Präsentationen des Leadinghouse für Berufsfelddidaktik (LH BFD)
Curriculare und didaktische Rahmenbedingungen von transversalen Kompetenzen
Die Förderung von transversalen Kompetenzen gehört zu den jüngeren, explizit gemachten Postulaten in der Berufsbildung. Die theoretische Beschreibung solcher Kompetenzen und die Entwicklung von methodisch-didaktischen Konzepten zu deren Förderung sind allerdings anspruchsvoll. Im Rahmen der jährlichen Tagung der Schweizerischen Gesellschaft für Bildungsforschung (SGBF) 2024 in Locarno stellte das Leadinghouse für Berufsfelddidaktik (LH BFD) jüngste Forschungsergebnisse dazu vor. Dabei spannte sich der Bogen von der theoretisch konzeptionellen zur methodisch didaktischen Auseinandersetzung – mit durchaus handfesten Ergebnissen.
Ziel der Zusammenarbeit im LH BFD ist es, gemeinsam über das Verständnis von transversalen Kompetenzen und die Möglichkeiten, diese in Curricula einzubinden und an allen Lernorten zu fördern, nachzudenken und voneinander zu lernen. Besonderes Augenmerk liegt dabei a) auf der didaktischen Konzeption im Kontext der Berufsfelddidaktik und b) auf der konkreten Einbettung neuer Lehr- und Lernformen an den verschiedenen Lernorten. Die Beiträge sind komplementär und widmen sich den folgenden Schwerpunkten:
- Transversale Kompetenzen als Konstrukt. Ableitungen für die Sekundarstufe 2
- Analyse des neuen kaufmännischen Lehrplans hinsichtlich domänenspezifischer und domänenübergreifender Kompetenzen
- Dimensionen von transversalen Kompetenzen – Kreativität als Haltung
- Förderung von transversalen Kompetenzen – Problemlösen und kritisches Denken
Sehr unterschiedliche Rahmenkonzepte
Die Anzahl und Art der in den Rahmenkonzepten aufgeführten transversalen Kompetenzen – abgesehen von den sogenannten vier K (Kritisches Denken und Problemlösen, Kreativität, Kommunikation und Kooperation) – sind sehr unterschiedlich.
Alexander Koch & Silke Fischer (PH Luzern) widmen sich der Frage, ob transversale Kompetenzen ein durchlässiges, aber undifferenziertes Konstrukt sind. Im Lehrplan21 und den Bildungsplänen der beruflichen Grundbildung werden transversale Kompetenzen den Methoden-, Sozial- und personalen bzw. Selbstkompetenzen zugerechnet. Während die Sekundarstufe I als relativ unabhängiges System angesehen werden kann, steht diesem seitens der Berufsbildung eine Fülle von Anspruchsgruppen, z.B. Organisationen der Arbeitswelt (OdAs), gegenüber. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage nach Kompetenzerwartungen an die Sekundarstufe II im Rahmen der Sekundarstufe I sowie den berufs- und wirtschaftspolitischen Ansprüchen. Folgenden Forschungsfragen wurde nachgegangen:
- Wie werden transversale Kompetenzen in berufsbildungsbezogenen Rahmenkonzepten definiert?
- Welche transversalen Kompetenzen werden in den Rahmenkonzepten aufgeführt?
- Wie werden die aufgeführten transversalen Kompetenzen kategorisiert?
- Welcher Unterschied ergibt sich zwischen international publizierten Rahmenkonzeptionen, wissenschaftlichen Publikationen (Übersichtsarbeiten) und dem Lehrplan21?
Hierfür wurden vier ordnungsleitende Rahmenkonzeptionen transversaler Kompetenzen, drei aktuelle wissenschaftliche Publikationen (Chen, 2023; González-Pérez & Ramírez-Montoya, 2022; Van Laar et al., 2017) sowie der Lehrplan21 inhaltsanalytisch ausgewertet (Plath, 1994).
