Berufsbildung in Forschung und Praxis
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Unternehmerische Kompetenzen bei Berufsfachschullernenden stärken

myidea entwickelt sich weiter

Kritisches Denken und Problemlösen, Eigeninitiative zeigen, kreative und innovative Ideen entwickeln, Chancen erkennen und ergreifen – das sind nur einige der Fähigkeiten, die in der Arbeitswelt immer wichtiger werden. Dafür braucht es unternehmerische Kompetenzen. Diese werden jedoch an Schweizer Berufsfachschulen meist nur wenig systematisch gefördert. Die Initiative «Unternehmerisches Denken und Handeln an Berufsfachschulen der Schweiz» (UDH) hat 2018 mit einem durch das SBFI geförderten Pilotprojekt an diesem Punkt angesetzt und ein erprobtes Lernprogramm zunächst im allgemeinbildenden Unterricht (ABU) implementiert. Dazu wurden ABU-Lehrpersonen in vier Pilotkantonen (Bern, Solothurn, Tessin, Wallis) geschult, welche das Programm myidea mit ihren Lernenden durchführten. Seit Beendung des Pilotprojekts 2022 werden die Initiative UDH sowie das Lernprogramm myidea kontinuierlich weiterentwickelt.


Die Initiative «Unternehmerisches Denken und Handeln an Berufsfachschulen der Schweiz» – die Grundidee

Zwar gibt es im tertiären Bereich sehr viele Entrepreneurship-Angebote. In den früheren Bildungsstufen der Primar- sowie der Sekundarstufe I und II fehlen diese Möglichkeiten aber weitgehend.

Wer in der Schweiz unternehmerisch aktiv sein möchte, hat Glück: Im internationalen Vergleich bietet die Schweiz sehr gute gründungsrelevante Rahmenbedingungen (Baldegger et al., 2022). Es gibt im Bildungsbereich bezüglich Entrepreneurship Education jedoch einen blinden Fleck: Zwar gibt es im tertiären Bereich sehr viele Entrepreneurship-Angebote. So haben Studierende an Hochschulen viele Möglichkeiten, unternehmerische Kompetenzen zu erwerben. Sie können Vertiefungen oder Kurse in Entrepreneurship besuchen und – bei Interesse – Beratung und Coaching für die Entwicklung von Geschäftsideen sowie Unterstützung für die Gründung und Finanzierung eines Startups in Anspruch nehmen. In den früheren Bildungsstufen der Primar- sowie der Sekundarstufe I und II fehlen diese Möglichkeiten aber weitgehend.

Das Schweizerische Zentrum für Unternehmerisches Denken und Handeln (szUDH) möchte dies für die Berufsfachschulen der Schweiz, wo eine systematische Integration des unternehmerischen Denkens und Handelns fehlt, ändern. Die Vision des Zentrums: In der Schweiz schliessen jedes Jahr circa 75’000 Berufslernende eine Lehre ab (SBFI, 2022). Sie alle sollen während ihrer Berufslehre die Gelegenheit erhalten, unternehmerische Kompetenzen wie Eigeninitiative, Selbstwirksamkeit, kritisches Denken, Problemlösefähigkeit oder ein praxisbasiertes Verständnis der frühen Phase eines Gründungsprozesses zu erwerben. Diese Kompetenzen sollen ihnen ermöglichen, Wirtschaft und Gesellschaft aktiv mitzugestalten und auch als Angestellte in der Lage zu sein, innerhalb eines Unternehmens Verbesserungspotenziale zu entdecken und innovativ zu arbeiten. Die Art, wie wir wirtschaften und arbeiten (die häufig als alternativlos dargestellt wird) soll damit als etwas Gestaltbares erlebt werden (Geissler, 2019).

Um diese Vision umzusetzen, sind wir in drei Schritten vorgegangen.

