Berufsbildung in Forschung und Praxis
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Bildungswege und Arbeitsmarktfähigkeit – neue Forschungsergebnisse

Berufsbildung macht Karrieren

Der Vergleich aller Bildungsstufen zeigt, dass die Abschlüsse der Höheren Berufsbildung im Arbeitsmarkt am meisten begehrt sind, mehr als Universitätsabschlüsse. Dies belegt eine Forschungsarbeit der Eidgenössischen Hochschule EHB im Auftrag des Seco. Zudem sind Hochschul-Absolventinnen und -Absolventen mit einer Berufslehre als Vorbildung nach dem Studienabschluss im Beruf rascher verankert und rascher in Führungsfunktionen. Diese Resultate sind verblüffend und weichen von der gängigen Meinung zum Fachkräftemangel ab. Für Eltern, Lehrpersonen, Berufsberater und Jugendliche sind sie für die Wahl der Ausbildungswege fundamental.


Die Frage nach der Employability von Bildungsgängen und Abschlüssen ist die wohl wichtigste in der Berufsbildungspolitik. Sie greift die Wissensbedürfnisse von Eltern, Lehrpersonen, Berufsberatenden und Arbeitsmarktspezialisten auf: Welcher berufliche Ausbildungstypus macht die Beratungskundinnen und -kunden arbeitsmarktfähig? Und wie erfolgreich ist dieser in der beruflichen Karriere?

Die Studie ist fast unter Ausschluss der Öffentlichkeit erschienen, verdient es aber, als relevant, lesenswert und verbreitungswürdig beachtet zu werden.

Eine EHB-Studie beantwortet diese Fragen nicht nur in einer Momentbefragung, sondern mit einer Langzeitanalyse (1999 bis 2019). Es handelt sich um die 74-seitige Arbeitsmarktstudie von Manuel Aeppli, Andreas Kuhn und Jürg Schweri (2021): «Der Wert von Ausbildungen auf dem Schweizer Arbeitsmarkt».[1] Sie behandelt die Arbeitsmarktfähigkeit (Employability) nach der Beendigung der unterschiedlichen formalen Bildungsgänge in der Schweiz in einer Qualität und Tiefe, die von der üblichen Leading-House-Produktion von Forschungsergebnissen selten erreicht wird. Die Studie ist fast unter Ausschluss der Öffentlichkeit erschienen, verdient es aber, als relevant, lesenswert und verbreitungswürdig beachtet zu werden. Bemerkenswert ist, dass die Initiative für diese Untersuchung von der Aufsichtskommission für den Ausgleichsfonds der Arbeitslosenversicherung (AK-ALV) ausging. Die Fragestellung ist also aus der Praxis der Arbeitsmarktintegration erwachsen.

Im Folgenden skizzieren wir zunächst die wichtigsten Zahlen über die langfristigen Trends in der Bildungslandschaft von 1999 bis 2019. Danach fassen wir die Ergebnisse aus der Employability-Analyse der verschiedenen Bildungsabschlüsse aus der Studie der EHB zusammen. Schliesslich wird auf Längsschnitt-Untersuchungen bei Hochschulabsolventen, durchgeführt vom Bundesamt für Statistik, Bezug genommen.

Tertiärbildung massiv erweitert – eine Trend-Übersicht

Von 1999 bis 2019 hat sich die Anteil der Hochschulabschlüsse (Tertiär A mit Universität, Pädagogische Hochschulen [PH], Fachhochschulen [FH]) unter den in der Schweiz jeweils wohnhaften Personen zwischen 20 und 65 von 9,7% auf 28.6% nahezu verdreifacht, während der Anteil der Personen mit einer Höheren Berufsbildung (Tertiär B [HHB]) von 12,1 auf 14,1% anwuchs. Bereits haben heute etwa 43% der Aktivbevölkerung in der Schweiz eine tertiäre Ausbildung

Bereits haben heute etwa 43% der Aktivbevölkerung in der Schweiz eine tertiäre Ausbildung.

