Berufsbildung in Forschung und Praxis
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Teacher Academies: So kommen Innovationen in der Berufsbildungspraxis an

Was Thomas Nüesch in Finnland lernte

Einer der zentralen Treiber des Wohlstands in der Schweiz ist die Innovationsfähigkeit von Wirtschaft und Gesellschaft. Aber Innovationen brauchen Inspirationen – Gelegenheiten, die eigenen Routinen kritisch zu prüfen und neue Modelle kennenzulernen. Das gilt auch für die Berufsbildung. Diesem Ziel dienen internationale Mobilitäten, wie sie zum Beispiel das Schweizer Movetia Projekt SwissCoVE «innoVET» ermöglicht. Sie eröffnet auch für Lehrpersonen Gelegenheiten, andere Schulen kennenzulernen. «innoVET» wird diesen Sommer abgeschlossen.


Thomas Nüesch ist selbständiger Architekt und unterrichtet im Rahmen einer 30-Prozent-Stelle Lernende im Beruf Zeichner/-in Fachrichtung Architektur EFZ. Sein Arbeitsort ist das Gewerbliche Berufs- und Weiterbildungszentrum St.Gallen (GBS).

«Teacher Academy» bringt Lehrpersonen näher

Lehrerinnen und Lehrer drücken die Schulbank: Innovationsbeispiele zum Thema «Nachhaltigkeit».

Im Mai 2023 weilte der Lehrer Nüesch in der finnischen Stadt Porvoo, die rund eine Stunde Busfahrt von Helsinki entfernt liegt. Er war Mitglied einer Delegation, die die dortige Berufsschule Careeria besuchte. Aus St.Gallen reisten zudem zwei ABU-Lehrerinnen mit. Sie nahmen an einem Austausch im Rahmen des Projekts SwissCoVE «innoVET» teil, das von Movetia getragen und von Daniel Kehl, Rektor des GBS St.Gallen geleitet wird. An diesem Projekt partizipieren aus der Schweiz zudem das Berufsbildungszentrum IDM Thun, die Wirtschaftsschule Thun und die  Ostschweizer Fachhochschule OST, aus Europa weitere 11 Partner aus acht Ländern. Fast alle waren in Porvoo mit dabei: Rund 35 Personen, die an einer «Teacher Academy» von innoVET teilnahmen.

Kernthema von innoVET bilden die Innovationskompetenz in der Berufsbildung und die Internationalisierung ihrer Institutionen. Im Fokus des auf drei Jahre angelegten Projekts stehen Themen wie die Entwicklung neuer Unterrichts- und Ausbildungskonzepte, die Nutzung von Blended Learning, die Etablierung von Industrie 4.0 Skills, die Zusammenarbeit von Stakeholdern aus Wirtschaft und Bildung oder die Etablierung von interdisziplinären Projekträumen. Diese Themen werden in einer Reihe von Aktivitäten konkretisiert. Dazu zählen Forschungen, Disseminationsveranstaltungen und transnationale Projekttreffen.

«Häufig entstehen Projekte im Management einer Schule, aber sie durchdringen nicht das ganze System. Dem wirken die Teacher Academies entgegen», sagt Daniel Kehl.

In diese Aktivitäten fügt sich auch die Teacher Academy ein, an der Thomas Nüesch teilnahm. Diese Academies decken den Anspruch ab, erarbeitetes Wissen auf die Lehrpersonen und Studierenden aller Projektpartner zu transferieren. «Häufig entstehen Projekte im Management einer Schule, aber sie durchdringen nicht das ganze System. Dem wirken die Teacher Academies entgegen», sagt Daniel Kehl. Im Rahmen von innoVET finden insgesamt sechs solche Academies statt, die jeweils drei Tage dauern (ohne Vorprojekt); jeder Projektpartner kann jeweils drei Teilnehmende entsenden.

