Berufsbildung in Forschung und Praxis
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Vortrag im Rahmen der Verbundpartnertagung 2024

Erwachsene ohne Berufsabschluss als Zielgruppe für die erwerbsbezogene Weiterbildung

In der Schweiz verfügen rund 12 Prozent der erwerbstätigen Bevölkerung im Alter zwischen 25 und 65 Jahren nicht über einen nachobligatorischen Bildungsabschluss. Diese Personen könnten u.a. als Zielgruppe in den Blick genommen werden, wenn es um die Gewinnung von Fachkräften für den Arbeitsmarkt geht. Bildungsangebote, mit denen Erwachsene einen beruflichen Abschluss absolvieren können, müssen zielgruppengerecht sein. Denn Erwachsene befinden sich in spezifischen Lebenssituationen und haben Voraussetzungen, die mit einem standardisierten Regelangebot häufig nicht getroffen werden. Was sind zielgruppengerechte Angebote, welche Bedürfnisse haben erwachsende Lernende?


Als Forscherin bewege ich mich im Schnittfeld von beruflicher Bildung und anderen Formen erwerbsbezogener Bildung, zum Beispiel dem arbeitsplatzbezogenen Lernen, sowie der Erwachsenenbildung. Ich freue mich, dass ich an der diesjährigen Verbundpartnertagung die Perspektive der Erwachsenen ohne Berufsabschluss als Zielgruppe für die Gewinnung von Fachkräften aufzeigen darf.

Mein Vortrag ist in vier Teile gegliedert.

  1. Ich spreche zunächst über die gesellschaftliche Funktion beruflicher Bildung.
  2. Dann gehe ich auf die Zielgruppe der Erwachsenen ein.
  3. Im Hauptteil vertiefe ich die Voraussetzungen für die Teilnahme Erwachsener an erwerbsbezogener Bildung.
  4. Ich schliesse mit einigen Ideen zur Ansprache der Zielgruppe «Erwachsene ohne Berufsabschluss».

1. Die gesellschaftliche Funktion beruflicher Bildung

Junge Menschen profitieren von einem «Bildungsmoratorium»: Sie sind frei von vielen Verpflichtungen etwa zur Sicherung ihres Lebensunterhalts.

Berufsbildung hat – neben anderen Funktionen – eine wichtige Aufgabe für die Unternehmen und den Arbeitsmarkt. Das prägte auch ihre bisherige Entwicklung: Die duale Berufsbildung war immer ein Weg, um junge Menschen eine Integration in die Gesellschaft und den Arbeitsmarkt zu ermöglichen. Mit ihren Angeboten richtete sie sich deshalb stets an Jugendliche und junge Erwachsene. Und auch wenn die Lebensläufe von heute flexibler sind als früher, so absolvieren die meisten ihren beruflichen Abschluss noch immer in jungen Jahren und weniger häufig als Erwachsene. Der Berufsabschluss für Erwachsene bildet deshalb ein spezielles Angebot mit einer spezifischen Zielgruppe.

Die Grafik 1 zur Anzahl der Berufsabschlüsse illustriert das. Sie zeigt die drei Altersgruppen junges Erwachsenenalter, mittleres Erwachsenenalter und 40 plus. Wir sehen, dass die Zahlen mit steigendem Alter abnehmen, wenn der Weg über eine reguläre oder eine verkürzten berufliche Grundbildung führt. Umgekehrt verhält es sich bei der direkten Zulassung zur Abschlussprüfung und bei der Validierung von Bildungsleistungen. Diese Wege setzen Kompetenzen voraus und beinhalten nicht zwingend eine Teilnahme an Bildungsangeboten. Die Attraktivität dieser Angebote für Ältere hat natürlich mit der gestiegenen Lebens- und Arbeitserfahrung der Teilnehmenden zu tun. Es hängt aber auch damit zusammen, dass die Zeit zur Nutzung von Bildungsangeboten im Erwachsenenalter häufig fehlt. Diese Personen sind eingebunden in eine Erwerbstätigkeit, in ihre Familie, in andere Engagements.

Grafik 1. Anzahl Abschlüsse von über 25-jährigen 2020. Quelle: Staatssekretariat Fortbildung Forschung und Innovation (2022): Berufsbildung in der Schweiz. Fakten und Zahlen 2022, Seite 19.

