Berufsbildung in Forschung und Praxis
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Ausbildungsverbund Jomb nutzt die Möglichkeiten der Informatik

So können auch kleine Firmen Lernende ausbilden

Ausbildungsverbünde gibt es schon lange; hier absolviert man eine Lehre in mehreren Firmen. Jetzt macht die junge Firma Jomb die Idee zum Geschäft: Sie nutzt die Möglichkeiten der Informatik, um viele administrative und kommunikative Aufgaben zu automatisieren. Die Idee hat grosses Potenzial. Ein Interview mit Co-Gründerin Bianka König.


Bianka König, Sie haben vor wenigen Monaten zu dritt den Ausbildungsverbund Jomb gegründet. Warum?
Viele Betriebe machen einen Superjob; aber weil sie zu stark spezialisiert sind, bilden sie keine Lernenden aus. Wir springen in diese Lücke. Wir stellen die Lernenden bei uns an, aber die praktische Bildung durchlaufen sie in Rotation in drei oder vier Praxisbetrieben – und erhalten so die ganze Breite der vorgeschriebenen Kompetenzen.

Dann übernehmen Sie die Organisation der Lehre?
Genau. Das Lehrstellenmarketing, die Auswahl der Bewerber, die Bildungsbewilligung, die Information der Eltern, die Planung und Überwachung der Ausbildung, die Prüfungsvorbereitung – diesen ganzen Bogen übernehmen wir. Das ist der zweite Vorteil, den wir bieten: Jomb entlastet die Betriebe von allen Verwaltungsaufgaben. So können sie sich ganz auf die praktische Ausbildung der Lernenden konzentrieren.

Bianka König hat mit Mathias Teber (links) und Jonas Schwertfeger (rechts) den Ausbildungsverbund Jomb gegründet: «Wir entlasten die Praxisbetriebe von administrativen Aufgaben».

Jomb ist erst wenige Monate alt. Welche Berufe werden Sie ausbilden?
Wir fokussieren uns zunächst auf den Beruf Mediamatiker/in und bleiben vorerst in der deutschen Schweiz. Der Beruf hat viel Zukunft und ist bei den jungen Leuten beliebt. Er verbindet allerdings eine Reihe von Kompetenzbereichen, die viele Firmen nicht in der ganzen Breite abdecken: Verkauf, Layout-Design, Foto-Videoproduktion, Marketing, Informatik, Projektmanagement, um nur einige zu nennen. Bei uns lernt man alle kennen, die – einfach in mehreren Betrieben.

Die meisten Ausbildungsverbünde bewegen sich darum in geographischen oder beruflichen Nischen. Jomb will diese Grenzen sprengen.

Kommen später andere Berufe dazu?
Ja, wir wollen den Fächer weit öffnen und haben eine Reihe von weiteren Berufen im Fokus; dafür beobachten wir Angebot und Nachfrage an Ausbildungsplätzen, die Breite des Qualifikationsprofils, geografische Aspekte und viele Dinge mehr. Eine Möglichkeit wäre der sehr junge Beruf Entwickler/in digitales Business, aber wir wollen auch Berufe ausserhalb der Informatik erreichen.

Es gibt schon heute eine Reihe von Ausbildungsverbünden. Was unterscheidet Jomb von ihnen?
Ausbildungsverbünde haben ein grosses Potenzial, das sagt auch die Forschung; trotzdem ist ihre Zahl bis heute relativ klein geblieben. Warum? Weil solche Verbünde umfangreiche organisatorische Vorkehrungen voraussetzen, zeitaufwendig sind und fachliches Know-how verlangen. Die meisten Ausbildungsverbünde bewegen sich darum in geographischen oder beruflichen Nischen. Jomb will diese Grenzen sprengen. Wir drei Gründer haben neben Jomb leitende Positionen bei berufsbildner.ch, die Aus- und Weiterbildungen für Bildungsverantwortliche organisiert. Wir kennen darum das Feld und wissen, was es heisst, junge Leute auszubilden. Wir bringen aber auch sehr viel Startup-Erfahrung mit, verfügen über fundierte IT-Kompetenzen, haben unternehmerisches Know-how. Dank der digitalen Möglichkeiten können wir unser Angebot massiv verbreitern, ohne uns im administrativen Dschungel, der entsteht, zu verlieren. Kern von Jomb ist eine digitale Plattform für die Lernenden und ihre Eltern, die beteiligten Praxisbetriebe und die Berufsbildungsämter, die Schule und die überbetrieblichen Kurse. Hier automatisieren wir möglichst viele administrative Vorgänge.

