Berufsbildung in Forschung und Praxis
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Projekt «Comeback» der Berner Fachhochschule, Departement Gesundheit

Wie gelingt der Wiedereinstieg in den Pflegeberuf?

In der Pflege fehlt immer mehr Personal: Bis 2029 werden rund 15’900 zusätzliche Pflegefachpersonen der Tertiärstufe über alle Versorgungsbereiche benötigt. Frauen, die zur Familiengründung aus dem Beruf ausgestiegen sind, bilden einen wichtigen Fachkräftepool. Das Projekt «Comeback» hat die Bedingungen für einen gelingenden Wiedereinstieg untersucht. Dafür wurden zunächst 14 Wiedereinsteigerinnen mündlich und dann weitere 147 Wiedereinsteigerinnen und Wiedereinsteiger via Fragebogen befragt. Zentral für den Berufsverbleib nach dem Wiedereinstieg sind die Freude an der Zusammenarbeit mit den Patientinnen und Patienten und die Freude am Pflegeberuf. Schlechte Arbeitsbedingungen oder Missstimmung im Team gefährden den Verbleib.


Im Gesundheitswesen werden bis 2029 rund 15’900 zusätzliche Pflegefachpersonen der Tertiärstufe über alle Versorgungsbereiche hinweg benötigt.

Im Jahr 2021 waren 18% der Mütter beruflich inaktiv. Sie verbringen durchschnittlich fünf Jahre ausserhalb des Arbeitsmarktes, bevor sie wieder eine Beschäftigung aufnehmen (Der Bundesrat, 2023). Hier liegt viel Erwerbspotenzial brach, das man in Zeiten des Fachkräftemangels nutzen könnte.[1] Im Gesundheitswesen werden bis 2029 rund 15’900 zusätzliche Pflegefachpersonen der Tertiärstufe über alle Versorgungsbereiche hinweg benötigt (Merçay et al., 2021). Deshalb sind Massnahmen zentral, die den Berufsverbleib fördern oder den beruflichen Wiedereinstieg ermöglichen. Diesem Thema hat sich das Projekt «Comeback – Wiedereinstieg in den Pflegeberuf und Berufsverbleib von Pflegefachpersonen» gewidmet.

Das Projekt Comeback

Im Rahmen des Projekts «Comeback» hat die Berner Fachhochschule, Departement Gesundheit, zusammen mit dem Schweizer Berufsverband der Pflegefachfrauen und Pflegefachmänner (SBK, Sektion Bern) und unterstützt durch die Gesundheits-, Sozial- und Integrationsdirektion (GSI) des Kantons Bern untersucht, aus welchen Gründen Pflegefachpersonen aus dem Beruf aussteigen, warum sie nach einer Pause wieder einsteigen und was ihre Motivation ist, nach dem Wiedereinstieg im Beruf zu verbleiben.

In drei Gruppengesprächen mit insgesamt 14 Wiedereinsteigerinnen sind wir zunächst folgenden Fragen nachgegangen:

  • Wie erleben Pflegefachpersonen ihren beruflichen Wiedereinstieg nach einem kürzeren, aber auch längeren Unterbruch?
  • Was war für sie besonders hilfreich in dieser Zeit und können sie sich vorstellen, den Pflegeberuf erneut zu verlassen?

Alice und Lena – zwei Beispiele

Besonders die kurze Einarbeitungsphase, die Arbeitsverdichtung und das hohe Arbeitstempo, die medizinischen Fortschritte und die Digitalisierung in der Pflege waren Faktoren, die Alice den beruflichen Wiedereinstieg erschwert haben.

Alice ist 51 Jahre alt, verheiratet und Mutter von drei Töchtern. Sie hat vor ihrem 21-jährigen beruflichen Unterbruch als diplomierte Krankenschwester Allgemeine Krankenpflege (AKP)[2] in einem Akutspital zu 80 Prozent gearbeitet. Nun ist Alice seit sechs Jahren in einem Alters- und Pflegeheim zu 60 Prozent angestellt. Sie verfügt über insgesamt acht Jahre Berufserfahrung.

Alice sagt, dass es mehrere Gründe für ihren damaligen beruflichen Unterbruch gab. Geplant war, dass sie nach dem Mutterschaftsurlaub wieder am angestammten Arbeitsort arbeiten würde. Aber dann sei ihr Schwiegervater pflegebedürftig geworden und sie hat zusätzlich die Rolle als pflegende Angehörige übernommen. Da ihr damaliger Arbeitgeber es ihr weder ermöglichte, ihren Beschäftigungsgrad wie gewünscht auf 30 Prozent zu reduzieren noch die Dienstplanung an die Bedürfnisse der Familie anzupassen, entschied sie sich, ihre Tätigkeit als Pflegefachfrau zu unterbrechen.