Der Freiraum, den Jugendliche und junge Erwachsene haben, um sich beruflich zu bilden, fehlt Erwachsenen im Alter ab 40 zumeist. Junge Menschen profitieren von einem «Bildungsmoratorium»: Sie sind frei von vielen Verpflichtungen etwa zur Sicherung ihres Lebensunterhalts. Sie bewegen sich in vorgesehenen Pfaden und haben die zeitlichen Möglichkeiten zur Wahrnehmung von in der Regel öffentlich finanzierten Bildungsangeboten. Bei älteren Personen sieht das anders aus. Gesellschaftlich opportun ist zwar, dass sie sich beruflich weiterbilden. Nicht vorgesehen ist aber, dass sie eine umfangreiche berufliche Grundbildung absolvieren. Dieser Weg erfordert daher eine zusätzliche Motivation, eine besondere Begründung, eine spezielle Rechtfertigung. Erwachsene befinden sich jenseits eines Bildungsmoratoriums, sie haben vielfältige Verpflichtungen, und eine berufliche Erstausbildung gehört nicht zu den gesellschaftlichen Normalvorstellungen für diese Lebensphase. Von diesen Personen wird eher erwartet, dass sie ihren Lebensunterhalt selbst bestreiten und ihren Familienpflichten nachkommen, was die Entscheidung für die Teilnahme an umfangreicheren Bildungsmassnahmen erschwert.

2. Die Zielgruppe erwerbsbezogener Nachholbildung

Wer von erwerbsbezogener Nachholbildung spricht, sollte deren Zielgruppe benennen und differenziert beschreiben können. Das ist weniger banal als es klingt. Wer Angebote der erwerbsbezogenen Nachholbildung konzipiert, muss

  • die strukturellen Bedingungen für die Wahrnehmung des Angebots kennen;
  • die individuellen Voraussetzungen der Teilnehmenden kennen; solche individuellen Voraussetzungen sind beispielsweise biografische Bildungserfahrungen oder die verfügbare Zeit;
  • die Handlungslogik der Zielgruppe bei der Gestaltung ihrer Bildungs- und Erwerbsbiografie antizipieren.

Diese Perspektive hat Auswirkungen auf die Art und Weise, wie solche Angebote entwickelt werden. Sie erfolgt idealerweise in iterativen Zyklen – und bezieht damit die Perspektive der Teilnehmenden mit ein. Das kann vorab geschehen, zum Beispiel über Zielgruppenanalysen, aber auch im Prozess der Entwicklung des Angebots, zum Beispiel über Begleitforschung, die ihre Erkenntnisse zeitnah zurückspielt. Bewährte Ansätze dafür bieten Design Based Research oder formative Evaluationen. Klar ist aber auch, dass Angebote der erwerbsbezogenen Weiterbildung nicht nur gemäss den Voraussetzungen der Zielgruppe konzipiert werden können. Sie müssen auch den Anforderungen der Arbeitswelt und ihren Bedarfen Rechnung tragen. Angebotsentwicklung muss beides im Blick haben.

3. Voraussetzungen zur Teilnahme an erwerbsbezogener Bildung

Welche Faktoren beeinflussen die Teilnahme Erwachsener an erwerbsbezogener Bildung? Ich möchte drei Bereiche unterscheiden:

  • Verfügbare / nicht-verfügbare Ressourcen
  • Hinderliche / förderliche Erwerbs- und Lebenskontexte
  • Vorhandene / fehlende Möglichkeiten

Zu den Ressourcen zählen die direkten Teilnahmekosten sowie die indirekten Kosten, wobei Letztere häufig schwerer wiegen; sie umfassen in vielen Fällen Lohnverzicht oder höhere Kosten für die Kinderbetreuung. Ins Gewicht fällt auch die Ressource Zeit. Denn die Teilnahme an Bildung im Erwachsenenalter steht in Konkurrenz zu anderen Verpflichtungen, insbesondere der Erwerbstätigkeit, aber auch Betreuungs- und Sorgeverpflichtungen. Um an erwerbsbezogener Bildung teilzunehmen, sind zudem emotionale Ressourcen nötig. Weniger bildungserfahrene Erwachsene müssen dafür häufig Ängste überwinden: Schaffe ich es, konzentriert zu lernen? Wie überzeugt bin ich, dass ich die Ausbildung bewältigen kann? Auch bildungsbezogene Ressourcen sind erforderlich, so die Fähigkeit, aus unterschiedlichen Angeboten auszuwählen, die Anwendung von Lernstrategien oder das Vorhandensein von Grundkompetenzen. Wichtig sind schliesslich soziale Ressourcen – die Unterstützung im Umfeld, die Wertschätzung für die Anstrengung und erreichte Lernerfolge.

