Stärkung der betrieblichen Ausbildungskompetenz
SwissEduPro: Ein Weiterbildungssystem macht die Berufsbildung noch besser
Die Stärkung der betrieblichen Bildungsqualität gehört zu den zentralen, aktuellen Aufgaben der Berufsbildung. Erste, wichtige Schritte sind mit dem Label TOP-Ausbildungsbetrieb erfolgt; bisher wurden in allen Sprachregionen über 400 Betriebe zertifiziert. Dennoch sind zusätzliche Anstrengungen nötig. Basierend auf dem Berufsbildung-2030-Projekt Stärkung der betrieblichen Ausbildungskompetenz wurde darum der Bildungsgang SwissEduPro entwickelt, der sich an Branchenverbände, Firmen und Einzelpersonen richtet. Mitte Januar 2025 wurde der Trägerverein SwissEduPro gegründet.
Ausbildungsbetriebe stehen vor grossen Herausforderungen: Demografischer Wandel, Fachkräftemangel und eine grosse Zahl von Jugendlichen, die sich gegen eine Berufslehre entscheiden, prägen die Landschaft. Themen wie Diversität, psychische Gesundheit und künstliche Intelligenz in der Berufsbildung gewinnen an Bedeutung. Gleichzeitig geraten Betriebe zunehmend unter Druck, die Erwartungen der Generation Z zu erfüllen und nach Lehrplan 21 ausgebildete Jugendliche abzuholen. Die Arbeitswelt verlangt heute von den Jugendlichen neue überfachliche Skills, welche gekonnt aufgebaut werden müssen.
Für alle diese Anforderungen reicht der obligatorische Berufsbildnerkurs in vielen Fällen nicht mehr aus. In einer Zeit ständiger Veränderungen braucht es eine auf dem Kurs aufbauende Weiterbildung. Hier setzt SwissEduPro an – ein branchenübergreifendes Weiterbildungssystem, das auf dem Projekt «Stärkung der betrieblichen Ausbildungskompetenz» im Rahmen von Berufsbildung 2030 basiert. Entwickelt in enger Zusammenarbeit zwischen der Initiatorin, der Stiftung TOP-Ausbildungsbetrieb, der EHB, Berufsbildungsämtern, Branchenorganisationen (OdA) und weiteren Verbundpartnern, zielt SwissEduPro darauf ab, die Kompetenzen von Ausbildenden zu erweitern und die Qualität der betrieblichen Bildung nachhaltig zu steigern.
Rückblick: Die Idee und das Modell von TOP-Ausbildungsbetrieb (TAB)
Das Konzept von SwissEduPro baut auf den Erfahrungen des Labels TOP-Ausbildungsbetrieb auf.
Das Konzept von SwissEduPro baut auf den Erfahrungen des Labels TOP-Ausbildungsbetrieb (TAB) auf. TAB ist 2014 in der Carrosseriebranche als Unterstützungsinstrument für die brancheneigenen Betriebe aufgebaut worden. Das Modell verfolgt den Ansatz, Betriebe in der Ausbildung zu unterstützen und sie als Belohnung über drei Stufen mit einem Label auszuzeichnen. Es bietet praxisnahe Weiterbildung für betriebliche Ausbildende, die weit über die Inhalte des minimalen Berufsbildnerkurses hinausgehen. Dazu gehört etwa die Erkenntnis, dass Ausbildung heute nicht nur eine fachliche, sondern eine psychologische Dimension haben muss (Persönlichkeitsentwicklung der Jugendlichen). Ein besonderer Fokus ist der zeitgemässen Lernbegleitung gewidmet, welche Jugendliche dort abholt, wo sie effektiv stehen und sie so begleitet, dass sie arbeitsmarkfähig und «mündig» werden. Individuelle Betreuung und das Miteinander zwischen Ausbildungspersonen und Lernenden rücken ins Zentrum. Anstelle verordneter Lernziele rücken sinnhafte Lernziele, die die Lernenden möglichst eigenverantwortlich verfolgen. Lernende sollen eine Beziehung zur Arbeit aufbauen, die, durch Erfolgserlebnisse geprägt, eine Bindung zu Beruf und Ausbildungsbetrieb ermöglichen.
Dafür stellt TAB verständliche und umsetzbare Rezepte, Instrumente und Methoden zur Verfügung. So werden die Motivation und Zufriedenheit der Ausbildenden und Lernenden zugleich gefördert. Gleichzeitig verlangt TAB von den Betrieben ein Commitment zur nachhaltigen Ausbildung sowie förderliche Strukturen, damit gute Ausbildung gelingen kann. Alle Beteiligten, die Jugendlichen, die Ausbildenden und die Ausbildungsbetriebe erhalten Perspektiven. Das System TAB baut nicht nur Kompetenzen der Ausbildenden auf, sondern auch Rahmenbedingungen in den Betrieben. Beides ist ganzheitlich Voraussetzung für die Betriebszertifizierung.