Alice sagt, dass es damals schade gewesen sei, dass es in der Pflege generell nicht mehr niederprozentige Arbeitsstellen (20 bis 40 Prozent) gab; sie hätte sich diesbezüglich mehr Flexibilität von den Arbeitgebenden gewünscht. Was hätte den damaligen Unterbruch verhindern können? Für Alice ist klar: eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie.

Während des Unterbruchs hat sie ihre Tätigkeit als Pflegefachfrau oft vermisst. Dies, die abnehmende Familienarbeit durch die Schulpflicht der Kinder sowie vermehrte Teilzeitstellenangebote haben sie letztlich bewogen, wieder in den Pflegeberuf zurückzukehren. Auch habe sie den Wunsch gehabt, sich persönlich weiterzuentwickeln. Als ersten Schritt bei ihrem Wiedereinstieg hat sie den Kurs für Wiedereinsteigende besucht.[3] Sie hat ihn als hilfreich erlebt, um ihr Grundlagewissen zu repetieren und aufzufrischen. Allerdings hätte sie kein Kurs der Welt darauf vorbereiten können, wie sehr sich die Pflege in den 21 Jahren ihres beruflichen Unterbruchs verändert hat. Nach Abschluss des Kurses hat sich Alice in dem Alters- und Pflegeheim beworben, wo sie noch heute tätig ist. Direkt nach der Rückkehr in den Pflegeberuf hatte sie das Gefühl, von den vielen Veränderungen überrollt zu werden; sie beschreibt den Wiedereinstieg als eine happige Zeit. Besonders die kurze Einarbeitungsphase, die Arbeitsverdichtung und das hohe Arbeitstempo, die medizinischen Fortschritte und die Digitalisierung in der Pflege waren Faktoren, die Alice den beruflichen Wiedereinstieg erschwert haben. Als grosse Unterstützung hat sie ihre Arbeitskolleginnen und -kollegen erlebt. Durch das Pflegeteam hat sie bei der tägliche Arbeit Hilfe erfahren und die Möglichkeit erhalten, immer wieder Fragen zu stellen. Dies vermittelte ihr ein Gefühl von Sicherheit und die Wahrnehmung, durch das Team getragen zu werden. Alice sagt, dass es ungefähr ein Jahr gedauert hat, bis sie das Gefühl hatte, wieder im Pflegeberuf angekommen zu sein. Besonders die gute Zusammenarbeit im Pflegeteam, die interessante und abwechslungsreiche Arbeit und die Möglichkeit, Einfluss auf die Dienstplanung zu nehmen, motivieren Alice, am aktuellen Arbeitsplatz zu bleiben. Auch hat sie die Gelegenheit, interne und externe Weiterbildungen zu besuchen. Diese dienen ihr als Ressource zur Kompetenzerhaltung und -erweiterung. Und was könnte zu einem erneuten Berufsausstieg führen? Konflikte im Pflegeteam oder mit direkten Vorgesetzten, sagt Alice. Die gute Zusammenarbeit im Team sei für sie zentral.

Lena

Den damaligen Wiedereinstieg hat sie durchweg positiv erlebt, da sie viel Unterstützung durch ihren Arbeitgeber erfahren hat.

Lena ist 50 Jahre alt, geschieden, Mutter einer Tochter und eines Sohns, diplomierte Krankenschwester DN II[4] und seit ihrem beruflichen Wiedereinstieg vor zehn Jahren zu 90 Prozent in einem Akutspital tätig. Vor ihrem beruflichen Unterbruch war sie zu 40 Prozent in einem Spital angestellt. Die Dauer ihres Unterbruchs betrug elf Jahre, sie hat insgesamt 28 Jahre Berufserfahrung.

Lena erzählt, dass sie nach der Geburt ihrer Tochter wie geplant an ihren Arbeitsplatz im Spital zurückgekehrt sei und die nächsten zwei Jahre 40 Prozent gearbeitet hat. Dann wurde sie mit ihrem Sohn schwanger und sie entschied, ihre beiden Kinder nicht fremd zu platzieren. Deshalb ist sie nach der Geburt ihres Sohnes aus dem Pflegeberuf ausgestiegen. Lena betont, dass diese Entscheidung für sie vollumfänglich stimmig war. Und was hätte den damaligen beruflichen Unterbruch verhindern können? Eigentlich nichts, antwortet Lena. Für sie war es eine ganz bewusste Entscheidung, die nichts mit ihrem damaligen Arbeitsplatz zu tun hatte. Denn für Lena ist der Pflegeberuf ihr Traumberuf.