Das ist bereits ein ganzes Bündel an Voraussetzungen, die erfüllt sein müssen, damit sich erwachsene Personen zu einer erwerbsbezogenen Bildung entschliessen.

Das ist bereits ein ganzes Bündel an Voraussetzungen, die erfüllt sein müssen, damit sich erwachsene Personen zu einer erwerbsbezogenen Bildung entschliessen. Zu ihnen zählen auch hinderliche und förderliche Erwerbs- oder Lebenskontexte und vorhandene oder fehlende Möglichkeiten der Bildung auf dem bisherigen Lebensweg, wie ich sie eingangs erwähnte. Ich kann darauf in diesem Beitrag nicht näher eingehen. Aber ich möchte den Aspekt ansprechen, dass man fehlende Ressourcen oder hinderliche Kontexte auch kompensieren kann. In dieser Frage sehe ich beispielweise einen Ansatzpunkt für öffentliche Angebote, wie sie etwa mit viamia entwickelt wurden.

Ich möchte im Folgenden die skizzierten Faktoren kurz empirisch belegen. Die Basis dafür bildet ein Forschungsprojekt mit dem Namen «Governance: Cohesion and Context (GoCC)».[1] Im Zentrum dieses Projekts stehen zwei Fragen:

  1. Weiterbildung kommt in der Regel zustande, wenn sich Menschen für eine Teilnahme entscheiden – und dies tun sie vor allem dann, wenn es ihnen aufgrund ihrer eigenen Pläne sinnvoll erscheint oder es äussere Anreize gibt. Wie aber gestalten Individuen ihre Pläne und wie treffen sie Entscheidungen über berufliche Weiterbildungen?
  2. Wie kann ein neuer, auf die Lernenden zentrierter Ansatz in der erwerbsbezogenen Weiterbildung etabliert werden? Welche Governancestrukturen braucht es, um sowohl die etablierten Stakeholder im Rahmen der Verbundpartnerschaft als auch neue Möglichkeiten digitaler Technologien in die Governance einzubeziehen?

Das Projekt gibt in den Arbeiten zur ersten Fragestellung auch Aufschluss über die Gründe, warum sich Personen nicht weiterbilden. Die empirische Basis dafür bilden biografische Interviews, in deren Verlauf wir im Projektteam (Katrin Kraus, Anna Moor, Nina Wenger, Albiona Hajdari, Lynette Weber, Maren Oepke) auch Schilderungen von verhinderter Teilnahme erhalten haben. Ich zeige vier Zitate, die exemplarisch dafür stehen, was mit den verschiedenen Aspekten gemeint ist.

«…gab es auch Angebote, bei denen ich zum Beispiel ähm 50 Prozent in der Agentur hätte arbeiten müssen plus jeden Freitag und Samstag Schule haben und das über drei Jahre lang und das habe ich dann damals gesagt: Das geht nicht mit den Kindern im Moment, das ist zu viel.»

«Ich habe dann auch mal überlegt, ob ich vielleicht auf TOA, das heisst jetzt HFOT, also da diese technische Operationsassistentin gehen soll, aber ich habe eine wahnsinnige Prüfungsangst und dann fand ich irgendwie, ich tue mir das nicht an.»

«Und ich wollte eigentlich schon relativ schnell Richtung Psychotherapie gehen, ABER hatte da noch nicht das Geld dafür, dass ich das machen konnte.»

«Ich wollte es eigentlich schon lange machen, weil / Also ich habe gedacht, Tätowierungen und Piercing, aber ich wusste nicht, wie man zu etwas kommt.»

Die Zitate illustrieren die verschiedenen Voraussetzungen, die für eine Teilnahme an einer erwerbsbezogenen Weiterbildung erfüllt sein müssen: die Ressource Zeit spielt eine ganz grosse Rolle, dann die emotionale, psychologische Komponente, die ich angesprochen habe, als Drittes die klassische Ressource Geld, die man nicht unterschätzen darf und schliesslich die Frage des Angebotes im Sinne von Möglichkeiten zur Teilnahme.