Der Anteil der Personen ohne nachobligatorische Ausbildung oder Bildung («Ungelernte») sank von 1999 bis 2019 von 17% auf 11%. Unter den in der Schweiz Geborenen (Schweizer und Ausländerinnen) sind heute nur noch 5% der aktiven Bevölkerung Ungelernte. (Statistisch erfasst wird jeweils die höchste erreiche Ausbildung der aktiven Wohnbevölkerung von 20 bis 65 Jahren.)[2]

Dank der Berufsmaturität haben wir neben den 20% gymnasialen Maturabschlüssen heute 16% Personen mit Berufsmaturität und zusätzlich 3% mit Fachmaturität.[3] Dabei bestehen zwischen den Landesteilen und Kantonen grosse Unterschiede. Vom Bodensee zum Genfersee nimmt die Häufigkeit der Berufslehren und damit der Berufsmaturitäten ab und die der gymnasialen Abschlüsse zu. In den Westschweizer Kantonen leidet die Berufslehre unter einem sozialen Stigma mit einem sich verschlechternden gesellschaftlichen Prestige.

Bemerkenswert an der Periode von 1999 bis 2019 ist die Zunahme der Erwerbsbeteiligung der Frauen, gleichzeitig ihre überproportionale Zunahme in den Universitäten und an den PH. Einen gestiegenen weiblichen Zustrom gibt es auch an den Höheren Fachschulen des Gesundheitsbereichs.

Soweit ein summarische Zusammenfassung der Trends.

Erwerbsbefähigung (Employability) nach dem Bildungsabschluss: Die Indikatoren

Bevor wir die Erwerbsbefähigung (Employability) nummerisch darstellen, ein methodischer Hinweis auf die gebräuchlichen Indikatoren. Wir betrachten die Erwerbslosenquote und die Erwerbsquote von Diplomierten als die gängigsten und statistisch am leichtesten eruierbaren Indikatoren für die Arbeitsmarktfähigkeit. Sie werden durch die Schweizerische Arbeitskräfte-Erhebung SAKE vom BFS vierteljährlich durch direkte Befragung von zeitlich überrollenden Bevölkerungskohorten erhoben. Die methodische Definition basiert auf den ILO-Standards. (Die Erwerbsquote nach ILO-Definition hat allerdings den Mangel, dass jede Person, die pro Woche bloss eine bezahlte Arbeitsstunde beschäftigt ist, als «Erwerbtätige/r» gilt. Früher galten in der Schweiz sechs Wochenstunden als statistische Schwelle.)

Weitere Indikatoren der Employability ergeben sich aus Befragungen zur Quote der Festanstellungen nach dem Studium und die Quote der Personen in einer Kaderfunktion nach dem Diplomabschluss. Wir werden sie nachfolgend zusammengefasst einblenden. Die jüngst neu erhobenen Resultate über die Inadäquanz zwischen Ausbildung und Erwerbstätigkeit von Absolventinnen und Absolventen der Tertiärbildung sind ebenfalls aussagefähig zur Frage, ob der Diplomabschluss zu einer adäquaten, also dem Studienniveau entsprechenden Anstellung geführt hat.

Erwerbslosigkeit: Ergebnisse der EHB-Studie

Grafik 1: Erwerbslosenquoten, nach Bildungsabschluss 1999-2019

Ein wichtiges Resultat der EHB-Studie ist die Langzeitanalyse der Erwerbslosenquoten, gestaffelt nach Bildungsabschluss, zwischen 1999 und 2019.(Grafik 1)[4] In der Grafik wird über zwei Jahrzehnte hinweg der jedes Jahr in der aktiven Gesamtbevölkerung erhobene Anteil der Erwerbslosen dargestellt, und zwar aufgeteilt nach dem jeweils höchsten erreichten Bildungsabschluss dieser Kohorte.

Erstaunlicherweise mit der tiefsten Erwerbslosenquote am besten placiert sind die Absolventen und Absolventinnen mit einer Höheren Berufsbildung – also Erwerbstätige, die nach der Berufslehre eine Weiterbildung in einer Höheren Fachschule (nicht zu verwechseln mit Fachhochschule), einer eidgenössischen Berufsprüfung oder einer eidgenössischen Höheren Fachprüfung absolviert haben.

