Berufsbildung in Forschung und Praxis
Herausgeberin SGAB Logo

Interview mit Prof. Dr. Jürg Schweri zur jüngsten Kosten-Nutzen-Studie der EHB

Die Ausbildung von Lernenden lohnt sich für die Betriebe

Lernende auszubilden macht für die Betriebe finanziell betrachtet Sinn – in den meisten Fällen jedenfalls. Dank der produktiven Leistung der Lernenden erzielen sie einen Netto-Nutzen von 4500 Franken pro Jahr. Dies zeigt eine neue Studie der Eidgenössischen Hochschule für Berufsbildung EHB. Trotzdem bieten viele Betriebe keine Lehrstellen an. Warum?


Jürg Schweri, Co-Autor der Studie «Lohnt sich die Ausbildung von Lernenden?»: «Es macht Sinn, die Lernenden produktiv einzusetzen und ihnen Arbeiten anzuvertrauen, die sonst von Fachkräften ausgeführt werden.» 

Jürg Schweri, lohnt es sich für die Betriebe, Lernende auszubilden?

Ja. Über alle Berufe hinweg betrachtet resultiert für die Betriebe ein Nettonutzen von 4‘500 Franken pro Lehrjahr und Lehrverhältnis. Dieses Bild variiert je nach Beruf; so sind 29 Prozent der Lehrverhältnisse nicht direkt rentabel. Beim Polymechaniker zum Beispiel; während der vier Lehrjahre nehmen die Unternehmen im Schnitt 17‘000 Franken an Nettokosten in Kauf.

Warum wird hier dennoch ausgebildet?

Unter anderem weil die Firmen die Rekrutierungs- und Einarbeitungskosten einsparen, wenn sie die Lernenden weiterbeschäftigen, wie es bei rund der Hälfte der Fall ist. Diese Kosten für externe Rekrutierungen belaufen sich in kleinen Betrieben (<10 Mitarbeitende) auf 14’130, in grossen (>99 Mitarbeitende) 22’130 Franken. Das sind Durchschnittswerte für alle Berufe; in Berufen wie Polymechaniker liegen sie noch einmal 10’000 Franken höher. So resultiert auch hier schon ein Jahr nach Lehrabschluss ein Gewinn. Zudem gibt es nicht-monetäre Gründe, auszubilden. Dies zeigten wir in einer anderen Studie und bestätigt sich jetzt. Wir fragten die Firmen, warum sie Lehrstellen anbieten. Die am häufigsten gewählte Antwort: «Weil das eine Gemeinschaftsaufgabe der Wirtschaft und somit eine Leistung für die Gesellschaft ist».

Sie haben Kosten und Nutzen der Lehre zuletzt vor sechs Jahren erhoben. Gibt es interessante Veränderungen?

Zudem sehen die Firmen die Ausbildung von Lernenden noch stärker als früher als Möglichkeit, Fachkräfte zu qualifizieren, die langfristig im Betrieb eingesetzt werden sollen.

Die Zahlen sind weitgehend gleichgeblieben; das belegt, dass die Auskünfte der Betriebe, die Aufwände und Erträge schätzen müssen, sehr zuverlässig sind. Auffällig ist, dass sich der Nettonutzen in der vierjährigen Lehre gegenüber der Vorgängerstudie auf rund 4‘400 Franken pro Lehrjahr verdoppelt hat. Gründe sind tiefere Material- und Anlagekosten und höhere produktive Leistungen. Zudem sehen die Firmen die Ausbildung von Lernenden noch stärker als früher als Möglichkeit, Fachkräfte zu qualifizieren, die langfristig im Betrieb eingesetzt werden sollen.

Welche Lehre ist am rentabelsten?

Spitzenreiterin ist die vierjährige Lehre zur Elektroinstallateurin. Diese Lernenden können schon sehr früh auf Baustellen produktiv mitarbeiten. Das gilt auch für viele andere bauhandwerkliche Berufe – mit Ausnahme der Maurer-Lernenden, die vergleichsweise hohe Löhne erhalten. Viele Baufirmen geben ihren Nettonutzen aber über günstige Offerten teilweise an die Kunden weiter.

Ist es positiv, dass Betriebe mit der Ausbildung von Lernenden Gewinne erzielen? Beeinträchtigt das nicht die Ausbildungsqualität?

In den letzten zwanzig Jahren hat sich die Arbeit durch den technologischen und gesellschaftlichen Wandel stark verändert. Dass die Betriebe trotzdem weiter in der Lage sind, eine gleichbleibend hohe Zahl von jungen Leuten auszubilden, finde ich sehr beachtlich. Es macht Sinn, die Lernenden produktiv einzusetzen und ihnen Arbeiten anzuvertrauen, die sonst von Fachkräften ausgeführt werden. Allerdings steht die Berufsbildung in Konkurrenz zu den allgemeinbildenden Schulen, namentlich den Fachmittelschulen. Sie muss darauf reagieren und vor allem die Ausbildungsqualität weiter steigern, um attraktiv zu bleiben. Der finanzielle Spielraum dafür ist da.

