Der D-VET Hub unterstützt die digitale Transformation in der Berufsausbildung
Die Potenziale digitaler Lernumgebungen
Künstliche Intelligenz – besser spricht man von maschinellem Lernen – kommt auch in der Berufsbildung an. Der D-VET-Hub der EPFL (École Polytechnique Fédérale de Lausanne) beschäftigt sich mit der Entwicklung von Lernumgebungen, die deren Potenzial nutzen. Er setzt die Aktivitäten von Dual-T fort und wird als Leading House «Technologien für die Berufsbildung» durch das SBFI finanziert. Eine Anwendung ist zum Beispiel «PharmaSim», eine virtuelle Apotheke für szenariobasiertes Lernen.
Konkret besteht die Forschung des D-VET Hubs darin, neuartige Modelle und Algorithmen zu entwickeln, die hochgradig individualisierte digitale Lernwerkzeuge ermöglichen – mit dem Ziel, den Lernerfolg zu optimieren und die Lernenden auf lebenslanges Lernen vorzubereiten.
Die Digitalisierung ist einer der zentralen Treiber des Wandels auf dem Schweizer Arbeitsmarkt. Berufe und Tätigkeiten verändern sich und zwingen die Aus- und Weiterbildung, den Wandel mitzugestalten. Routinetätigkeiten treten in den Hintergrund, während Fähigkeiten wie kritisches Denken, kreative Problemlösung oder digitale Kompetenz immer stärker gefragt sind. Für ein ressourcenarmes Land wie die Schweiz ist es entscheidend, diese Entwicklungen frühzeitig zu erkennen und gezielt zu fördern.
D-VET Hub: Innovation durch Bildungstechnologie
Der D-VET Hub an der EPFL verfolgt das Ziel, Studierende und Lernende durch den Einsatz von digitalen Lernumgebungen auf eine digitalisierte, sich schnell verändernde Arbeitswelt vorzubereiten. Er widmet sich der Forschung zur Digitalisierung der Berufsbildung und dem Transfer der Ergebnisse an alle Akteure der Berufsbildung. Somit setzt der D-VET Hub an der EPFL die Aktivitäten von Dual-T fort, über dessen Tätigkeit in der Fachzeitschrift Transfer wiederholt berichtet wurde.[1] Er startete 2020 und hat eine Laufzeit von acht Jahren. Am D-VET Hub arbeiten derzeit – neben der leitenden Professorin Tanja Käser und einer administrativen Assistentin – acht Doktorandinnen und Doktoranden, ein Postdoc sowie ein Projektleiter und ein Forschungsingenieur. Letztere spielen eine zentrale Rolle bei der Unterstützung des Teams, insbesondere bei Studien im Unterricht: Sie fördern den Austausch mit Akteuren der Berufsbildung und entwickeln sowohl die Online-Lernumgebungen als auch die Infrastruktur zur Datenerhebung kontinuierlich weiter.
Konkret besteht die Forschung des D-VET Hubs darin, neuartige Modelle und Algorithmen zu entwickeln, die hochgradig individualisierte digitale Lernwerkzeuge ermöglichen – mit dem Ziel, den Lernerfolg zu optimieren und die Lernenden auf lebenslanges Lernen vorzubereiten. Dieses Vorhaben erfordert Fortschritte sowohl im Bereich des maschinellen Lernens als auch in der Bildungsforschung.
Aus der Perspektive des maschinellen Lernens besteht die Herausforderung darin, Modelle und Algorithmen zu entwickeln, die das Wissen und die Lernstrategien der Lernenden präzise abbilden und vorhersagen können, um eine individuelle Anpassung des Lernprozesses zu ermöglichen.
Aus bildungswissenschaftlicher Sicht widmet sich der D-VET Hub der Entwicklung digitaler Lernumgebungen, die eine gleichzeitige Förderung von Fachwissen, beruflichen Handlungskompetenzen und überfachlichen Lernkompetenzen für das lebenslange Lernen ermöglichen. Dabei steht der Mensch im Mittelpunkt der Forschung. Durch die enge Einbindung von Bildungsprofis stellt der Forschungs-Hub sicher, dass Technologie im Dienste der Pädagogik steht – und nicht umgekehrt.