In einem ersten Schritt haben wir ein im Rahmen früherer Forschungsprojekte entwickeltes, wirksames Lernprogramm verbessert sowie eine Weiterbildung für Lehrpersonen im allgemeinbildenden Unterricht (ABU) ausgearbeitet. Die Lehrpersonen werden im Rahmen der Weiterbildung in die Lage versetzt, das Lernprogramm myidea anschliessend direkt mit ihren Lernenden durchzuführen. Diese Aktivitäten konnten im Rahmen des Pilotprojektes «Unternehmerisches Denken und Handeln an Berufsfachschulen der Schweiz – ökonomische, soziale und ethische Dimensionen» (2018 – 2022) realisiert werden, welches vom Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation SBFI gefördert wurde. Im Rahmen des Pilotprojektes konnten 86 Lehrpersonen in vier Pilotkantonen (Bern, Solothurn, Tessin, Wallis) sowie Studierende an der Pädagogischen Hochschule Zürich geschult und der Prozess laufend evaluiert werden. Dazu wurde ein Teil der Lehrpersonen, die das Programm anschliessend mit ihren Klassen durchführten, von uns befragt sowie im Unterricht besucht, um zu sehen, wie die Umsetzung des Programms funktionierte und wo es noch Anpassungen brauchte. Das Lernprogramm – myidea – sowie die Weiterbildung für Lehrpersonen stehen auf Italienisch, Französisch und Deutsch zur Verfügung.

In einem zweiten Schritt wurden Multiplikatoren ausgebildet, die anschliessend weitere ABU-Lehrpersonen in viertägigen Weiterbildungen schulten. Durch die Multiplikatorinnen konnten über 100 weitere Lehrpersonen im Rahmen des Pilotprojekts ausgebildet werden. Inzwischen wurden insgesamt circa 300 Lehrpersonen geschult, die schätzungsweise rund 5’000 Lernende pro Jahr erreichen.

In einem dritten Schritt haben wir 2022 mit weiteren Partnern das Schweizerische Zentrum für Unternehmerisches Denken und Handeln gegründet.

In einem dritten Schritt haben wir 2022 mit weiteren Partnern das Schweizerische Zentrum für Unternehmerisches Denken und Handeln szUDH gegründet, um die Nachhaltigkeit der Initiative über das Pilotprojekt hinaus zu sichern. So werden weitere Schulungen für Lehrpersonen aus dem ABU und der Berufskunde zum Programm myidea oder die Ausrichtung der nationalen myidea-Challenge über das szUDH durchgeführt.

Das Programm myidea

Das Programm myidea besteht aus sechs Modulen, die über einen Zeitraum von mindestens acht Wochen durchgeführt werden sollten. Sie bilden den Prozess von der Findung und Entwicklung einer Geschäftsidee über die Entwicklung des Geschäftsmodell bis zum «Pitch», also der Präsentation einer ausgereifteren Idee vor Publikum, ab. Die Lernenden wenden in jedem Modul die erlernten theoretischen Grundlagen – z. B. das Testen einer Idee im Rahmen eines Lean-Startup-Ansatzes, die Entwicklung eines Geschäftsmodells oder die Gestaltung des Marketing-Mix– direkt auf ihre eigene Idee an. Dazu müssen sie u.a. auch die Komfortzone von Klassenzimmer und Schule verlassen und beispielsweise bei potenziellen Kundinnen oder Geschäftspartnern Feedback zu ihrem Vorhaben einholen. Dieses Feedback verwenden die Lernenden zur Weiterentwicklung ihrer Geschäftsidee. Das Thema «aus Fehlern lernen» ist dabei ein wichtiges Element, da auf dem Weg zu einer Gründung immer die Gefahr des Scheiterns besteht (Müller, Berger & Gutzwiller-Helfenfinger, 2020). Ein Querschnitts-Element, welches an verschiedenen Stellen betont wird, ist der Fokus auf soziale und ökologische Nachhaltigkeit. Ein Beispiel ist in Abbildung 1 enthalten, wo aufgezeigt wird, wie die Lernenden das Geschäftsmodell, welches sie entwickeln, sozial und ökologisch noch nachhaltiger gestalten könnten.