Die Ergebnisse zeigen, dass Anzahl und Art der in den Rahmenkonzepten aufgeführten transversalen Kompetenzen – abgesehen von den sogenannten vier K (Kritisches Denken und Problemlösen, Kreativität, Kommunikation und Kooperation) – sehr unterschiedlich sind. Die EU benennt acht transversale Kompetenzen ohne Kategorisierung, die OECD führt zwölf Kompetenzen in vier Kompetenzkategorien auf, Battelle for Kids (2019) differenziert zwölf Kompetenzen in drei Kategorien und die ILO (2021) ordnet zwanzig Kompetenzen vier Kategorien zu. Zudem ist die vorgenommene Kategorisierung in jedem Rahmenkonzept verschieden, z.B. «life and career skills», «earning and innovation skills», «information, media and technology skills» (Battelle for Kids [2019]) vs. «social and emotional skills», «cognitive and metacognitive skills», «basic digital skills», «basic skills for green jobs» ILO (2021). Auffällig ist, dass einzig die ILO «grüne Kompetenzen» ausweist. Insgesamt können die meisten Kompetenzen den Sozial- und Selbstkompetenzen zugerechnet werden, wobei die Grundkompetenzen und die Methodenkompetenzen inklusive der digitalen Kompetenzen in den Rahmenkonzepten weniger von Bedeutung sind.
Die Übersichtsarbeiten benennen zwölf Kompetenzen, ohne sie in Kategorien einzuordnen (Van Laar et al., 2017) oder beschränken sich auf sechs Kompetenzen als Indikatoren transversaler Kompetenzen (González-Pérez & Ramírez-Montoya, 2022). Chen (2023) versucht die Heterogenität von Kompetenzen systematisch zu rekodieren und eröffnet eine umfassende Sichtweise mit sieben Kategorien mit 34 Themenbereichen und insgesamt 297 Kompetenzen. Die Arbeiten sind meist auf einer mittleren bis höheren Auflösungsebene verortet, d.h. ohne konkrete Operationalisierungen.
Es ist zu diskutieren, inwieweit transversale Kompetenzen einen allgemeinen – Bildungsprozesse leitenden – Kompetenzrahmen beschreiben können und inwieweit diese Heterogenität einer wissenschaftlichen Untersuchung im Berufsfachschulunterricht entgegenstehen. In der Operationalisierung und Neukategorisierung der Lehrplan21-Kompetenzen könnte eine anschlussfähige Möglichkeit zur Weiterentwicklung der Bildungspläne der beruflichen Grundbildungen liegen. Des Weiteren könnte eine konkrete Operationalisierung der transversalen Kompetenzen dabei helfen, diese im Unterricht zielgerichteter umzusetzen.
Analyse der kaufmännischen Grundbildung
Was lernen zukünftige Kaufleute? Nicole Ackermann & Simone Heinecke führten eine qualitative Analyse des neuen kaufmännischen Lehrplans hinsichtlich domänenspezifischer und domänenübergreifender Kompetenzen durch. In der Berufsbildung gilt Handlungskompetenzorientierung seit vielen Jahren als pädagogisch-didaktische Leitidee (z. B. Reetz, 1990; Tramm, 1994). Neuerdings sind im Kontext (digitaler) Transformation von Arbeit und Gesellschaft auch transversale Kompetenzen en vogue (Scharnhorst, 2021). Für die kaufmännische Berufsbildung in der Schweiz wurde mit der Reform «Kaufleute 2023» ein lernortübergreifendes, handlungskompetenzorientiertes Curriculum eingeführt und u.a. am Lernort Berufsfachschule die tradierten Fächer aufgelöst. Aufgrund von Struktur und Inhalt der curricularen Handlungskompetenzen im neuen kaufmännischen Lehrplan ist prima vista unklar, inwiefern sie als domänenspezifisch oder domänenübergreifend zu deuten sind.
Daraus leiten sich die folgenden Forschungsfragen ab:
- Welche berufsbildenden und allgemeinbildenden Lerngegenstände lassen sich im Lehrplan identifizieren?
- Welche domänenspezifischen und domänenübergreifenden Anforderungssituationen sind in diesen Lerngegenständen spezifiziert?
Für die Dokumentenanalyse wurde ein forschungsgeneriertes Dokument verwendet, das die textuellen Daten aus dem kaufmännischen Lehrplan zusammenführt und bereinigt. Im ersten Schritt erfolgte eine zusammenfassende qualitative Inhaltsanalyse und induktive Kategorienbildung der originalen Daten für die Identifizierung/Strukturierung der Lerngegenstände; im zweiten Schritt eine strukturierende qualitative Inhaltsanalyse und deduktive Kategorienanwendung (Euler, 2020; Winther, 2010) der artifiziellen Daten für die Kodierung der Anforderungssituationen (Mayring, 2022).
