Berufsbildung in Forschung und Praxis
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«Talentförderung Plus» evaluiert

Der Kanton Zürich fördert Talente in der Berufslehre

Elite oder Begabung – viele denken, das gibt es nur an Gymnasien. Aber das ist falsch, wie der Kanton Zürich mit der Initiative «Talentförderung Plus» zeigt. Hier erhalten begabte Lernende besondere Förderung, jenseits der bekannten Berufswettbewerbe. Eine Evaluation zeigt, dass das gut funktioniert.


Isabelle Sterchi Pelizzari ist Leiterin des Programms «Talentförderung in der Berufsbildung – Betriebe fördern Talente» des Mittelschul- und Berufsbildungsamts des Kantons Zürich: «Ich bin überzeugt: Talentförderung etabliert sich immer stärker in der Berufsbildung!»

Isabelle Sterchi Pelizzari, 2013 lancierte der Kanton Zürich eine Initiative zur Förderung von jungen Talenten in der beruflichen Grundbildung? Warum?

In der Berufsbildung wird viel unternommen, um leistungsschwächere Lernende zu fördern, aber weniger für Leistungsstarke. Da wollen wir mit der Initiative «Talentförderung Plus» ansetzen. Rund 80 Prozent der Jugendlichen in der Schweiz absolvieren eine Lehre – da sind Begabungen schlicht eine Realität, nicht nur in den anspruchsvollen Berufen. Dem tragen wir Rechnung. Unsere Initiative sensibilisiert Betriebe, Berufsverbände und Berufsfachschulen für das Thema und bietet Anreize.

Die Berufsbildung verliert an Terrain. Geht es auch darum, dass die berufliche Bildung in Konkurrenz mit den Gymnasien attraktiver werden muss?

Nein, die Berufsbildung ist ein beliebter und zukunftsorientierter Ausbildungsweg. Eine starke Berufsbildung ist Nährboden für Innovation und Talententwicklung.

Was ist ein Talent, wie stellen Sie das fest?

Begabte und motivierte Lernende sind bereit, die Extrameile zu gehen. Um ein Talent zu sein, braucht es hohe Einsatzbereitschaft, Training sowie Übung und eine intensive Auseinandersetzung mit dem Beruf sowie ein anregendes Umfeld. Talente lassen sich über die Schulnoten feststellen, aber auch über die Leistungen im Betrieb oder anlässlich von Berufswettbewerben. Hier ist unser «Talentkompass» mit Arbeitsblättern und einem Bewertungsraster eine Hilfe. Er enthält fünf Identifikationsmerkmale. Neben den Schulnoten sind der Bildungsbericht im Lehrbetrieb und überfachliche Kompetenzen wichtig – je nach Beruf und Betrieb in unterschiedlicher Weise.

Wie funktioniert die Förderung?

Die in den Talent Stories gesammelten Beispiele inspirieren für eigene Ideen. Eine Plattform ermöglicht den Austausch zwischen Betrieben, die bereits Talente fördern, und denen, die dies gerne tun möchten.

«Talentförderung Plus» richtet sich wie erwähnt an Betriebe, Branchenverbände und Berufsfachschulen, die leistungsstarke Lernende fördern und fordern wollen. Herzstück ist die Website, die verschiedene Arten von Fördermassnahmen vorstellt – Wettbewerbe, Mobilitätsangebote und interne Förderung. Die in den Talent Stories gesammelten Beispiele inspirieren für eigene Ideen. Eine Plattform ermöglicht den Austausch zwischen Betrieben, die bereits Talente fördern, und denen, die dies gerne tun möchten. Die Talent Toolbox stellt praktische Anleitungen, Instrumente und Tipps zur Umsetzung der Talentförderung im Betrieb zur Verfügung. Erfolgreiche Talentförderprogramme zeichnen sich dadurch aus, dass die Geschäftsleitung dahintersteht. Daher richtet sich «Talentförderung Plus» insbesondere auch an Meinungsmacherinnen und Meinungsmacher.

Und Sie richten Förderbeiträge aus.