Abb. 1: Auszug aus Modul 3 «Geschäftsmodelle entwickeln».

Die Lehrpersonen agieren im Programm als Coaches und unterstützen die Lernenden dabei, mit Widrigkeiten umzugehen, kreative Lösungen zu finden und sich nicht mit einer «halbherzigen» Ausführung zufrieden zu geben. Dadurch, dass sie im mehrtägigen Weiterbildungsprogramm in die Rolle der Lernenden geschlüpft sind und ebenfalls eine Geschäftsidee entwickelt haben, sind sie sehr nahe am Lernprozess der Lernenden und kennen die zentralen Knackpunkte. Gleichzeitig sorgt die wirtschaftswissenschaftliche und pädagogisch-didaktische Vertiefung aus der Weiterbildung dafür, dass die Lehrpersonen den Prozess – als problem- und erfahrungsbasiertes Lernen – adaptiv begleiten können. Die Lernmaterialien wurden aufgrund von Rückmeldungen seitens der Lehrpersonen weiterentwickelt. Auf myidea.ch stehen jeweils die aktuellen Materialien frei zugänglich zur Verfügung.

Zentrale Ergebnisse aus der Evaluation

Das Pilotprojekt wurde laufend evaluiert, wobei die Teilnahme an den Datenerhebungen freiwillig war. Von 85 Lehrpersonen und von 449 Lernenden liegen vollständige Datensätze vor. Auf der Ebene der Lehrpersonen beinhaltete die Untersuchungsteilnahme die Bearbeitung eines Fragebogens vor und nach der Weiterbildung zu myidea, die Teilnahme an Fokusgruppeninterviews während der Weiterbildung sowie die Teilnahme an einem Reflexionsworkshop im Anschluss an die Weiterbildung. Zusätzlich wurden Lehrpersonen im Unterricht besucht, wobei diese Besuche im Frühjahr 2021 wegen der Covid-Pandemie eingestellt werden mussten. Die Lernenden bearbeiteten vor und nach der Umsetzung von myidea ebenfalls einen Fragebogen. Die Rückmeldungen der Lehrpersonen flossen laufend in die Weiterentwicklung von myidea, aber auch der Lehrpersonen-Weiterbildung ein.

Bei den Lehrpersonen zeigte sich bei den persönlichen Überzeugungen und Haltungen eine positive Wirkung der Weiterbildung. So stieg bei ihnen die Überzeugung, dass das Machen von Fehlern und beinahe Scheitern wichtig ist für das Lernen.

Bei den Lehrpersonen zeigte sich bei den persönlichen Überzeugungen und Haltungen eine positive Wirkung der Weiterbildung. So stieg bei ihnen die Überzeugung, dass das Machen von Fehlern und beinahe Scheitern wichtig ist für das Lernen. Sie zeigten auch eine positivere Haltung gegenüber der Einbindung von unternehmerischem Denken und Handeln an Berufsfachschulen. Die Inhalte und Formate der Weiterbildung wurden durchwegs positiv bis sehr positiv bewertet. Die Lehrpersonen fühlten sich gut vorbereitet und sicher für die Umsetzung von myidea mit ihren Lernenden und hatten u.a. viele Anknüpfungspunkte an den ABU entdeckt.

Bei den Lernenden liessen sich ebenfalls positive Wirkungen aus der Durchführung von myidea feststellen, dies v.a. bezogen auf ihre mögliche Zukunft als Unternehmerin oder Unternehmer. So schätzten die Lernenden ihre Gründungsintention, ihre Fähigkeit zur Entdeckung und Umsetzung einer eigenen Geschäftsidee sowie die Umsetzbarkeit der Gründung eines eigenen Unternehmens nach dem Programm höher ein als davor. Weiter fanden sich bedeutsame Geschlechtseffekte. So profitierten beispielsweise weibliche Lernende besonders bezüglich ihrer Einschätzung hinsichtlich der Umsetzbarkeit einer eigenen Unternehmensgründung. Sie schätzten diese vor dem Programm signifikant tiefer ein als die männlichen Lernenden. Nach der Teilnahme am Programm war die Einschätzung der Umsetzbarkeit einer Gründung bei beiden Geschlechtern gestiegen, bei den Frauen fiel die Steigerung aber sehr viel höher aus, so dass danach keine signifikanten Unterschiede zwischen den Geschlechtern mehr festgestellt werden konnten.