Dies hat denn auch massgeblich dazu beigetragen, dass Lena in den Beruf zurückgekehrt ist, als die beiden Kinder schulpflichtig wurden. Auch Lena hat als ersten Schritt des beruflichen Wiedereinstiegs den Kurs für Wiedereinsteigende besucht, den sie als unterstützend erlebt hat. Sie regt aber an, dass Themen wie Anatomie, Pathophysiologie und die Digitalisierung in der Pflege stärker thematisiert werden sollten. Nach Abschluss des Kurses hat sie sich in einem Spital beworben, wo sie noch heute arbeitet. Den damaligen Wiedereinstieg hat sie durchweg positiv erlebt, da sie viel Unterstützung durch ihren Arbeitgeber erfahren hat. Besonders die lange Einarbeitungszeit, die Wertschätzung und Unterstützung durch die Arbeitskolleginnen und -kollegen sowie die unmittelbaren Vorgesetzten haben dazu beigetragen, dass sie ihre Rückkehr in den Pflegeberuf in guter Erinnerung behalten hat. Lena hatte kurz nach ihrem Wiedereinstieg die Möglichkeit, eine berufliche Weiterbildung zu besuchen um so Wissenslücken zu schliessen. Dies hat entscheidend zu ihrem Verbleib am aktuellen Arbeitsplatz beigetragen. Auch motivieren Lena die gute Zusammenarbeit im Pflegeteam, die Freude an der Zusammenarbeit mit den Patientinnen und Patienten und die erfahrene Anerkennung und Wertschätzung, an ihrem Arbeitsplatz zu bleiben. Und was könnte zu einem erneuten Berufsausstieg führen? Lena antwortet, dass sie erneut aus dem Pflegeberuf aussteigen würde, wenn sie keine ausreichend hohe Pflegequalität mehr erbringen könnte. Das sei ihr wichtig.

Austritt, Rückkehr und Verbleib

Was waren die Gründe für andere Pflegefachpersonen aus dem Pflegeberuf auszusteigen, aus welchen Gründen sind sie wieder in den Pflegeberuf zurückgekehrt und was fördert ihren aktuellen Berufsverbleib? Diesen Fragen sind wir mittels einer Fragebogenerhebung nachgegangen. Es konnten 147 Fragebogen von Wiedereinsteigerinnen und Wiedereinsteigern ausgewertet werden, die den Kurs für Wiedereinsteigende des SBK im Kanton Bern oder den Kurs Wiedereinstieg in die Akutpflege der Lindenhofgruppe besucht hatten.

Die Wiedereinsteigerinnen und Wiedereinsteiger nannten die Gründe, welche zu ihrem letzten Unterbruch ihrer beruflichen Tätigkeit als Pflegefachperson geführt hatten. Die vier häufigsten Gründe sind:

  • die Tätigkeit als Familienfrau/Familienmann
  • fehlende Betreuungsmöglichkeiten für die Kinder
  • die Schichtarbeit mit der damit verbundenen, unzureichenden Einflussnahme auf die Gestaltung des Dienstplans
  • eine berufliche Neuorientierung

Ferner nannten die Befragten Gründe, die zu ihrem beruflichen Wiedereinstieg geführt hatten. Die sechs meistgenannten Gründe sind (in der Reihenfolge ihrer Gewichtung):

  • die Freude an der Zusammenarbeit mit den Patientinnen und Patienten
  • die Freude am Pflegeberuf
  • die Freude an der Zusammenarbeit im Pflegeteam
  • das Auffrischen der fachlichen Kenntnisse
  • die Identifikation mit dem Pflegeberuf
  • der Wunsch nach Veränderung

Nach Angaben der Wiedereinsteigerinnen und Wiedereinsteiger haben unterschiedliche Faktoren ihren letzten beruflichen Wiedereinstieg in die Pflege erschwert.

  • das Fachwissen, welches nicht mehr auf dem neusten Stand war
  • die Digitalisierung in der Pflege

Ergänzend dazu wurden zu wenig Einarbeitungszeit, die neuen Berufsrollen und Aufgabenverteilungen im Pflegeteam sowie zu wenige Teilzeitstellen angeführt.