Richtig. Betriebe erhalten eine Pauschale von 1000 Franken je lernende Person, Verbände 500 Franken. Der maximale Gesamtbetrag pro Institution beläuft sich auf 10’000 Franken. Für die gleiche Fördermassnahme kann höchstens zwei Mal eine Unterstützung beantragt werden. Insgesamt stehen über den Berufsbildungsfonds jährlich 150’000 Franken zur Verfügung, über die Anträge entscheidet eine Jury aus betrieblicher Praxis. Neben der finanziellen Unterstützung bieten wir auch Beratungen und Begleitung an, in Form von Workshops vor Ort etwa oder an Webinaren zur Talentidentifikation.

Können Sie geförderte Beispiele nennen?

Der Zeichner EFZ Fachrichtung Architektur Simon Jaccard hat für eine Gewerbeausstellung einen Raum aus Holz geplant und mit einem Zimmermann gebaut – hier lernte er mehr als im üblichen Baustellenpraktikum. Die Allgemeinen Berufsschule Zürich führt eine Talentklasse, wo Köchinnen und Köche EFZ intensiv gefördert werden und ein Praktikum in der Spitzengastronomie absolvieren. Die Detailhandelsfachfrau EFZ Nadira Pfister nahm am Mobilitätsprogramm ihrer Schule teil und weilte drei Wochen in London. Wir haben unzählige solche Beispiele. Sie zeigen, dass Talentförderung nicht immer so spektakulär sein muss wie anlässlich der nationalen und internationalen Berufswettbewerbe. In kleineren Betrieben wird Talentförderung häufig «on the Job» im Berufsalltag umgesetzt. Leistungsbereiten, interessierten Lernenden wird intuitiv mehr Verantwortung übergeben. Das zeigt sich dann auch durch den Berufsstolz der Lernenden.

Führen die Betriebe die Talentförderung nach Ablauf der finanziellen Unterstützung wirklich weiter?

Ja. Die Betriebe erkennen, dass der «return on investment» höher ist als der Aufwand für die Förderung. Das zeigt auch eine Evaluation des Programms durch die Pädagogische Hochschule Zürich. Drei Viertel der Befragten schätzen Talentförderung als wichtig ein. Sie können damit ein Fundament für die Zukunft ihres Unternehmens legen. Zudem sehen sie bessere Rekrutierungschancen durch den Image-Gewinn, weil sie zeigen können, dass sie sich für ihre Lernenden einsetzen. Inzwischen haben einige Betriebe und Verbände Fördermassnahmen, ja eigentliche Talentmanagement-Konzepte erarbeitet.

Können Sie Zahlen nennen: Wieviele Betriebe machen wirklich weiter?

Und wir sind auf nationaler Ebene mit Swissskills im Gespräch und in Kontakt. Ich bin überzeugt: Talentförderung etabliert sich immer stärker in der Berufsbildung!

Wir fördern pro Jahr rund 200 Lernende und arbeiten mit den Ausbildungsbetrieben Fördermassnahmen aus, die sie selbständig weiterführen können. Die Fortführung der Talentförderung nach unserer Unterstützung liegt aber in der Verantwortung der Betriebe; Zahlen dazu haben wir nicht.

Laut Evaluation ist das Zürcher Programm schweizweit einzigartig. Kommen aber weitere Kantone dazu?

Wir sind im Austausch mit Schaffhausen, Luzern, Zug, Glarus und Bern. Weitere Kantone zeigen Interesse, zum Beispiel St. Gallen, Schwyz und andere innerschweizer Kantone. Und wir sind auf nationaler Ebene mit Swissskills im Gespräch und in Kontakt. Ich bin überzeugt: Talentförderung etabliert sich immer stärker in der Berufsbildung!

Dieser Beitrag erschien zuerst in «Alpha», Tages-Anzeiger.

Talentförderung Plus

Zitiervorschlag

Fleischmann, D. (2024). Der Kanton Zürich fördert Talente in der Berufslehre. Transfer. Berufsbildung in Forschung und Praxis 9(14).

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