Umsetzung des Programms – Herausforderungen

Grundsätzlich hat sich gezeigt, dass der Besuch der Weiterbildung eine wichtige Voraussetzung für die erfolgreiche Umsetzung von myidea ist. myidea ist ein Lehr- und Lernprogramm mit sorgfältig aufeinander abgestimmten Elementen und damit mehr als eine Ansammlung von Aufgaben. Die Lehrpersonen müssen den Kern und die Philosophie des Programms verstehen, um in den einzelnen Modulen und Sequenzen die Tiefenstrukturen des Unterrichts – also die nicht direkt beobachtbaren Lehr-Lernprozesse – gut beachten zu können. Entsprechend können Inhalte erweitert oder gekürzt werden, jedoch kann kein Modul einfach weggelassen werden in der Annahme, die übergeordneten Ziele des Programms könnten trotzdem vollumfänglich erreicht werden. Wer den Prozess selbst erfahren, Schwierigkeiten überwunden und aus Fehlern gelernt hat, kann die Lernenden mehr auf Augenhöhe begleiten. Viele Lehrpersonen berichteten uns, dass ihre Lernenden beeindruckt waren, als sie hörten, dass sie das Programm ebenfalls absolviert und eine eigene Geschäftsidee entwickelt hatten.

Auf der organisatorischen Ebene ist es hilfreich, im Team unterwegs zu sein und den Unterricht myidea – unter Einplanung von genügend Zeit – gemeinsam vor- und nachzubereiten. Wir bieten im Programm viele alternative Aktivitäten an und diskutieren in den Weiterbildungen auch, wie diese an die Bedürfnisse und Kompetenzen einzelner Klassen angepasst werden. Die Feinabstimmung muss jedoch vor Ort in der eigenen Planung geschehen. Für das Programm selbst sollten im absoluten Minimum acht Wochen à drei Lektionen zur Verfügung stehen, was bedeutet, dass der myidea-Block gut in die Jahresplanung integriert werden muss. Da das Programm viele Themen des ABU abdeckt, können diese anhand von myidea bearbeitet werden. In der Weiterbildung sowie den Unterlagen für Lehrpersonen wird aufgezeigt, welche Aspekte aus dem Rahmenlehrplan ABU und welche Themen aus dem Schullehrplan durch myidea abgedeckt werden.

Für die Lehrpersonen ist es wichtig, sich auf die Offenheit und Unwägbarkeiten einzulassen, die myidea mit sich bringt. Da die Lernenden eine eigene Geschäftsidee entwickeln und weder die Problemstellung noch die Lösung, geschweige denn der genaue Weg zur Lösung von Anfang an klar sind, gilt es, diese Unsicherheit auszuhalten. Die Lehrperson – als Begleiterin – muss auch nicht alles wissen und können. Vielmehr muss sie ihre Lernenden dabei unterstützen, sich fehlende Informationen oder Knowhow durch andere Quellen zu erschliessen, z.B. durch das Finden relevanter Ansprechpersonen, die bei einer fachlichen Herausforderung weiterhelfen können. Sie lässt sich zusammen mit den Lernenden auf einen Prozess ein, bei dem nicht alles schon geklärt ist und einfach abgearbeitet werden muss. Damit ist sie auch Motivatorin, Ressourcen-Eröffner und vieles mehr.