Die Personen ohne nachobligatorische Ausbildung («Ungelernte») haben demgegenüber ungeachtet der Konjunkturlage stets die höchste Erwerbslosenquote. Sie ist zwei- bis zweieinhalbmal höher als bei Erwerbstätigen mit abgeschlossener Berufslehre. Man kann daraus folgern, was wir von unzähligen Armutsstudien kennen: Die Ungelernten unterstehen einem zwei bis drei Mal höheren Risiko, arbeitslos zu werden als die Personen mit abgeschlossener Berufslehre.

Auch Personen mit einer Allgemeinbildung (Sek-Stufe II A: gymnasiale Maturität oder Fachmatur) stehen im Arbeitsmarkt schlecht da, wenn sie nicht nach dem Maturitätsabschluss eine formale Bildung absolvieren.

Entgegen der landläufigen Auffassung vom Akademikermangel sind Erwerbspersonen mit einem Tertiär-A-Abschluss (Universität, Fachhochschule, Pädagogische Hochschule) nicht besser positioniert als Fachkräfte nach der Berufslehre. Die Detailanalyse zeigt allerdings eine Ausnahme: Wenn die Absolventeninnen und Absolventen vor dem Hochschulstudium eine Berufslehre absolviert hatten, sind sie ebenso bestplaciert wie die HBB-Abschlüsse. In den Grafiken 1 und 2 sind aus Gründen der Übersichtlichkeit die Datenkurven von Uni, FH und PH zusammengefasst. Im Originaltext der EHB-Studie sind sie auch nach Vorstufen differenziert ersichtlich.[5]

Erwerbsquoten: Ergebnisse der EHB-Studie

Grafik 2: Erwerbsquoten, nach Bildungsabschluss 1999-2019

Grafik 2 bestätigt, quasi als Umkehrseite der gleichen Medaille, den Befund der ersten Grafik: Die Erwerbstätigen mit einem Abschuss der Höheren Berufsbildung haben über die ganze Analyseperiode hinweg mit 93-95% die höchste Erwerbsquote (die Erwerbsquote ist der Anteil der Bevölkerungsgruppe mit dem jeweils höchsten Bildungsabschluss, die mit mindestens einer Wochenstunde bezahlter Erwerbsarbeit im Arbeitsmarkt integriert ist.)

Die HBB-Absolventen/innen gelten als jene Diplomierte, die der Arbeitsmarkt am meisten begehrt. Ihre Employability ist höher als jene der Tertiär-A-Absolventinnen und -Absolventen

Die HBB-Absolventen/innen gelten als jene Diplomierte, die der Arbeitsmarkt am meisten begehrt. Ihre Employability ist höher als jene der Tertiär-A-Absolventinnen und -Absolventen, auch bedeutend höher als jene mit eine Berufslehre EFZ.[6] Allerdings bestätigt sich auch hier eine Ausnahme: Wer vor dem Hochschulstudium eine Berufslehre absolviert hatte, liegt wie die HBB-Absolventinnen und -Absolventen in der Spitzengruppe.

Dieser Befund widerspiegelt natürlich Durchschnittswerte und differenziert nicht nach Branchen und Wirtschaftsstruktur. Der Fachkräftemangel, der in der politischen Debatte recht unbegründet auf die akademischen Abschlüsse fokussiert wird, ist korrekturbedürftig: Wir haben nicht generell einen Akademikermangel, sondern einen Fachkräftemangel in den Bereichen Medizin und Gesundheit (Ärzte, Fachangestellte Gesundheit und Betreuung) sowie in den MINT-Berufen (Informatikerinnen und Ingenieure aller Stufen, Technikerinnen). Die Employability-Indikatoren zeigen, soweit differenzierte Datensätze verfügbar sind, auch entsprechende Unterschiede zwischen den erwähnten Fachkräfte-Mangelberufen und anderen Universitätsabschlüssen, zum Beispiel im Bereich der Geistes- und Sozialwissenschaften und der Künste.[7]