Best Practices aus verschiedenen Ländern

Thomas Nüesch erinnert sich gerne an die Tage in Finnland. Thema des Treffens bildete «Nachhaltigkeit», zu dem jeder Projektpartner ein Innovations-Beispiel präsentierte. Die St.Galler Delegation schilderte die Aktivitäten des Startups «Urstamm», das sich, von einem ehemaligen Absolventen der Schule gegründet, der Zertifizierung von einheimischem Holz widmet. Vor Kurzem begann das Unternehmen, Herkunft und Schlag-Zeitpunkt von Konstruktionsholz zu dokumentieren. Eine Delegation aus Dänemark schilderte die Produktion von kleinen Gartenhäusern aus Massivholz, Lehm und nachhaltigem Dämmmaterial, die IDM Thun präsentierte ein Ausbildungsprojekt unter dem Titel «virtual reality education», oder ein Team aus dem Baskenland präsentierte ein Schulprojekt im Bereich der Photovoltaik.

Mit dem ROC Horizon College in Holland plant St.Gallen nun individuelle Mobilitätsaktivtäten für Lernende, dreiwöchige Aufenthalte hüben und drüben.

Neben diesen Präsentationen haben Thomas Nüesch die Begegnungen mit Lehrpersonen aus anderen Ländern beeindruckt. «Man lernt in sehr kurzer Zeit viele neue Menschen und Projekte kennen», blickt er zurück. Ein konkretes Erlebnis bildet der Kontakt mit Vertretern des ROC Horizon College in Holland. Mit dieser Schule plant St.Gallen nun individuelle Mobilitätsaktivtäten für Lernende, dreiwöchige Aufenthalte hüben und drüben. Die positiven Effekte solcher Mobilitäten sind gross, wie Forschungen zeigen.zeigen.[1] Aber auch das finnische Bildungssystem hat Nüesch beeindruckt, besonders die grössere Selbstverständlichkeit, dass man sich weiterbildet: «Diese Schulen sind besser verankert; die Schwelle für Erwachsene, sie zu besuchen, ist geringer. Die Klassen sind darum sehr heterogen zusammengesetzt.» Erwachsene haben oft persönliche Lerncoaches und erhalten Spesen erstattet.

Die Teacher Academies bieten für Lehrpersonen eine Gelegenheit, sich über die Grenzen ihrer Schule hinweg auszutauschen. «Bis jetzt haben zwölf Personen aus unserer Schule und im Rahmen von innVET über 120 Personen an einem Austausch teilgenommen», sagt Daniel Kehl. Er möchte diese Zahl noch steigern. Denn die Begegnungen tragen dazu bei, dass Themen wie die Nutzung von Drohnen, Entwicklungen im Tourismus, IT in der Pflege und viele mehr in die Schule kommen.

Das Projekt innoVET wird im Frühling 2024 abgeschlossen. Vom 18. bis 20. März 2024 findet am GBS St.Gallen eine letzte Teacher Academy statt, bevor dann vom 13. bis 15. Mai 2024 in Thun die Schlussveranstaltung, der 6. innoVET-Summit 2024 stattfindet.

[1] Vgl. Stefan Kammhuber, Leiter des ikik-Instituts für Kommunikation und Interkulturelle Kompetenz an der «OST-Ostschweizerische Fachhochschule» in einem Beitrag von Transfer.

Das Projekt «innoVET»: Kontakte in ganz Europa

Das aktuelle Erasmus-Programm 2021-2027 finanziert mit einem Budget von 400 Millionen Euro rund 100 Zentren der beruflichen Exzellenz (Centres of Vocational Excellence, CoVe). Das Schweizer Projekt «InnoVET» ist eines davon – allerdings direkt durch das SBFI finanziert. Die Zentren bilden Kompetenz-Ökosysteme für Innovation, regionale Entwicklung und soziale Inklusion; die Teilnehmenden verbinden sich zu internationale Kooperationsnetzen. Die Themen sind vielfältig: Automobile (Auto-Cove 2.0 – Greening Europe with support of clean-tech-vehicle education), Stadtbegrünung (EPLUG – European Platform for Urban Greening) oder KI in der Berufsbildung (AI4VET4AI – AI-powered Next Generation of VET). Listen der Projekte finden sich hier (siehe «Factsheet»).

Thema des Schweizer CoVE «InnoVET» bilden die Innovationskompetenz in der Berufsbildung und die Internationalisierung der Institutionen. Das Projekt wird von Movetia getragen und vom Gewerblichen Berufs- und Weiterbildungszentrum St.Gallen (GBS) koordiniert. Das Projekt endet im Sommer 2024.

Zitiervorschlag

Fleischmann, D. (2024). Was Thomas Nüesch in Finnland lernte. Transfer. Berufsbildung in Forschung und Praxis 9(4).

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