Die Lernenden müssen wie erwähnt die Komfortzone des gewohnten Unterrichts sowie des Schulzimmers verlassen und offen sein für sachliche und fachliche Rückmeldungen von ihnen bisher unbekannten Personen (z. B. Experten, potenzielle Kundinnen). Diese können sie auf mögliche Fehlannahmen, Schwachstellen usw. hinweisen. Fehler und Hindernisse werden gerade auch durch die Begleitung durch die Lehrperson als Lernchance umgedeutet, sodass die Lernenden eine zunehmende Flexibilität im «Durchdenken» und Ausprobieren ihrer Geschäftsidee entwickeln.

Verankerung von unternehmerischem Denken und Handeln in den Lehrplänen

Im Moment befindet sich der ABU-Rahmenlehrplan in Revision. Dabei wird auch diskutiert, ob und wie unternehmerisches Denken und Handeln als überfachliche Kompetenz aufgenommen werden kann.

Im Moment befindet sich der ABU-Rahmenlehrplan in Revision. Dabei wird auch diskutiert, ob und wie unternehmerisches Denken und Handeln (UDH) als überfachliche Kompetenz aufgenommen werden kann. Ist dies erfolgreich, so wird es ein wichtiges Signal für die Aufnahme der Kompetenz in die einzelnen Schullehrpläne sein. Seitens der Initiative UDH wollten wir jedoch nicht abwarten, sondern das Thema in die Berufsfachschulen bringen, sodass diese bereit sind, die Zukunftskompetenz «unternehmerisches Denken und Handeln» bei ihren Lernenden zu fördern. Das Schweizerische Zentrum für Unternehmerisches Denken und Handeln szUDH, welches in der Endphase des Pilotprojekts gegründet wurde, unterstützt Berufsfachschulen dabei, unabhängig vom Stand der Reform des ABU-Rahmenlehrplans das Thema unternehmerisches Denken und Handeln mit ihren Lehrpersonen zu implementieren. In den Berufsfachschulen des Kantons Solothurn und des Kantons Tessin, zwei der vier Pilotkantone, wurde UDH bereits in den Schullehrplänen verankert, in den anderen Pilotkantonen gibt es erste Ansätze dazu.

Inzwischen konnten weitere Berufsfachschulen in Kantonen ausserhalb der Pilotregionen gewonnen werden, welche UDH mit dem myidea-Programm umsetzen. Es ist wichtig, dass die Lehrpersonen und Lernenden positive Erfahrungen mit myidea, aber auch mit anderen Programmen oder Wettbewerben machen, welche die unternehmerischen Kompetenzen von Lernenden nachhaltig fördern bzw. den Lernenden die Möglichkeit geben, ihre Geschäftsideen zu präsentieren. Zu nennen sind hier beispielsweise der «YouthStart European Entrepreneurship Award» oder die «Entrepreneur Skills», die Berufsmeisterschaften in Entrepreneurship. So können die Schulleitungen und weitere lokale und kantonale Verantwortliche den Wert dieser Initiativen unmittelbar erfahren, was einen wichtigen Schritt in Richtung Verankerung im Schullehrplan darstellt.

So wird myidea weiterentwickelt – ein Ausblick

Derzeit werden mehrere Zukunftsprojekte vom szUDH umgesetzt, um das Lehr-/Lernprogram myidea weiterzuentwickeln. Ein erstes Projekt, das Projekt «UDH – Kritisches Denken fördern und Fake News erkennen», welches von der SRG SSR finanziert wird, befasst sich mit der Stärkung von kritischem Denken im Kontext von myidea. Dazu werden aktuell neue Lehr-Lernmaterialien entwickelt, die die Lernenden darin unterstützen, eine «gesunde» kritische Distanz zu ihrer eigene Geschäftsidee einzunehmen. Dies bedeutet u.a., dass sie das Problem, welches mit ihrer Geschäftsidee gelöst werden soll, genauer analysieren, Annahmen, die sie für ihr Geschäftsmodell treffen, angemessen verifizieren oder ihre Marketingmassnahmen so planen, dass keine irreführenden Informationen verbreitet werden.