2019 wurde TAB für alle Branchen ausserhalb des Carrosseriegewerbes geöffnet. Im Jahr 2024 hatte die Stiftung TAB acht nationale und zwei regionale Trägerverbände, die das System in ihren Branchen aktiv empfehlen. Mehr als 400 Betriebe wurden bis dahin in allen Sprachregionen der Schweiz zertifiziert. 134 Berufe konnten dort gelernt werden.
Nachteile von TOP-Ausbildungsbetrieb (TAB)
TAB wurde in den letzten Jahren mit fünf hauptsächlichen Herausforderungen konfrontiert:
- Das Erreichen schwächerer Ausbildungsbetriebe, welche die Kurse am nötigsten hätten
- Die Weiterbildung von motivierten Ausbildungspersonen, deren Betrieb kein Label anstrebte
- Das Missverständnis, das nur Ausbildungsbetriebe der Trägerverbände mitmachen können
- Neue Herausforderungen in der Ausbildung, welche eine Erweiterung des Angebots von TAB verlangen
- Verbände, die in der Betriebszertifizierung eine Gefahr sehen, machten nicht mit
Entsprechend war die Stiftung in den letzten Jahren bestrebt, weniger die Stiftung selbst zu stärken als den grundsätzlichen Stiftungszweck zu verfolgen. Auch Institutionen ausserhalb der Stiftung sollten Instrumente erhalten, die der Qualitätssteigerung der betrieblichen Ausbildung dienen. Hier die wichtigsten Massnahmen zur Zielerreichung:
- Der Aufbau eines neuen, national anerkannten Weiterbildungssystems, das nicht an eine Betriebszertifizierung geknüpft ist; Trägerin ist das Projekt Stärkung der betrieblichen Ausbildungskompetenz innerhalb der Initiative Berufsbildung 2030
- Die Zusammenarbeit mit den Verbundpartnern, weil insbesondere die Kantone mit der Lehraufsicht und die OdA innerhalb ihrer Branche Möglichkeiten haben, auch schwächeren Ausbildungsbetrieben die Weiterbildung anzutragen
- Die Überarbeitung der Ausbildungsinhalte und Zertifizierungsvoraussetzungen von TAB, die 2025 in eine neue Version von TAB münden werden
- Der Aufbau eines Botschaftersystems, um die Weiterbildung von Ausbildungspersonen noch besser im Selbstverständnis von Ausbildungsbetrieben zu verankern
Ein neues Weiterbildungssystem, das nationale Standards setzt
Das Projekt Stärkung der betrieblichen Ausbildungskompetenz im Rahmen der Initiative Berufsbildung 2030 führte mit Hilfe der EHB (Wenger & Lamamra, 2024) eine umfassende Analyse der Bedürfnisse der Schweizer Ausbildungsbetriebe durch. Befragt wurden mehr als 5000 Personen aus allen Branchen und allen Regionen, die in unterschiedlichsten Betriebsstrukturen in verschiedenen Funktionen tätig sind. Es ergab sich ein klares Bild über ihre Herausforderungen, ihre Erwartungen an betriebliche Rahmenbedingungen und ihre Motivation, sich in der Ausbildung zu engagieren. Die Projektgruppe hat die zentralen Bedürfnisse aufgenommen und in das neue nationale Weiterbildungsgefäss namens SwissEduPro eingearbeitet.
Grundlage: Fehlende Rahmenbedingungen
Das Webinar für Vorgesetzte
Grundlage: Bedürfnisse von Ausbildenden
Das Kursprogramm für Ausbildende
Das neu geschaffene SwissEduPro-Zertifikat verlangt keine Betriebszertifizierung, keine vorgegebenen Strukturen oder Dokumente von Betrieben; es ist explizit kein Label für Betriebe, sondern dokumentiert, dass sich Führungsleute oder Ausbildungspersonen fortgebildet haben. Das Kursangebot kann bedarfsgereicht zur Kompetenzerweiterung genutzt werden. Diese erworbenen Kompetenzen helfen den Personen, ihre Aufgaben und Rollen im Rahmen der betrieblichen Ausbildung besser wahrzunehmen.
SwissEduPro hat gegenüber TAB den Vorteil, dass nicht ein ganzer Betrieb sich zu einem Label und dessen Anforderungen bekennen muss; einzelne Personen können spezifisch Hilfe zur Bewältigung ihrer Aufgaben bekommen.
