Berufsbildern sind an den Schulen aufgrund von Blended Learning zeitlich deutlich näher zusammengerückt. Als zentraler Lernort übernehmen die Berufsfachschulen zunehmend eine Scharnierfunktion innerhalb der drei Lernorte und somit innerhalb der Verbundpartnerschaft der Berufsbildung.
Handlungs- und Kompetenzorientierung, KI, Mobilität, Internationalität und Interkulturalität – das alles sind Themen, die an den Berufsfachschulen in Zusammenarbeit mit Lehrbetrieben und den Organisationen der Arbeitswelt entwickelt und gelebt werden.
Handlungs- und Kompetenzorientierung, KI, Mobilität, Internationalität und Interkulturalität – das alles sind Themen, die an den Berufsfachschulen in Zusammenarbeit mit Lehrbetrieben und den Organisationen der Arbeitswelt entwickelt und gelebt werden. Ein Austausch in diesen Bereichen ohne Not-Invented-Here-Syndrom, also über den eigenen Tellerrand hinaus und auf Augenhöhe unter Schulen, Verbundpartnern, Lehrpersonen und Ausbildnerinnen ist bereichernd und effektiv. Darum wird die Table Ronde weitere Touren durchführen; thematisch bleibt es vorerst beim Blended Learning. Das Programm 2024 ist auf Web zu finden.
[1] Schlussbericht Tour de Suisse Blended Learning, Seite 9.Zitiervorschlag
Häner, R. (2024). So setzen die Berufsfachschulen Blended Learning um. Transfer. Berufsbildung in Forschung und Praxis 9(5).