Ein zweites Zukunftsprojekt, das Projekt «myidea professional», welches von der Gebert Rüf Stiftung gefördert wird, widmet sich der Verschränkung von allgemeinbildendem und berufskundlichem Unterricht bei der Umsetzung von myidea. An ersten Pilotschulen arbeiten ABU- und BKU-Lehrpersonen gemeinsam mit ihren Lernenden an der Entwicklung von Geschäftsideen, die teilweise bis zur Entwicklung eines Protoypen, einer Demoversion o.ä. reichen. Dabei sind die Lehrpersonen im Teamteaching unterwegs und bereiten ihre Arbeit in den Klassen gemeinsam vor und nach. Aktuell begleiten wir zwei Pilotschulen in der Deutschschweiz, das Berufsbildungszentrum Olten sowie die Berufsfachschule Uster. Im Rahmen des Projekts soll myidea zudem so weiterentwickelt werden, dass Digitalkompetenzen vermehrt gestärkt werden können.

Mit den beiden Zukunftsprojekten machen wir myidea fit für eine moderne und reflektierte Entrepreneurship Education. Mit dem fächerübergreifenden Unterricht sowie der zunehmenden Einbindung der Lehrbetriebe im Kontext von myidea professional sorgen wir mit dafür, dass Berufsfachschullernende unternehmerische Kompetenzen lernortübergreifend erwerben und ein ganzheitlicheres Verständnis für Entrepreneurship entwickeln können.

Zusammenfassung

Die Initiative «Unternehmerisches Denken und Handeln an Berufsfachschulen der Schweiz» bringt die Vermittlung unternehmerischer Kompetenzen in die Schweizer Berufsfachschulen. Kernkomponente ist das Lernprogramm myidea, in welchem Lernende im Team eine Geschäftsidee entwickeln und in einem mehrwöchigen Prozess verfeinern, um sie am Ende vor Publikum zu präsentieren. Die Lehrpersonen werden für die Programmdurchführung geschult und begleiten die Lernenden als Coaches. Die Evaluation des Pilotprojektes, welches von 2018 bis 2022 in vier Kantonen durchgeführt wurde (BE, SO, TI, VS) belegt positive Wirkungen bei den Lernenden. So zeigt sich, dass die Lernenden die Umsetzbarkeit der Gründung eines eigenen Unternehmens nach der Durchführung von myidea signifikant positiver einschätzten als vorher, wobei die weiblichen Lernenden den bedeutsamsten Zuwachs zeigten. Da myidea ein Programm mit sorgfältig aufeinander abgestimmten Komponenten ist, sollte es als Ganzes sowie von geschulten Lehrpersonen durchgeführt werden. Gerade die Auseinandersetzung mit Ungewissheit und nicht planbaren Herausforderungen sowie das Verlassen der Komfortzone von Klasse und Schule erfordern seitens der Lernenden u.a. Eigeninitiative und Durchhaltevermögen. Für die Lehrpersonen bedeutet dies, dass sie die Lernenden adaptiv und motivierend begleiten und ihnen helfen, Hindernisse und Schwierigkeiten als Lernchance zu begreifen. Aktuelle Zukunftsprojekte zur Stärkung des kritischen Denkens und der Digitalkompetenzen sowie zur Kooperation zwischen dem allgemeinbildenden und dem berufskundlichen Unterricht machen myidea fit für eine reflektierte und moderne Entrepreneurship Education. Die Verankerung der Initiative im Schweizerischen Zentrum für Unternehmerisches Denken und Handeln (szUDH) sorgt für ihre Nachhaltigkeit, u.a. auch bezüglich des lernortübergreifenden Kompetenzaufbaus im unternehmerischen Denken und Handeln – bei den Lernenden und bei den Lehrpersonen.

Referenzen

Zitiervorschlag

Gutzwiller-Helfenfinger, E., Müller, S., Berger, G., & Pfiffner, M. (2023). myidea entwickelt sich weiter. Transfer. Berufsbildung in Forschung und Praxis 8(13).

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