Berufskarriere nach Tertiärabschluss: Ergebnisse der BFS-Längsschnitt-Studien

Grafik 3: Mangel an Festanstellungen 1 und 5 Jahre nach Tertiär A-Abschluss

Die vom BFS durchgeführten Absolventenbefragungen vermitteln ein differenziertes Bild nach Studienabschluss an der Universität (Masterabschluss), an der Pädagogischen Hochschule PH (Bachelorabschluss) respektive an der Fachhochschule FH (Bachelorabschluss) (Grafik3).

Ein Jahr nach Studienabschluss ist die Hälfte der Uni-Masterabsolventinnen und -absolventen (48%) nur in einer befristeten Anstellung. Es kann sich um Praktika, Stages, Assistentenstellen oder anderweitige Temporärbeschäftigungen handeln. Bei den Personen mit PH-Abschluss (in der Regel Lehrpersonen) sind 22% und bei den Fachhochschule-Absolventeninnen und -Absolventen nur 14% temporär beschäftigt.[8]

Auch fünf Jahre nach Abschluss befinden sich immer noch mehr als ein Viertel der Uni-Masterabsolventinnen und -absolventen (28%) bloss in einer befristeten Anstellung.

Auch fünf Jahre nach Abschluss befinden sich immer noch mehr als ein Viertel der Uni-Masterabsolventinnen und -absolventen (28%) bloss in einer befristeten Anstellung, wobei grosse Unterschiede zwischen den Fachbereichen bestehen: Bei Medizinern ist die Befristung als Assistenzärzte häufig üblich, auch wenn sie in diesem Mangelberuf hochgradig begehrt sind. Demgegenüber stellt die hohe Quote an bloss befristeten Jobs nach dem Studium in Geistes-, Sozial- und Naturwissenschaften oft eine persönliche Tragik dar (man spricht auch von «Generation P», P wie Praktikum.)

Im statistischen Durchschnitt sind die Absolventeninnen und Absolventen von Fachhochschulen (Bachelorabschluss) rascher mit Festanstellungen im Arbeitsmarkt verankert. Dies lässt sich darauf zurückführen, dass die dem FH-Studium vorlaufende Berufslehre entscheidend zur Befähigung zur Aufnahme der Berufspraxis beiträgt.

Die späte oder retardierte Beschäftigung in einer Festanstellung kann – abgesehen von branchenspezifischen Sonderfällen – dahingehend interpretiert werden, dass der Universitätsabschluss wenig arbeitsmarktorientiert gestaltet ist. Solche Erwägungen müssen bei der Berufswahl- und Laufbahnberatung eine Rolle spielen.

Grafik 4: Personen mit Hochschulabschluss in Führungsfunktion 1 und 5 Jahre nach Abschluss

Zudem sind Fachhochschul-Absolventen mit Bachelorabschluss nach einem respektive fünf Jahren rascher in betriebliche Führungsfunktionen aufgestiegen als Diplomierte mit einem universitären Masterabschluss. Fünf Jahre nach dem Diplom haben im Durchschnitt 36% der FH-Absolventinnen eine Kaderstelle inne, aber bloss 21% der Uni-Masterabsolventeninnen[9] (Grafik 4)

Auch diese Karriere-Optionen sind bei der Laufbahnberatung in Erwägung zu ziehen. Die raschere Befähigung zu einer Führungsfunktion (als Teamchef, mittleres Kader oder Fachkraft mit Managementfunktionen) lässt sich darauf zurückführen, dass die Kombination von praktischen Kompetenzen aus der Berufslehre (Skills) mit höherem Berufswissen (qualifiziertes Knowledge) im Arbeitsmarkt gefragt ist.

Die beiden Indikatoren aus der Hochschulabsolventenbefragung – Frist für Festanstellung und Zeitraum für den Aufstieg in Kaderposition – bestätigen tendenziell das Bild, das in der EHB-Studie bezüglich Employability als Langfristtrend aufgezeigt worden ist.