Auch wurden die Teilnehmenden gebeten, die Gründe zu nennen, die sie motivieren, weiter an ihrem aktuellen Arbeitsplatz tätig zu sein. Die fünf häufigsten Gründe sind:

  • die Freude am Pflegeberuf
  • die abwechslungsreiche und interessante Tätigkeit
  • die gute Zusammenarbeit im Pflegeteam
  • die erlebte Anerkennung und Wertschätzung
  • die gute Vereinbarkeit von Beruf und Familie

Abschliessend wurden die Wiedereinsteigerinnen und Wiedereinsteiger nach ihren beruflichen Absichten gefragt – und ob sie sich vorstellen können, noch in fünf Jahren im Pflegeberuf tätig zu sein. Über die Hälfte der Befragten bejahte diese Frage.

Fazit

Die Ergebnisse der Gruppengespräche und der Fragebogenerhebung verdeutlichen, dass die gute Vereinbarkeit von Beruf und Familie ein Schlüssel ist, berufliche Unterbrüche von Pflegefachpersonen zu vermeiden.

Die Ergebnisse der Gruppengespräche und der Fragebogenerhebung verdeutlichen, dass die gute Vereinbarkeit von Beruf und Familie ein Schlüssel ist, berufliche Unterbrüche von Pflegefachpersonen zu vermeiden. Die Gründe, aus dem Beruf auszusteigen, haben nicht zwingend mit dem Arbeitgeber zu tun, stehen jedoch häufig im Zusammenhang mit den fehlenden Angeboten nach der Geburt eines Kindes, vorübergehend tiefprozentig zu arbeiten oder lebensphasenspezifische Arbeitszeitmodelle umzusetzen. Für eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie sind in einem Berufsfeld, das von Frauen dominiert wird, solche Möglichkeiten dringend umzusetzen.

Die Resultate zeigen zudem, dass Wiedereinsteigerinnen und Wiedereinsteiger stark intrinsisch motiviert sind. Sie haben Freude an der Zusammenarbeit mit den Patientinnen und Patienten sowie Freude am Pflegeberuf. Gerade diese Freude am Pflegeberuf ist es auch, die viele Pflegefachpersonen motiviert, nach ihrem Wiedereinstieg im Beruf zu bleiben. Für einen erfolgreichen Wiedereinstieg scheint neben dem Kurs für Wiedereinsteigende die kontinuierliche Begleitung und Unterstützung während der Einarbeitungsphase durch die unmittelbaren Vorgesetzten und die Mitglieder des Pflegeteams zentral zu sein. Ein Konzept, in dem geregelt ist, wie, durch wen und wie lange Wiedereinsteigerinnen und Wiedereinsteiger begleitet werden, vermittelt Klarheit und Sicherheit. Zudem helfen berufliche Weiterbildungen, Wissenslücken zu schliessen und Fachwissen aufzufrischen. Wichtig ist schliesslich, dass sich die unmittelbaren Vorgesetzen der lebensphasenspezifischen Anliegen und Bedürfnisse der Pflegefachpersonen bewusst sind.

Der Schlussbericht des Projekts ist hier zu finden.

[1] Gemäss Rudin et al. (2017) (Bericht Erwerbsunterbrüche vor der Geburt) arbeiten über alle Berufe hinweg 81% der befragten Frauen ein Jahr nach der Geburt ihres Kindes wieder, weitere 4% planen den Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt auf diesen Zeitpunkt. Für rund 15% der Frauen steht hingegen zum Zeitpunkt der Befragung nicht fest, ob und wann sie die Erwerbstätigkeit wieder aufnehmen wollen oder können.
[2] In der Schweiz gehören die Berufstitel Allgemeine Krankenpflege (AKP) und Gesundheits- und Krankenpflege (DN II) zu den altrechtlichen Ausbildungsabschlüssen in der Pflege. Heute wird die Ausbildung in Pflege auf Tertiärstufe an der höheren Fachschule (HF) (Abschluss: Dipl. Pflegefachmann/-frau HF) oder an der Fachhochschule (FH) (Abschluss: Bachelor of Science in Pflege) absolviert.
[3] Solche Kurse existieren in mehreren Kantonen. Im Kanton Bern ist er unter dieser Webseite zu finden.
[4] Siehe Fussnote 2.

Literatur

Zitiervorschlag

Lipp, I., & Hahn, S. (2024). Wie gelingt der Wiedereinstieg in den Pflegeberuf?. Transfer. Berufsbildung in Forschung und Praxis 9(11).

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