SwissEduPro hat gegenüber TAB den Vorteil, dass nicht ein ganzer Betrieb sich zu einem Label und dessen Anforderungen bekennen muss; einzelne Personen können spezifisch Hilfe zur Bewältigung ihrer Aufgaben bekommen. Denkbar ist, dass über das niederschwellige Angebot der personenbezogenen Weiterbildung von SwissEduPro nach und nach eine betriebliche Wirkung erzielt wird, die weitere Personen erreicht. Wenn der Betrieb nachträglich ein Label wünscht, werden die besuchten Kurse des SwissEduPro-Systems unabhängig von der Kursanbieterinstitution für die Zertifizierung als TAB angerechnet.
Merkmale von SwissEduPro:
- Branchenübergreifende Module: Allgemeingültige Inhalte wie Rolle der Ausbildungspersonen, Generationenverständnis, Kommunikation, Konfliktmanagement, psychische Gesundheit, Diversität, künstliche Intelligenz, Future Skills und zeitgemässe Methoden werden in modularen Kursen vermittelt. Diese sind für alle Branchen offen und fördern den Austausch zwischen unterschiedlichen Berufsfeldern.
- Branchenspezifische Anpassung: Die überfachlichen Kursinhalte und Kursziele können von OdA oder von ihnen eingesetzten Bildungsinstitutionen auch branchenbezogen im Namen der OdA angeboten werden. Branchenbezogene Situationen, Kursleitende mit hoher Branchekenntnis und die Präsenz des Branchenverbandes können die Hürde für schwächere Betriebe abbauen, vertieft in die Welt der überfachlichen Qualitätsthemen der Ausbildungsarbeit einzutauchen.
- Flexibilität: Kurse können als Einzelmodule oder als Serie belegt werden. Absolventinnen erhalten ein SwissEduPro-Zertifikat, das unabhängig vom Kursanbieter ihre Qualifikationen bestätigt, einen nationalen branchenübergreifenden Stellenwert hat und ihnen so – vergleichbar mit einem SVEB-Zertifikat – die verdiente Anerkennung ihrer Kompetenz verleiht.
- Praxisorientierung: Die Inhalte sind auf den Ausbildungsalltag zugeschnitten und beinhalten konkrete Werkzeuge und Hilfsmittel wie Methoden, Checklisten, Vorlagen und praxisorientierte Übungen. Die Kurse sind stark interaktiv gestaltet und bauen immer wieder auf den Praxiserfahrungen der Kursteilnehmenden auf.
Eine zentrale Herausforderung für SwissEduPro ist, dass von solchen Programmen vor allem Betriebe profitieren, die bereits einen hohen Ausbildungsstandard pflegen. Um dies zu durchbrechen, setzt das System auf die Verbundpartnerschaft:
- Empfehlungen durch Berufsbildungsämter und Lehraufsichten: Diese Institutionen sind oft die ersten Anlaufstellen für schwächere Betriebe. Sie können SwissEduPro als Instrument empfehlen.
- Branchenspezifische Kooperationen: OdA haben ein hohes Interesse an der qualitativ hochwertigen Ausbildung ihrer Berufe. Sie können als Kursanbieter betreffende Betriebe am besten erreichen. SwissEduPro lädt sie ein, die Kurse selber anzubieten.
Fazit
SwissEduPro ist ein wegweisendes Weiterbildungssystem, das den Anforderungen einer sich wandelnden Arbeitswelt und Gesellschaft gerecht wird. Es unterstützt Betriebe, ihre Ausbildungskompetenz zu stärken, die Qualität und Attraktivität der Berufslehre zu steigern. Mit der engen Einbindung von Berufsbildungsämtern, Branchenorganisationen und weiteren Partnern bietet SwissEduPro einen praxisnahen, flexiblen und zukunftsorientierten Ansatz, der den besonderen Bedürfnissen der dualen Berufsbildung in der Schweiz gerecht wird.
Ein Kernziel von SwissEduPro ist es, die Wahrnehmung der beruflichen Grundbildung durch «Good Stories» zu verbessern. Viele Eltern und Jugendliche haben ein negatives Bild von der Berufslehre, das durch Erfolgsgeschichten aus der Praxis korrigiert werden soll. Die Weiterbildung hilft Betrieben, eine positive Lernkultur zu schaffen, die Jugendlichen Orientierung und Wertschätzung bietet und bei Eltern das Vertrauen in die duale Grundbildung stärkt.
Quellen
- Wenger, M., & Lamamra, N. (2023). Les besoins et préférences en matière de formation continue des personnes formatrices d’apprenti-e-s. Analyses de l’enquête en ligne – Rapport final. Renens: Haute école fédérale en formation professionnelle HEFP.
Zitiervorschlag
Rentsch, T. (2025). SwissEduPro: Ein Weiterbildungssystem macht die Berufsbildung noch besser. Transfer. Berufsbildung in Forschung und Praxis 10(2).