Berufsbildung in Forschung und Praxis
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BeLearn – das neue Kompetenzzentrum für Digitalisierung in der Bildung

Auf dem Weg in die Zukunft der Bildung

Die Digitalisierung birgt Chancen und Risiken für die Bildung. Der Kanton Bern hat 2021 zusammen mit einer Reihe von Hochschulen und privaten Trägern das ambitionierte Projekt BeLearn gestartet. Es versteht sich als Brückenschlag zwischen Forschung und Praxis: BeLearn ist eine Drehscheibe für die Entwicklung und Erprobung von Modellversuchen, die Durchführung von Forschungen, die Vernetzung von Start-ups und viele Dinge mehr. Mit im Boot ist auch die Berufsbildung – zum Beispiel über das Praxisprojekt «dip», das dem Austausch von Unterrichtsinnovationen dient. 


BeLearn und seine Entstehung

Bei BeLearn stehen die Themengebiete Digital Skills, Digital Tools und Data Science for Education im Fokus. Die derzeit rund 40 Projekte und die Start-ups befassen sich jeweils mit mindestens einem dieser Schwerpunkte.

Bildung soll die Eigenständigkeit und Teilhabe der Menschen über alle Altersstufen hinweg fördern; sie muss allen auch die Fähigkeit vermitteln, den Chancen und Herausforderungen des digitalen Wandels zu begegnen und dessen Potenzial zu nutzen.

Vor diesem Hintergrund hat der Kanton Bern zusammen mit seinen Hochschulen (Berner Fachhochschule, Universität Bern, Pädagogische Hochschule Bern), der Eidgenössischen Technischen Hochschule Lausanne (EPFL) und der Eidge­nössischen Hochschule für Berufsbildung (EHB) BeLearn initiiert. Somit werden kantonale und eidgenössische Hochschulen und alle drei Hochschultypen thematisch und auf nationaler Ebene über alle Sprachregionen hinweg vernetzt.

BeLearn ist ein Kompetenzzentrum für die Digitalisierung in der Bildung mit dem Ziel, den Menschen das Erlangen und Erhalten der digitalen Souveränität zu ermöglichen. Dies geschieht über Forschung und Translation: Forschende der Gründerhochschulen und der assoziierten Partner (Fernfachhochschule FFHS, Institut für Bildungswissenschaft der Universität Basel) arbeiten gemeinsam mit EdTech-Start-ups, dem Swiss EdTech Collider (ebenfalls assoziierter Partner und Anbieter und Vernetzer für Start-ups im Bereich EdTech) und der Geschäftsstelle von BeLearn unter einem Dach im BeLearn Hub im Zentrum von Bern. Sie forschen, vernetzen sich, erarbeiten Lösungen für die Praxis und nehmen die Themen der Praxis für weitere Projekte auf.

Struktur und Finanzierung von BeLearn

BeLearn ist als Verein organisiert. Die operative Leitung des Hubs und von BeLearn liegt bei der Geschäftsstelle; der Vorstand, der aus Vertretungen der fünf Gründerhochschulen zusammengesetzt ist, kümmert sich um die strategische Leitung. Zudem gehören der Beirat, bestehend aus Persönlichkeiten aus Bildung, Wirtschaft und Politik sowie die beiden Impulsgruppen, welche aus Vertretungen der verschie­denen Bildungsstufen und der Wirtschaft zusammengesetzt sind, zur Struktur BeLearn. Nebst dem Vorstandsmitglied ernennt jede Gründerhochschule eine operative Kontaktperson für die Gruppe «les locomotives»; diese stossen die Projekte hochschulintern an, koordinieren die internen Calls und arbeiten an der Weiterentwicklung von BeLearn mit. Im Zentrum der Struktur stehen die Forscher und die Start-ups als Umsetzerinnen der jeweiligen Projekte und Produkte.

BeLearn wurde 2021 von fünf Hochschulen gegründet; sie haben den Aufbau von BeLearn finanziert. Seit dem Beginn der Umsetzung 2022 finanziert der Kanton Bern den Hochschulen Beiträge für Forschungs- und Praxisprojekte, welche die Hochschulen und die Geschäftsstelle in BeLearn umsetzen. Mit dieser Finanzierung von jährlich drei Millionen Franken darf bis Ende 2028 gerechnet werden. Die Hebelwirkung von BeLearn wird unter anderem mit Einwerben von Drittmitteln durch die Forschenden und die Geschäftsstelle nahezu im Umfang des Kantonsbeitrags erreicht. Als nationales Netzwerk strebt BeLearn ab 2028 eine Public- und Private-Finanzierung über die Kantonsgrenzen hinaus an.