Insgesamt lassen sich 146 Lerngegenstände (Unterkategorien) und 15 Lernbereiche (Hauptkategorien) identifizieren. Die Lernbereiche können zu vier Unterrichtsbereichen verdichtet werden:
- berufsbildend-administrativ (41% der Lerngegenstände; Unterstützungsprozesse, Geschäftsprozesse, Managementprozesse);
- berufsbildend-kommunikativ (18%; Kommunikation, Erstsprache, Fremdsprache);
- allgemeinbildend-objektbezogen (30%; ökonomische, rechtliche, politische und kulturelle Bildung, BNE) und
- allgemeinbildend-subjektbezogen (11%; persönliche Entwicklung, berufliche Sozialisation und Identität).
Allerdings sind bei den meisten berufsbildenden Lerngegenständen die relevanten fachlichen Konzepte nicht expliziert, d.h. sie müssen aus der Berufswissenschaft und -praxis rekonstruiert oder innoviert werden.
Rund die Hälfte der Lerngegenstände adressieren kaufmännische Situationen (55%), die etwa hälftig in einem bestimmten Unternehmensbereich (32%; v.a. Geschäftsprozesse) und einem beliebigen Unternehmensbereich (29%; v.a. Unterstützungsprozesse und Managementprozesse) situiert sind. Zwei Fünftel der Lerngegenstände adressieren nicht-kaufmännische Situationen (40%), d.h. Situationen im persönlichen, beruflichen und gesellschaftlichen Lebensbereich. Allerdings verunmöglicht der Ansatz der «Allbranchenlehre» in der kaufmännischen Berufsbildung eine klare Abgrenzung der Domäne und damit eine Deutung hinsichtlich branchenspezifischer Geschäfts- und Arbeitsprozesse (Schlicht, 2019; Tramm, 2002).
In etwa zwei Drittel der Lerngegenstände sind überfachlich methodisch-technische Fähigkeiten (59%) spezifiziert, in einem Viertel überfachlich sozial-kommunikative Fähigkeiten (23%) und in 15% überfachlich personale Fähigkeiten.
In etwa zwei Drittel der Lerngegenstände sind überfachlich methodisch-technische Fähigkeiten (59%) spezifiziert, in einem Viertel überfachlich sozial-kommunikative Fähigkeiten (23%) und in 15% überfachlich personale Fähigkeiten. Transversale Fähigkeiten sind häufiger für kaufmännische Situationen (79-93%) spezifiziert als für nicht-kaufmännische (69%). Allerdings sind transversale Fähigkeiten in den curricularen Handlungskompetenzen nicht explizit formuliert, d.h. sie müssen exploriert und interpretiert werden.
Die Ergebnisse geben Orientierung über die didaktische Komposition des neuen kaufmännischen Lehrplans. Sie sind für den Berufsfachschulunterricht und die Bildung der Lehrpersonen in der kaufmännischen Domäne gleichermassen relevant. Daraus ergeben sich Implikationen für Forschung und Praxis. Für den berufsbildend-administrativen und berufsbildend-kommunikativen Unterrichtsbereich müssen berufsdidaktische Modelle entwickelt werden, mittels derer kompetenzorientierter Unterricht vorbereitet, durchgeführt, reflektiert und evaluiert werden kann (Hacker, 2005; Wilbers, 2023). Im allgemeinbildend-objektbezogenen Unterrichtsbereich kann auf die bestehenden fachdidaktischen Modelle (z. B. Wirtschaft, Recht, Sprachen) zurückgegriffen werden (Dubs, 1985). Für den allgemeinbildend-subjektbezogenen Unterrichtsbereich sollten didaktische Modelle konzipiert oder adaptiert werden, mittels derer die kognitiven und motivationalen Voraussetzungen der Lernenden diagnostiziert sowie ihre persönliche Entwicklung begleitet und beurteilt werden kann: Arbeiten am persönlichen Portfolio (Ackermann & Zehnder, 2024), Rolle als Bürgerin in der Gesellschaft (Ackermann 2021).