Grafik 2. Motivation für die Teilnahme an beruflich orientierten Weiterbildungen, 2021. In % der beruflich orientierten Weiterbildungen der ständigen Wohnbevölkerung im Alter von 25-74 Jahren. Quelle: BFS – Mikrozensus Aus- und Weiterbildung (MZB)

Ich möchte diese Perspektive ergänzen mit einem Blick auf die Frage, was die Menschen für die Teilnahme an einer erwerbsbezogenen Weiterbildung motiviert. Antworten auf diese Frage erhält man u.a. im Mikrozensus Aus- und Weiterbildung des Bundesamtes für Statistik. 39% der befragten Personen (Wohnbevölkerung im Alter von 25 bis 74 Jahren) sagen, dass sie aus eigenem Antrieb an einer Weiterbildung teilgenommen haben. Auf Anforderung oder Vorschlag des Arbeitgebers sind es über 56%. Rund 5% sind von anderen Personen zur Weiterbildung motiviert worden. (Grafik 2)

Arbeitgeber spielen also eine wichtige Rolle bei der Teilnahme an erwerbsbezogener Bildung. Für Personen ohne nachobligatorischen Bildungsabschluss ist das keine gute Nachricht. Denn sie sind häufig in sogenannt einfacher Arbeit tätig und führen angelernte Tätigkeiten aus, die sie im Prozess der Arbeit erlernt haben. Das sind in der Regel Tätigkeiten, die weniger wissensintensiv sind und die häufig weniger organisierte Weiterbildung erfordern. Diese Zielgruppe hat also ausgehend von ihrer Erwerbstätigkeit einen schlechteren Zugang zu Weiterbildung, zumal auch die Arbeitgeber daran unter einer Investitionsperspektive in der Regel weniger Interesse haben. Ausserdem ist diese Zielgruppe biografisch weniger gewohnt, Bildungsmöglichkeiten von sich aus wahrzunehmen – sonst hätte sie in dem meisten Fällen ja einen Abschluss im gesellschaftlich dafür vorgesehenen Jugendalter absolviert.

Ob Weiterbildungen absolviert werden, hängt aber nicht nur von günstigen oder weniger günstigen Voraussetzungen ab, sondern auch von Zielen, die sich die Menschen setzten. Denn in der Regel nimmt man an erwerbsbezogener Bildung nicht nur um der Bildung willen teil, sondern weil man erwerbsbezogene oder andere biografische Ziele erreichen möchte. Manchmal stehen dem aber Hindernisse im Weg:

  1. Es kann sein, dass es statt einer Weiterbildung andere Wege gibt, ein Ziel zu erreichen.
  2. Vielleicht sind es andere Ziele, die in bestimmten Lebensphasen im Vordergrund stehen.
  3. Oder es gibt kein passendes Bildungsangebot, das zum Ziel führt.

Grafik 3. Gründe für die Teilnahme an beruflich orientierten Weiterbildungen, 2021. In % der beruflich orientierten Weiterbildungen der ständigen Wohnbevölkerung im Alter von 25-74 Jahren. Quelle: BFS – Mikrozensus Aus- und Weiterbildung (MZB)

Aus dem erwähnten Mikrozensus ist zu schliessen, dass die Hälfte der teilnehmenden Personen hofft, dank der Weiterbildung bessere Arbeitsleistungen zu erzielen (Grafik 3). Wichtig sind aber auch Faktoren wie das persönliche Interesse am Thema, bessere Karrierechancen oder die Verpflichtung zur Teilnahme. Diese Ziele hängen von biografischen und soziostrukturellen Faktoren ab, wie eine detailliertere Analyse zeigt. Ein solcher Faktor ist das Geschlecht. Es beeinflusst, wie sich immer wieder zeigt, schon die Berufswahl und darauf aufbauende Bildungsentscheidungen. Ein zweiter hartnäckiger Faktor ist der Einfluss des Bildungsniveaus auf die Weiterbildungsteilnahme: Je niedriger dieses ist, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit einer Weiterbildung – ein kumulativer Effekt. Auch das Alter oder der Migrationshintergrund spielen eine Rolle.