Projekte in BeLearn

Bei BeLearn stehen die Themengebiete Digital Skills, Digital Tools und Data Science for Education im Fokus. Die derzeit rund 40 Projekte und die Start-ups befassen sich jeweils mit mindestens einem dieser Schwerpunkte. Die Vielfalt der Forschungsprojekte ist gross: Die Resilienz von Lehrpersonen, die Förderung von Computational Thinking von Schülerinnen und Schülern aus Zyklus 2 durch Roboter oder die verbesserte Zusammenarbeit von Pflegefachpersonal und Ärztinnen und Ärzten in der Medizin sind nur eine Auswahl der Forschungsgegenstände.

Die Projekte verbindet nicht nur ihr Fokus auf die drei BeLearn-Themenbereiche und ihre meist hochschulübergreifende Umsetzung, sondern auch die Translation von der Forschung in die Praxis. Projekte werden nur finanziert, wenn diese von Beginn weg mitgedacht, geplant und rapportiert wird. Genauso wichtig ist umgekehrt die Einbindung von Anliegen aus der Praxis in die Forschung. Im Austausch mit Mitgliedern aus verschiedenen Impulsgruppen von BeLearn werden deshalb Herausforderungen aus der Praxis eruiert und an die Forscherinnen weitergegeben. Ähnlich nimmt BeLearn konkrete Fragen auch in einer Sammlung von möglichen Bachelor- oder Masterarbeitsthemen auf, welche in regelmässigen Abständen mit den Hochschulen geteilt wird.

Nebst den Forschungsprojekten setzt BeLearn auch Praxisprojekte um. Diese werden von der Geschäftsstelle akquiriert und ausgeführt, so zum Beispiel ein Projekt auf der Sekundarstufe II, das weiter unten in diesem Beitrag beschrieben wird oder ein Projekt auf Tertiärstufe, dessen Ziel die Umsetzung einer Graduate School an der Universität Bern in den Themenbereichen von BeLearn ist.

Der Hub und das Ökosystem

Durch die hochschulübergreifende Zusammenarbeit zwischen Forschenden, den Start-ups und der Geschäftsstelle im Hub in Bern ist ein thematisches Ökosystem entstanden, das sich stetig vergrössert. Auch Stakeholder aus Bildung und Wirtschaft führen vor Ort im Hub Workshops und Meetings zu Themen rund um Digitalisierung und Bildung durch, auch um sich weiter zu vernetzen und mit Forschern, Start-ups und der Geschäftsstelle Synergien ausfindig zu machen.

Wichtiger Bestandteil des Ökosystems ist der Austausch mit der Bildungspraxis. Dieser wurde im Rahmen von diversen Veranstaltungen im BeLearn Hub institutionalisiert und angekurbelt. Zweimal monatlich findet der «My Project Lunch» statt, bei dem Forschungsteams oder Start-ups die Möglichkeit haben, ihre Projekte oder Unternehmen vorzustellen und von den Teilnehmenden Rückmeldungen zum Projektdesign oder Antworten auf offene Fragen zu erhalten.

Mit den «Edupreneur Talks» bietet BeLearn spezifisch den Start-ups eine Plattform. Diese geben Einblicke hinter die Kulissen ihres Unternehmens und in die erste Phase des Aufbaus. So können die Teilnehmenden sowohl von den Stolpersteinen wie auch von den Erfolgserlebnissen der Start-ups erfahren. Schliesslich finden ein- bis zweimal im Jahr «Visits» statt, bei denen ein Unternehmen oder eine Institution aus dem Bereich Digitalisierung und Bildung BeLearn besucht. Nebst diesen von der Geschäftsstelle initiierten Anlässen finden im Hub mehrmals pro Monat Anlässe der Hochschulen in BeLearn-Themenbereichen sowie Anlässe der Start-ups und des EdTech Colliders statt, zu denen die Forscherinnen, Start-ups und die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der Geschäftsstelle miteingeladen werden.

Durch alle diese Anlässe wird eine Feedback-Kultur gefördert, in der Forscherinnen, Start-ups und Fachpersonen aus der Praxis miteinander in den Dialog treten.

Zwei Projekte auf Sekundarstufe II

Die Plattform «dip» dient dem niederschwelligen, möglichst unkomplizierten Austausch von Innovationen, d.h. neuen, digitalen Lösungen im Unterricht.