Haltung und Kreativität
Antje Barabasch & Lona Widmer beschäftigen sich mit der Frage, wie Kreativität in der beruflichen Bildung gefördert werden kann. Sie stiessen dabei auf die Erkenntnis, dass Kreativität vielfach auch als Haltung zur Gestaltung der Lehre bezeichnet wird und so Einfluss auf die Didaktik nimmt. Haltung kann verstanden werden als ein Positionsbezug in Bezug auf Werte, Ideale, Standpunkte und Gesinnungen (Will & Dörr, 2023) und auch als das Sichtbar-Werden eines Ethos. Nach Aristoteles bezeichnet «hexis» den angemessenen Umgang mit Affekten. Im Gegensatz zu Stimmungen sind Haltungen stabil und ihre Änderungen beinhalten tiefgreifende Erfahrungen (Zierer, 2020). Dabei umfasst Kreativität als Kompetenz zahlreiche Fähigkeiten wie den geschickten Umgang mit Ambiguität und Unsicherheit, die Fähigkeit zur Bildung von Vorstellungen und Assoziationen, Intuition, das Erkunden von Alternativen, die kritische Hinterfragung bestehender Strukturen und Gegebenheiten, die Bereitschaft zur Unkonventionalität im Herangehen an Aufgaben, die konstante Infragestellung des Status quo, die Fähigkeit zur Entwicklung von Zukunftsszenarien, die Suche nach neuen Perspektiven und die Anerkennung, dass es neben der verbalen Kommunikation auch andere Formen der Verständigung gibt (Erpenbeck & Sauter, 2016). In der Berufsbildung ermöglicht die Kreativität, Arbeit zu schaffen, welche sowohl originell als auch anpassungsfähig in Bezug auf verschiedene Aufgaben und Situationen ist.
Doch wie hängen Haltung und Kreativität zusammen? Welcher Haltung bedarf es, um kreativ zu sein bzw. Kreativität bei Lernenden zu fördern? Und kann Kreativität auch haltungsbildend sein? Antje Barabasch & Lona Widmer haben 15 semistrukturierte Interviews mit Lehrpersonen und Lernenden an Berufsfachschulen für Gestaltungsberufe durchgeführt (Helfferich, 2009). Zusätzlich wurden sechs Unterrichtsbesuche und -beobachtungen vorgenommen. Mit Lernenden wurden ebenfalls Fokusgruppeninterviews realisiert. Die transkribierten Daten wurden anhand einer qualitativen Inhaltsanalyse mittels deduktiven Vorgehens kodiert und analysiert nach Kuckartz (2016).
Die befragten Lehrpersonen verweisen darauf, dass beispielsweise ihre Ergebnisoffenheit bezogen auf die Resultate des kreativen Arbeitens ihrer Lernenden eine Haltung ist, die Kreativität bei den Lernenden befördert. Auch in der Selbstreflexion über eigenes kreatives Arbeiten und Unterrichten nannten die Lehrpersonen verstärkt Aspekte wie Wertfreiheit, Offenheit, Flexibilität oder Empathie als Werte und Einstellungen, die Ausdruck der eigenen Kreativität seien. Es zeigt sich unter anderem, dass Kreativität bei vielen Personen in den gestalterischen Berufen eine inhärente Grundhaltung ist. Das spiegelt sich auch in den Interviewaussagen in einer generellen Offenheit gegenüber Neuem, gegenüber anderen Menschen sowie neuen Methoden, neuen Denk- und auch Verhaltensweisen wider.
Während es zunehmend Werkzeuge gibt, die eine Kreativitätsdidaktik unterstützen, bleibt die Frage, inwieweit Lehrpersonen bereit sind, selbst kreativ(er) zu sein in ihrem Handeln und eine kreative Haltung zu entwickeln.
Während es zunehmend Werkzeuge gibt, die eine Kreativitätsdidaktik unterstützen, bleibt die Frage, inwieweit Lehrpersonen bereit sind, selbst kreativ(er) zu sein in ihrem Handeln und eine kreative Haltung zu entwickeln. Um dies anzuregen braucht es Formate, die Lehrpersonen in der Berufsbildung Erfahrungen mit der eigenen Kreativität sammeln lässt. Darüber hinaus kann die Auseinandersetzung mit kreativen Lehrmethoden und die Begegnung mit Lehrpersonen, die Neues wagen (oft zu finden in den gestalterischen Berufen), sie dabei unterstützen.
Die Fähigkeit, kritisch zu denken und Probleme zu lösen
Die transversalen Kompetenzen kritisches Denken und Problemlösen stehen im Zentrum der Forschung von Lena Freidorfer und Katrin Kraus. Sie befassen sich mit Fragen um das Verständnis und die Förderung von Kritischem Denken (KD) Problemlösen (PL), einschliesslich der Charakteristika von Situationen, in denen diese Kompetenzen am Lernort Betrieb in der Hotellerie und Informatik gefördert werden.