Adäquanz-Erhebungen: Neues Indikatorenfeld

Die Adäquanz-Debatte birgt für die Hochschulpolitik und Hochschulautonomie einigen bildungspolitischen Zündstoff.

Ein neues, fachlich noch wenig ausgewertetes Feld der statistischen Employability-Analyse bildet die Erhebung von Adäquanz respektive Inadäquanz von Anstellungen, die das BFS bei Absolventeninnen und Absolventen der Tertiärstufen rund ein Jahr nach Studienabschluss durchführt. Wir begnügen uns hier mit einem methodischen Hinweis und einigen exemplarischen Ziffern.

Das BFS definiert den Indikator wie folgt: «Inadäquanz ist dann gegeben, wenn für die Ausübung der Erwerbstätigkeit kein Abschluss auf Tertiärstufe erforderlich ist und die ausgeübte Erwerbstätigkeit den während der Ausbildung erworbenen fachlichen Qualifikationen nicht entspricht.»[10]

Tertiärausbildungen in den Berufsfeldern «Pädagogik» (Lehrpersonen), «Ingenieurwesen, verarbeitendes Gewerbe und Bauwesen» oder «Gesundheit und Sozialwesen» sind mit einem unterdurchschnittlichen Risiko für inadäquate Erwerbstätigkeiten verbunden: Ärztinnen haben zum Beispiel eine Inadäquanz von 1,0%, Pflegeberufe von 1,8%, Lehrberufe von 1,2% und Informatik-Berufe (Uni) von 3,2%. Dies sind Hinweise, dass die entsprechende Tertiärbildung dem Arbeitsmarkt-Bedarf entspricht.

Demgegenüber werden für Personen mit einem Abschluss in Fachbereichen wie «Geisteswissenschaften und Künste» oder «Sozialwissenschaften, Journalismus und Informationswesen» hohe Anteile inadäquater Erwerbstätigkeiten ausgewiesen. Die Quoten für Inadäquanz betragen bei den Künsten (FH) 24.4%, bei den Geisteswissenschaften (Uni) 15.8% oder bei Sozialwissenschaften/Journalismus 14.9%. Man muss daraus schliessen, dass die betreffenden Institutionen der Tertiärbildung in diesen Bereichen (zu viele?) Absolventeninnen und Absolventen mit Diplomen in den Beruf entlassen, die vom Arbeitsmarkt nicht adäquat beschäftigt werden können.

Die Adäquanz-Debatte birgt für die Hochschulpolitik und Hochschulautonomie einigen bildungspolitischen Zündstoff.

Schlussfolgerungen: Nutzen der Employability-Studien

Eltern und Jugendliche wollen wissen, wie und wo «man Karriere machen kann», oder wie und wo «man einen gutbezahlten Job» erlangt.

Die hier zusammengefassten Employability-Ergebnisse, wie sie vom EHB-Forschungsteam in einer Langzeituntersuchung über zwei Jahrzehnte und vom BFS in einer Längsschnitt-Analyse dargestellt werden, haben einen praktischen Nutzen in der Bildungspolitik. Wir erkennen einen dreifachen Erkenntniswert dieser Ergebnisse:

  1. Sie bringen klärende und berichtigende Elemente in die politische Debatte um den Fachkräftemangel generell, weil sie aufzeigen, wo, in welchen Kategorien der Ausbildungen und Diplome tatsächlich ein hoher Bedarf herrscht. Ausgerechnet für die Abschlüsse der Höheren Berufsbildung, die am meisten ignoriert und verkannt werden, besteht zahlenmässig der höchste Bedarf im Arbeitsmarkt. Wir gehen davon aus, dass er in der KMU-Wirtschaft, die über 99% der Unternehmen umfasst, am grössten ist.
  2. Die Ergebnisse sind ein wichtiges Element der Beratung im Rahmen der Berufs-, Studien- und Laufbahnberatung. Eltern und Jugendliche wollen wissen, wie und wo «man Karriere machen kann», oder wie und wo «man einen gutbezahlten Job» erlangt. Dabei wird die vorherrschende Meinung, die Karriere über Gymnasium und Universität sei der Königsweg, durch diese Indikatoren korrigiert. Gerade auch Eltern und Jugendliche mit Migrationshintergrund kennen von ihrer Herkunft her das durchlässige schweizerische Bildungssystem wenig und insistieren auf eine Uni-Karriere. Dabei können die Employability-Indikatoren hilfreich sein und zur realistischeren Einschätzung beitragen.
  3. Die hohe statistische Positionierung der Abschlüsse der Höheren Berufsbildung (Höhere Fachschulen, eidg. Berufs- und Höhere Fachprüfungen) im Arbeitsmarkt kann auch dazu beitragen, die längst fällige Neuordnung der HBB-Abschlüsse bezüglich Titeläquivalenz In Deutschland und Österreich wurde für die HBB-Abschlüsse der Titel «Bachelor Professional» eingeführt und geschützt. Bei uns gibt es für die HBB-Abschlüsse über 400 Fachbezeichnungen, aber keinen übergreifenden Titel, der – ähnlich wie die Titelpaare EFZ/EBA oder Bachelor/Master/Doktorat – eine publikumswirksame Reputationsfunktion besitzt.

Die Weiterführung und Vertiefung von Employability-Studien, differenziert nach Branchen, Studienrichtungen und Abschlusstypen, ist nutzbringend für die Bildungsplanung, Berufs-, Studien- und Laufbahnberatung und für die Prestige-Zuordnung der Bildungswege. Sie hat hohe Priorität.

[1] EHB. Manuel Aeppli, Andreas Kuhn, Jürg Schweri (2021): Der Wert von Ausbildungen auf dem Schweizer Arbeitsmarkt. Grundlagen der Wirtschaftspolitik Nr. 31. Staatssekretariat für Wirtschaft SECO Bern 2021. Zusammenfassung: Eine Berufsausbildung lohnt sich noch immer. In: Volkswirtschaft Nr. 12/2021, S.41-43. Referiert von Hansueli Schöchli: Die Berufslehre bietet mindestens so gute Chancen wie das Gymnasium. In: NZZ vom 16. 11. 2021, S.21

[2] EHB (2021) S. 10

[3] EHB (2021) S.12

[4] Die hier wiedergegebenen Grafiken sind Nachbildungen der Computergrafiken in der EHB-Studie. Sie wurden für den Autor speziell für das Buch «Karriere mit Berufsbildung» (hep verlag) erstellt, das Anfang 2023 erscheinen dürfte.

[5] EHB (2021) Seite 69, Abb.B 6 und Seite 28 (Details)

[6] EHB (2021) Seite 69, Abb.B 6 und Seite 26 (Details)

[7] BFS (2020) Von der Hochschule ins Berufsleben. Ergebnisse zur Schweizer Hochschulabsolventenbefragung der Abschlussjahrgänge 2014 und 2018. Seiten 21f

[8] Dito Seite 26

[9] Dito Seiten 23-24

[10] BFS (2022) Inadäquanz zwischen Ausbildung und Erwerbstätigkeit. Absolventinnen und Absolventen des Tertiärbereichs 2018. Seiten 5 und 25f.

Bücher des Autors zur Berufsbildung

  • Warum wir so reich sind. Bern, hep Verlag 2008/2010
  • Die Akademisierungsfalle. Warum nicht alle an die Uni müssen. Bern, hep Verlag 2014
  • In Vorbereitung, zusammen mit Andrea Eller und Jörg Wombacher: Karriere mit Berufsbildung. Warum der Arbeitsmarkt Fachkräfte mit Berufslehre am meisten begehrt. Bern, hep Verlag. Die Grafiken in diesem Aufsatz sind ein Vorabdruck aus diesem Buch.
Zitiervorschlag

Strahm, R. H. (2022). Berufsbildung macht Karrieren. Transfer. Berufsbildung in Forschung und Praxis 7(2).

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