Das Praxisprojekt «dip» (für digital – innovativ – pädagogisch) setzt BeLearn im Auftrag des Mittelschul- und Berufsbildungsamts des Kantons Bern um. Seit Beginn des Projekts im August 2021 hat das Team von «dip» eine kantonale Austauschplattform für Sek II-Lehrpersonen der Mittel- und Berufsfachschulen des Kantons Bern aufgebaut, welche heute von gut 20% der Lehrpersonen dieser Stufe genutzt wird. Die Plattform dient dem niederschwelligen, möglichst unkomplizierten Austausch von Innovationen, d.h. neuen, digitalen Lösungen im Unterricht. Mittlerweile wurden von den Lehrpersonen auf der «dip-App» rund 110 Unterrichts-Innovationen zusammengetragen. Zudem verfügt die App über eine Sammlung, in der Informationen und Tools zum Gebrauch von KI im Unterricht geteilt werden.

Die Innoscouts, die an den teilnehmenden Schulen aus einem Kollegium ausgewählt wurden, fungieren als Bindeglied zwischen Projektteam und Lehrpersonen; sie organisieren und koordinieren an ihren Schulen das Innovationsmanagement. Ganz im Sinne der Translation wird durch «dip» eine Brücke zwischen der Forschung und der Praxis aufgebaut: Lehrpersonen profitieren von den Forschungsergebnissen der Gründerhochschulen von BeLearn, und umgekehrt werden die Fragen aus der Praxis aufgenommen und, wo sinnvoll und möglich, in neue Forschungsprojekte integriert. Die «dip-App» ist für alle Sek II-Lehrpersonen im Kanton Bern kostenlos zugänglich.

Ein weiteres Projekt auf der Sek II-Stufe ist das Forschungsprojekt «BeLearn VR» der EHB, geleitet von Prof. Dr. Alberto Cattaneo. In mehreren Teil-Projekten untersuchen die Forscher die Verwendung von Virtual Reality (VR) in der Berufsbildung sowohl in immersiven wie auch nicht-immersiven Szenarien. Die fünf Projekte haben unterschiedliche Schwerpunkte: Allgemeinbildender Unterricht, Kreativität für lernende Zeichnerinnen Architektur, Stressbewältigung für angehende Rettungssanitäter sowie Warenstrom für Köchinnen respektive Logistiker. Die Projekte integrieren jeweils 360°-Fotografien oder 360°-Videos oder VR-Technologien, welche die Lernerfahrung erweitern sollen. So verwenden die Forscherinnen des Projekts Kreativität für Zeichner und Zeichnerinnen das VR-Tool «GardenVR», mit dem die Lernenden einen Garten in einer virtuellen Umgebung designen können. Hier untersucht das Team der EHB die Rolle von Immersion auf die Motivation, Kreativität und Entwurfsergebnisse der Lernenden. Die Methoden der fünf Studien variieren je nach Projekt und Forschungsfrage. Neben partizipativen und Mixed Methods-Designs werden z.B. in der Studie Stressbewältigung für angehende Rettungssanitäterinnen und Rettungssanitäter auch physiologische Veränderungen während der Untersuchung erfasst. Ziel des Projekts «BeLearn VR» der EHB ist es, das Potenzial und die Auswirkungen von immersiver VR in Lernprozessen zu untersuchen.

Zusammenfassung und Blick in die Zukunft

Seit der Kanton Bern mit diversen Hochschulen das Kompetenzzentrum BeLearn initiiert hat, ist im Zentrum von Bern ein lebhaftes Ökosystem rund um das Thema Digitalisierung in der Bildung entstanden. Forschende, Start-ups, Personen aus der Praxis und die Geschäftsstelle treten miteinander in den Dialog, um die Herausforderungen einer digitalen Welt zu verstehen und Lösungen für die Bildung auf allen Stufen zu finden. Der Bezug des neuen Hubs im Zentrum von Bern hat zudem viele weitere Möglichkeiten eröffnet: Durch seine zentrale Lage ist er gut geeignet für Veranstaltungen und den Austausch zwischen den Beteiligten und weiteren Stakeholdern. Dieses Angebot wird in Zukunft ausgebaut und die Anlässe werden auch für Personen ausserhalb der BeLearn-Community geöffnet.

Seit der Umsetzung von BeLearn konnten über 40 Projekte gestartet und deren Translation geplant und teilweise umgesetzt werden. Die Möglichkeiten sind noch längst nicht ausgeschöpft. So sollen Kooperationen mit weiteren Hochschulen und Kantonen zu einem Netzwerk beitragen, das die Stärken der einzelnen Beteiligten und die Synergien für das Ziel nutzt: die Menschen auf eine zunehmend digitalisierte Welt vorzubereiten und ihnen zu ermöglichen, die eigene digitale Souveränität zu erlangen und zu erhalten.

Website BeLearn

Literatur

Zitiervorschlag

Müller, K., & Liechti, N. (2023). Auf dem Weg in die Zukunft der Bildung. Transfer. Berufsbildung in Forschung und Praxis 8(11).

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