Die aktuellen Forschungsprojekte decken drei zentrale Bereiche ab:
- Entdeckendes Lernen & diagnostische Fähigkeiten
Die Projekte in diesem Forschungsbereich fördern entdeckendes Lernen und die Entwicklung von Problemlösungs-Strategien. Offene, explorative Lernumgebungen ermöglichen es den Lernenden, eigenständig Wissen zu erschliessen und ihre Problemlösekompetenzen weiterzuentwickeln. Dafür wird das Lernverhalten der Jugendlichen in verschiedenen Simulationen mit Methoden des maschinellen Lernens analysiert, um dieses anschliessend gezielt und individualisiert zu fördern. - Selbstreguliertes Lernen
Bei den Projekten in diesem Forschungsbereich steht die Förderung von selbstreguliertem und reflektiertem Lernen im Mittelpunkt. Durch digitale Lerndokumentationssysteme und Blended-Learning-Ansätze sollen Lernende die Möglichkeit erhalten, ihren eigenen Lernprozess zu steuern und zu verbessern. Auch in diesem Bereich birgt der Einsatz von Modellen und Algorithmen grosses Potenzial, um das Wissen und die Lernstrategien der Lernenden präziser zu erfassen, abzubilden und vorherzusagen – und so eine individuell angepasste Lernförderung zu ermöglichen. - Maschinelles Lernen als Fundament
Dieser Forschungsbereich bildet die technologische Basis der beiden anderen. Hier werden massgeschneiderte ML-Modelle für den Bildungsbereich entwickelt, die das entdeckende und das selbstregulierte Lernen unterstützen und optimieren.
Beispiele digitaler Lerntechnologien als Mehrwert für die Berufsbildung
Die virtuelle Apotheke bietet den Lernenden einen geschützten Raum, in dem sie neue Handlungskompetenzen entwickeln, Dinge ausprobieren und aus Fehlern lernen können.
Im Rahmen des Forschungsstrangs A (Entdeckendes Lernen & diagnostische Fähigkeiten) steht die Entwicklung von digitalen Lernumgebungen im Zentrum. Ein Beispiel einer solchen Umgebung ist die am D-VET Hub entwickelte virtuelle Apotheke «PharmaSim». In diesem interaktiven Setting bewältigen angehende Fachleute Apotheke EFZ verschiedene Beratungsszenarien und betreuen virtuelle Kundinnen und Kunden. Dabei müssen sie relevante Informationen aus unterschiedlichen Quellen – etwa aus Kundengesprächen, ihrem Lernjournal oder einem Arzneimittelkompendium – sammeln und Schlussfolgerungen ziehen. Die virtuelle Apotheke bietet den Lernenden einen geschützten Raum, in dem sie neue Handlungskompetenzen entwickeln, Dinge ausprobieren und aus Fehlern lernen können. Gleichzeitig eröffnet unsere Analyse der Benutzerdaten den Lehrkräften und bildungspolitischen Entscheidungsträgern wertvolle Einblicke in den Lernbedarf der Auszubildenden.
Bei der Entwicklung solcher Lernumgebungen werden die relevanten Akteure des Berufsbildungssystems von Anfang an aktiv einbezogen. Im Mittelpunkt stehen dabei insbesondere die Lehrpersonen und die Lernenden, die als zentrale Gestalter und Nutzer dieser Umgebungen eine Schlüsselrolle einnehmen. Der Erfolg digitaler Lernumgebungen hängt nicht nur von ihrer pädagogischen Qualität ab, sondern auch von ihrer technischen Alltagstauglichkeit. Deshalb werden neue Anwendungen kontinuierlich im Unterricht erprobt und einem praxisnahen Realitätscheck unterzogen. Digitale Lernaktivitäten sollen mit minimalem technischem Equipment funktionieren und einen möglichst breiten Zugang gewährleisten: Ein Computer und Internetzugang genügen.
In Kombination mit maschinellem Lernen und künstlicher Intelligenz ermöglichen digitale Lernumgebungen eine detaillierte und grossflächige Bewertung menschlicher Lernprozesse, wie sie durch rein menschliche Beobachtung kaum erreichbar ist. Forschungen haben gezeigt, dass lernrelevantes Nutzerverhalten nicht immer leicht vorhersehbar ist. Lernumgebungen mit KI ermöglichen demgegenüber eine individuelle Anpassung der Lernumgebung auf die Bedürfnisse jedes einzelnen Nutzers oder einer Nutzergruppe. Sie erlauben es, den Lernstand und die Lernstrategien der Auszubildenden zu verfolgen, zu bewerten, zu analysieren, darzustellen und vorherzusagen – und gezielte Massnahmen zur Förderung der individuellen Entwicklung zu ergreifen. In einem virtuellen Chemielabor (Chemlab) untersuchten wir beispielsweise, welche Strategien besonders erfolgreiche Lernende anwenden und wie Lernende mit Schwierigkeiten am besten begleitet werden können, um zu lernen, eigenständig Probleme zu lösen. Das Ziel ist es, den Lernenden gezielt die notwendigen Werkzeuge an die Hand zu geben, damit sie Aufgaben mit möglichst wenig externer Hilfe bewältigen können.