Der Gewerkschaftsbund hat eine Petition für acht Wochen Ferien für Lernende eingereicht – drei mehr als heute. Gefährdet das die Kosten-Nutzen-Balance?

Drei zusätzliche Ferienwochen würde zu einem Ausfall von etwa 3500 Franken jährlich führen – das ist weniger als der erwähnte Nettonutzen. Aber das sind Durchschnittswerte.

Drei zusätzliche Ferienwochen würde zu einem Ausfall von etwa 3500 Franken jährlich führen – das ist weniger als der erwähnte Nettonutzen. Aber das sind Durchschnittswerte, die in jedem Beruf und jedem Betrieb variieren. Darum sehe ich eine generelle Vorschrift kritisch. Die Betriebe sollen idealerweise selber entscheiden, wie sie die berufliche Grundbildung attraktiver machen können. Meine erste Antwort wäre: Investiert in die Ausbildungsqualität! Wie das geht, haben wir ebenfalls erforscht: Indem man den Lernenden zuhört, ihnen die Möglichkeit gibt, eigene Lösungen zu finden, ihnen vielfältige Aufgaben gibt und einiges mehr.

Tatsächlich ist das nicht in allen Betrieben der Fall, wie Ihre Studie auch zeigt.

Wir haben die Betriebe gebeten, gebeten, acht Qualitätsaspekte ihrer Ausbildungsprozesse selbst einzuschätzen. Mehr als drei Viertel der Lehrbetriebe bieten demzufolge eine befriedigende bis sehr gute Ausbildungsqualität an. Bei den anderen gibt es Luft nach oben; vereinzelt wird noch relativ autoritär ausgebildet.

Viele Betriebe lassen es nicht zu, dass die Lernenden die Berufsmaturität (BM) absolvieren. Gibt es dafür ökonomische Gründe?

Der Nettonutzen für die Betriebe reduziert sich durch die lehrbegleitende BM um rund 3000 Franken im Jahr, er bleibt im Durschnitt aber positiv.

Der Nettonutzen für die Betriebe reduziert sich durch die lehrbegleitende BM um rund 3000 Franken im Jahr, er bleibt im Durschnitt aber positiv. Zudem gewinnen Betriebe mit BM-Lernenden besonders motivierte und fähige Mitarbeitende. Das ist im Hinblick auf die Fachkräftegewinnung wichtig.

80 Prozent der ausbildungsfähigen Betriebe bilden keine Lernenden aus. Warum?

Dafür gibt es diverse Gründe. Viele antworten, dass ihnen die Zeit dafür fehlt, dass sie die Lernenden nicht produktiv einsetzen können, dass sie ihre Fachkräfte auf anderem Weg rekrutieren, dass sie zu spezialisiert sind, um Lernende auszubilden. Zugleich geben 14 Prozent dieser Betriebe an, dass sie früher bereits einmal ausgebildet haben, und zehn Prozent, dass sie dies planen.

Die Studie

Die Studie «Lohnt sich die Ausbildung von Lernenden? Kosten, Nutzen und Ausbildungsqualität aus Sicht der Betriebe 2025» wurde von der Eidgenössischen Hochschule für Berufsbildung EHB im Auftrag des Staatssekretariats für Bildung, Forschung und Innovation (SBFI) durchgeführt. Sie ist die fünfte Studie dieser Art und bezieht sich auf das Ausbildungsjahr 2022/23. Es wurden 6686 zufällig ausgewählte Ausbildungsbetriebe und 3655 Nichtausbildungsbetriebe online befragt (Rücklaufquote 39% rsp. 31%). Der Bericht, die detaillierten Auswertungen zu den häufigsten Lehrberufen sowie die Rohdaten der Studie sind online zugänglich. Zudem erschien in «Die Volkswirtschaft» ein zusammenfassender Beitrag.

Das vorliegende Interview erscheint auch in «Alpha» des Tages-Anzeigers.

Zitiervorschlag

Fleischmann, D. (2025). Die Ausbildung von Lernenden lohnt sich für die Betriebe. Transfer. Berufsbildung in Forschung und Praxis 10 (14).

Das vorliegende Werk ist urheberrechtlich geschützt. Erlaubt ist jegliche Nutzung ausser die kommerzielle Nutzung. Die Weitergabe unter der gleichen Lizenz ist möglich; sie erfordert die Nennung des Urhebers.