Die Teilnahme Erwachsener an erwerbsbezogener Bildung hängt also von zahlreichen Faktoren ab, die in der folgenden Grafik 4 noch einmal zusammengefasst sind. Sie sehen auf der linken Seite in den runden Kästchen die hinderlichen und förderlichen Erwerbs- und Lebenskontexte, die verfügbaren oder nicht verfügbaren Ressourcen und die vorhandenen oder fehlenden Möglichkeiten, im Erwachsenenalter an erwerbsbezogener Bildung teilzunehmen. In den eckigen Kästchen rechts abgebildet ist die soeben erwähnte Tatsache, dass die Teilnahme an Bildung immer auch an Ziele der Person gebunden ist.

Grafik 4. Teilnahme Erwachsener an erwerbsbezogener Bildung.

4. Ansatzpunkte zur Förderung der Weiterbildungsbeteiligung

Die Bildungspolitik sollte die Zielgruppe gezielter ansprechen und aktivieren. Sie kann die Rahmenbedingungen verbessern, indem sie erwerbsbezogene Bildungsmöglichkeiten für Erwachsene schafft, die offen gestaltet sind und nicht nur für einen relativ kurzen biographischen Zeitraum zur Verfügung stehen.

Was können wir tun, wenn wir die Zielgruppe der Erwachsenen ohne nachobligatorischen Bildungsabschluss im Kontext des Fachkräftemangels ansprechen und zum Abschluss einer beruflichen Bildung bewegen wollen? Ich sehe drei Ansatzpunkte.

  1. Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass das Absolvieren eines Berufsabschlusses für Erwachsene immer noch abseits einer üblichen Bildungsbiografie und der gesellschaftlichen Normalvorstellungen liegt; daher müssen besondere Zugangsbedingungen berücksichtigt werden. Diese Personen müssen zielgruppengerecht mit passgenauen Massnahmen angesprochen werden. Diese berücksichtigen deren Ausgangslage mit den vielen Faktoren des bisherigen Erwerbs- und Bildungsweges und der aktuellen Lebenssituation.
  2. Zudem sollte geklärt werden, welche Ressourcen bestimmten Personen zur Teilnahme an einer Weiterbildung zur Verfügung stehen und wie diese ergänzt werden können. Wir sprechen dabei nicht nur von Geld, sondern auch von den dargelegten immateriellen Ressourcen und vor allem der Zeit.
  3. Die Bildungspolitik sollte die Zielgruppe gezielter ansprechen und aktivieren. Sie kann die Rahmenbedingungen verbessern, indem sie erwerbsbezogene Bildungsmöglichkeiten für Erwachsene schafft, die offen gestaltet sind und nicht nur für einen relativ kurzen biographischen Zeitraum zur Verfügung stehen. Zudem kann Bildungspolitik auch Bildungsbedürfnisse wecken, indem bereits erfolgte Lernleistungen wertgeschätzt und mit weiteren Zielen verbunden werden. Dafür sind Unterstützungsstrukturen notwendig, die die Lebenssituation der betreffenden Personen berücksichtigen. Hier gilt es auch, Betriebe für die Unterstützung von Erwachsenen mit Potenzial im Kontext vom Fachkräftemangel einzubinden.

Meine Überlegungen betreffen im Grunde nicht nur die Angebote für Erwachsene. Letztlich betreffen sie auch die Art und Weise, wie wir über erwerbsbezogene Bildung im Erwachsenenalter insgesamt sprechen. Zu fördern ist einerseits die Handlungsfähigkeit der Personen in ihrer konkreten Erwerbstätigkeit – kein Zweifel. In den Blick kommen sollte aber andererseits auch die Dimension der erwerbsbiografischen Gestaltungskompetenz. Darunter verstehe ich die Fähigkeit zu überlegen, wie die eigene Erwerbstätigkeit zu gestalten ist. Was brauche ich, um auch hier aktiv zu werden, wie erhalte ich Zugang zu Bildungsangeboten, wie kann ich Entscheidungen treffen?

[1] GoCC ist ein Teilprojekt des von Innosuisse bewilligten Flagships Swiss Circular Economy of Skills and Competences (SCESC). Zusammen mit den anderen Schweizer Hochschulen HSG, EHB, EPFL, ZHAW und der Plattform Evrlearn sowie weiteren Praxispartnern entwickelt dieses Flagship-Projekt einen neuen lernendenzentrierten Ansatz erwerbsbezogener Weiterbildung. Hier gehts zur Website von GoCC.
Zitiervorschlag

Kraus, K. (2024). Erwachsene ohne Berufsabschluss als Zielgruppe für die erwerbsbezogene Weiterbildung. Transfer. Berufsbildung in Forschung und Praxis 9(7).

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