Chemlab: Die Lernenden führen in einem virtuellen Chemielabor Experimente durch und lösen verschiedene Aufgaben; sie erhalten dabei Instruktionen zur Datenerhebung und/oder zur Datenanalyse.
Diese technischen Lösungen sollen eine Unterstützung für die Lehrpersonen sein und keineswegs an deren Stelle treten. Letztendlich sollen Pädagoginnen und Pädagogen durch eine umfassendere Datenbasis fundiertere Entscheidungen treffen und ein erweitertes Repertoire an pädagogischen Interventionen erhalten, um noch besser auf die individuellen Bedürfnisse der Lernenden eingehen zu können. Ihre Rolle wird dabei nicht ersetzt, sondern bereichert; zudem wird sorgfältig darauf geachtet, dass die personenbezogenen Daten der Nutzerinnen anonymisiert werden und anonym bleiben.
In den Projekten des Forschungsbereichs B (Selbstreguliertes Lernen) versucht der D-VET Hub zum Beispiel, die Effektivität von digitalen Lernportfolios und Lernjournalen zu verbessern. Dadurch können die Vorteile des dualen Berufsbildungssystems der Schweiz weiter gestärkt werden.
Auch in Bezug auf die Optimierung des individuellen Lernpfades im Verlauf einer Lehre bietet die Digitalisierung der Berufsbildung Opportunitäten. In den Projekten des Forschungsbereichs B (Selbstreguliertes Lernen) versucht der D-VET Hub zum Beispiel, die Effektivität von digitalen Lernportfolios und Lernjournalen zu verbessern. Dadurch können die Vorteile des dualen Berufsbildungssystems der Schweiz weiter gestärkt werden, indem die Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Lernorten – Berufsfachschulen, Unternehmen und überbetrieblichen Kursen – durch digitale Lösungen verbessert wird. In diesem Bereich wurde am D-VET Hub beispielsweise der Schreibassistent «Reflectium» entwickelt, der reflektierendes Schreiben mithilfe der Potenziale grosser Sprachmodelle (Large Language Models) unterstützt. Ziel ist es, Lernenden dabei zu helfen, ihre Erfahrungen gezielt zu strukturieren und daraus zu lernen.
Dabei analysiert «Reflectium» die geschilderten Erlebnisse aus herausfordernden Situationen am Arbeitsplatz und begleitet die Nutzer interaktiv durch den Reflexionsprozess nach dem Gibbs-Modell. Dieses Modell strukturiert das Nachdenken über Erfahrungen in sechs aufeinanderfolgende Phasen – von der Beschreibung der Situation bis zur Ableitung konkreter Handlungsperspektiven – und unterstützt so eine tiefere Auseinandersetzung mit dem eigenen Handeln. So werden die Lernenden angeleitet, sowohl aus erfolgreichen als auch aus weniger gelungenen Situationen Erkenntnisse zu gewinnen und zukünftige Handlungen bewusster zu planen.

Reflectium: Eine Übersicht über die Hauptschnittstelle von «Reflectium», einem intelligenten Assistenten für reflektierendes Schreiben. «Reflectium» analysiert die geschilderten Erlebnisse und führt die Nutzer interaktiv durch den Reflexionsprozess nach dem Gibbs-Modell.
Ausblick
Seit dem Start von D-VET Hub im Jahr 2020 haben weit über 1000 Lernende mit den am D-VET Hub entwickelten digitalen Lernumgebungen gearbeitet. Der D-VET Hub richtet den Fokus nun verstärkt auf die Vertiefung der Zusammenarbeit mit Berufsfachschulen und den Ausbau seines Netzwerks. Schulen sind eingeladen, an laufenden Entwicklungen zu partizipieren und die Expertise des Hubs für eigene Projekte zu nutzen.
- Gurtner, J., Felder, J., & Furlan, N. (2017). So verbindet man das Lernen im Lehrbetrieb und an der Berufsfachschule. Transfer. Berufsbildung in Forschung und Praxis 2(2).
- Dillenbourg, P. (2017). Digitale Möglichkeiten in der Berufsbildung. Transfer. Berufsbildung in Forschung und Praxis 2(2).
- Cattaneo, A. (2023). Das Erbe von Dual-T. Transfer. Berufsbildung in Forschung und Praxis 8(3).
Zitiervorschlag
Bühlmann, P. (2025). Die Potenziale digitaler Lernumgebungen. Transfer. Berufsbildung in Forschung und Praxis 10(9).