Die Wichtigkeit transversaler Kompetenzen wie dem KD oder dem PL wird in berufsbildungsbezogenen Fachdiskursen zunehmend betont (Abele, 2023; Pfiffner, Sterel & Caduff, 2022). Bei KD und PL handelt es sich jedoch nicht um «neue» Kompetenzen.
Bereits seit den 1980er Jahren gewinnen KD und PL im Kontext der Veränderungen der Arbeitswelt an Bedeutung (Brookfield, 1987; Ennis, 1989). Umso erstaunlicher ist es, dass bislang relativ wenig darüber bekannt ist, wie transversale Kompetenzen und so auch KD und PL im Rahmen der in der Regel stark an der Fachlichkeit einzelner Berufe orientierten Ausbildung vermittelt werden (Scharnhorst & Kaiser, 2018). Das Forschungsprojekt der genannten Autorinnen setzt in dieser Forschungs- und Entwicklungslücke an.
Auf der Basis (a) einer Analyse deutsch- und englischsprachiger wissenschaftlicher Literatur zu KD und PL und (b) leitfadengestützter Interviews mit 24 betrieblichen Berufsbildungsverantwortlichen aus Hotellerie und Informatik, konnten Erkenntnisse zu den nachfolgend gelisteten Bereichen erlangt werden (Freidorfer & Kraus, 2023).
- Charakteristika von Situationen, in denen betriebliche Berufsbildungsverantwortliche Lernende im KD und PL fördern
- Vorgehensweisen in der Förderung von KD und PL
- Unterstützende Faktoren in der Stärkung Lernender im KD und PL (bspw. bestimmte Ausbildungsmaterialien, Gespräche mit Kollegen/innen)
- Herausforderungen in der Förderung von KD und PL aus Sicht der betrieblichen Berufsbildungsverantwortlichen
Die Projektergebnisse zeigen, dass betriebliche Berufsbildungsverantwortliche u.a. unterschiedliche Gesprächsformen und -settings zur Stärkung von Kritischem Denken (KD) Problemlösen (PL) einsetzen.
In der Literatur wird diskutiert, wie in der Förderung von KD und PL in betrieblichen Ausbildungen insbesondere traditionelle Methoden wie der Diskussion über erlebte Problemsituationen, Triadengespräche oder auch Rollenspiele eingesetzt werden. Die Projektergebnisse bestätigen dies und zeigen, dass betriebliche Berufsbildungsverantwortliche u.a. unterschiedliche Gesprächsformen und -settings (u.a. Einzelgespräche und Gruppendiskussionen) zur Stärkung von KD und PL einsetzen. Zudem arbeiten sie mit Selbstreflexionsprozessen oder auch der Methode des Perspektivenwechsels.
Mittels Inhaltsanalyse (Mayring, 2022) wurden die gewonnenen Erkenntnisse unter Berücksichtigung eines konkreten theoretischen Ansatzes analysiert. Dabei wird auf die Phasen in dem von Dewey (2002) geschilderten Ablaufmodell der vollständigen Denkhandlung («Complete Act of Thought») Bezug genommen:
- Auftreten einer Schwierigkeit;
- Beobachtung, Präzisierung und Lokalisierung der Schwierigkeit;
- Entstehung von Erklärungen und möglichen Lösungen;
- Rationale Ausarbeitung einer Idee für die Problemlösung;
- Überprüfung und Bestätigung der Idee;
- Weiteres Beobachten.
Die Forschungsergebnisse wurden mit den Erkenntnissen des genannten theoretischen Ansatzes und wissenschaftlichen Publikationen, die in Bezug auf KD und PL bereits denselben Ansatz nutzten, abgeglichen (siehe u.a.: Jahn, 2012). Dies u.a., um Potentiale für neue oder auch weiterführende Entwicklungen eruieren zu können.
Die Autorinnen befinden sich nach einem Validierungstreffen mit Berufsbildungsverantwortlichen der Hotellerie und Informatik gerade an der Erstellung eines Sets an Reflexionsfragen für betriebliche Berufsbildende und Lernende zur Unterstützung der Entwicklung von KD und PL am Lernort Betrieb.
Referenzen
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- Ackermann, N., & Zehnder, S. (2024). Didaktischer Leitfaden Portfolio: Orientierung und Anregung für den Lernort Schule am Beispiel der Berufsreform «Kaufleute 2023» (2., überarbeitete Auflage). Pädagogische Hochschule Zürich und 2B Berufe Bildung GmbH.
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Zitiervorschlag
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