Können Sie dafür ein Beispiel nennen?
Wir bilden die Inhalte des Bildungsplans der Mediamatik auf unserer Plattform ab. Ein Ampelsystem erinnert die an der Bildung beteiligten Personen an ihre Verpflichtungen. Ein Beispiel ist die Lerndokumentation, die die Lernenden erstellen und einreichen müssen. Wenn diese Dokumentation aussteht, erhalten sie automatisch eine Push-Nachricht. Die Plattform bietet zudem Räume an, in denen sich die Lernenden begegnen und austauschen können. Und wenn wir sehen, dass mehrere Jugendliche im gleichen Fach Hilfe benötigen, bieten wir Nachhilfeforen an.

Sie starten im Sommer mit einer ersten Lerngruppe. Können sich Jugendliche bei Ihnen bewerben?
Sehr gerne! Wir haben bereits eine Reihe von Ausbildungsbetrieben im Boot und können darum einige Ausbildungsplätze anbieten. Im Februar und März führen wir in Zürich Schnuppertage durch. Wieviele Ausbildungsplätze es letztlich werden, hängt auch von der Zahl der Betriebe ab, die noch dazukommen. Interessierte Betriebe können sich ebenfalls gerne bei uns melden, je nach Lehrjahr des Lernenden bezahlen sie 1600 bis 2400 Franken pro Monat, inklusive Lehrlingslohn.

Das klingt nach Aufbauphase.
Das ist wie mit dem Huhn und dem Ei: Lernende gewinnen wir eher, wenn wir konkrete Ausbildungsplätze zeigen können – und Betriebe, wenn wir ihnen geeignete Lernende vorstellen. Das erfordert zum Teil viel Aufklärungsarbeit. Viele Betriebe sind sich gar nicht bewusst, dass sie Lernende ausbilden könnten, weil sie glauben, zu spezialisiert zu sein.

Wir haben ein hohes Interesse daran, dass die Qualität der Ausbildung gut ist und nicht ständig Interventionen nötig sind.

Eine Aufgabe der Behörden ist die Kontrolle der Qualität der betrieblichen Bildung. Wie ist das bei Ihren Praxisbetrieben?
Weil Jomb als Leitlernbetrieb auftritt, ist es an uns dafür zu sorgen, dass die Praxisbetriebe ihren Verpflichtungen nachkommen und gut ausbilden. Das fängt bei der Akquise dieser Firmen an und setzt sich dann in der Ausbildungszeit fort. Wir haben ein hohes Interesse daran, dass die Qualität der Ausbildung gut ist und nicht ständig Interventionen nötig sind. Lernende, Praxisbetriebe, Jomb – wir alle sitzen im Grund im gleichen Boot.

Sie müssen aber auch bereit sein, Lernenden oder Betrieben auf die Füsse zu treten. Derzeit wird etwa jeder fünfte Lehrvertrag vorzeitig aufgelöst.
Das stimmt leider. Allerdings münden die meisten dieser Auflösungen in einem neuen Lehrvertrag im gleichen Beruf, einfach in einem anderen Betrieb. Bei Jomb ist ein solcher Wechsel undramatisch; die Rotation der Lernenden gehört bei uns zum System – und macht die Lehre besonders attraktiv!

Zitiervorschlag

Fleischmann, D. (2023). So können auch kleine Firmen Lernende ausbilden. Transfer. Berufsbildung in Forschung und Praxis 8(1).

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