Thesen und Reflexionen
Weiterbildungsgesetz: Enttäuschte Hoffnungen
Das Weiterbildungsgesetz entpuppt sich für die Betroffenen immer mehr als Enttäuschung. Dem Bereich fehlen weiterhin die notwendigen Mittel, zum Beispiel für die oft sehr teuren Kurse für berufliche Wiedereinsteiger/innen. Die im Weiterbildungsbereich engagierten Verbände müssen sogar Kürzungen in Kauf nehmen. Die Weiterbildung – also die eidgenössisch nicht anerkannten beruflichen Bildungen – bilden zudem weiterhin ein Stiefkind des Forschungsbetriebs. Eine Bilanz von André Schläfli, der während 25 Jahren Direktor des Schweizerischen Verbandes für Weiterbildung (SVEB) war.
Am 1. Januar 2017 tritt das Weiterbildungsgesetz in Kraft. Als Akteure der Weiterbildung freuen wir uns darüber, denn mit dem Gesetz wird die Weiterbildung endlich als Teil des nationalen Bildungssystems anerkannt. Das ist auch eine Anerkennung der Arbeit, die wir im SVEB zusammen mit zahlreichen Partnern in den letzten zwanzig Jahren geleistet haben.
BFI-Botschaft
Die Organisationen der Weiterbildung müssen mit Kürzungen rechnen. Denn gewisse Stellen, welche die Weiterbildungsorganisationen bisher unterstützt haben, stellen ihre Förderung mit der Begründung ein, die Förderung erfolge künftig via Weiterbildungsgesetz.
Auch bezüglich Finanzen sind wir einen Schritt weiter gekommen. Die Botschaft zur Förderung von Bildung, Forschung und Innovation (BFI-Botschaft) stellt der Weiterbildung für die Jahre 2017-2020 insgesamt 24 Mio. Franken zur Verfügung. Wir mussten bis anhin immer wieder zittern, dass wir überhaupt noch unterstützt wurden.
Aber dieser Schritt ist äusserst bescheiden, wenn man bedenkt, dass die BFI-Botschaft 26.5 Milliarden verteilt. 0.1 Prozent für die Weiterbildung – das ist sehr wenig. Die 24 Mio. Franken für die Weiterbildung fliessen zudem grösstenteils in den Bereich Grundkompetenzen von Erwachsenen, die Bund und Kantone gemäss neuem Gesetz explizit fördern müssen. Sie aber bilden nur einen kleinen Teil der Weiterbildung. Die restlichen 2.7 Mio. Franken gehen an die Organisationen der Weiterbildung, zu denen auch der SVEB gehört. Ihre Situation hat sich durch das Weiterbildungsgesetz nicht verbessert, im Gegenteil: Die Organisationen müssen mit Kürzungen rechnen. Denn gewisse Stellen, welche die Weiterbildungsorganisationen bisher unterstützt haben – darunter die Kantone und einzelne Bundesämter –, stellen ihre Förderung mit der Begründung ein, die Förderung erfolge künftig via Weiterbildungsgesetz.
Dabei nützte es nichts, dass das Parlament die Mittel für die BFI-Botschaft 2017-2020 um 395 Mio. Franken aufgestockt hat. Die zusätzlichen Mittel fliessen in bereits gut unterstützte Bereiche – 100 Mio. an die Berufsbildung, 160 Mio. an den ETH-Bereich, 55 Mio. an die Universitäten und je 40 Mio. an die Fachhochschulen und die Technologiekompetenzzentren. Den bescheidenen Antrag für zusätzliche 8 Mio. Franken für die Weiterbildung hat das Parlament abgelehnt.
Ungleiche Behandlung der Absolvierenden
Die gut besuchten Zertifikate werden im Vergleich zu den Vorbereitungskursen einiges teurer werden. Diese Ungleichbehandlung von Absolventinnen unterschiedlicher Module innerhalb desselben Systems ist unbefriedigend.
In der höheren Berufsbildung unterstützt der Bund künftig alle Absolvierenden, auch jene, die bisher vom Arbeitgeber genügend Unterstützung erhielten. Weiterbildung – damit sind eidgenössisch nicht anerkannte berufliche Bildungen gemeint – hingegen wird zum überwiegenden Teil von den Teilnehmenden selbst finanziert. Und hier fehlen Unterstützungsgelder weiterhin, obwohl es in der Schweiz zahlreiche Personen gibt, die sich eine Weiterbildung schlicht nicht leisten können. Dasselbe gilt für Personen, die Grundkompetenzen nachholen sollten. Einige Kantone wie Zürich haben die Unterstützung für die Grundkompetenzen aktuell sogar gekürzt. Die Beiträge, die der Bund den Kantonen aufgrund des Weiterbildungsgesetzes für die Förderung der Grundkompetenzen zur Verfügung stellt, werden diese Kürzungen kaum ausgleichen können.
Es ist wahr: Ein Teil der Gelder für die höhere Berufsbildung fliesst in die Weiterbildung, denn die Vorbereitungskurse zu den eidg. Prüfungen gelten als non-formale Angebote des Weiterbildungsbereichs. Aber diese 100 bis 200 Millionen Franken führen zu neuen Ungleichheiten. Nehmen wir das Beispiel des eidg. Fachausweises Ausbilder/in. Modul 1, das zum SVEB-Zertifikat führt und nicht Teil des formalen Abschlusses ist, aber für den eidg. Fachausweis angerechnet wird, kommt die Teilnehmenden künftig im Vergleich zu den Modulen 2 bis 5 wesentlich teurer zu stehen. Bei den Modulen 2 bis 5 erhalten die Teilnehmenden nach neuem Finanzierungsmodell 50% der Kosten direkt vom Bund zurückerstattet. Diese Module werden also für die Absolventen massiv günstiger – sofern sie sich am Ende zur Prüfung anmelden.
In vielen anderen Branchen finden wir eine ähnliche Situation: Die gut besuchten Zertifikate werden im Vergleich zu den Vorbereitungskursen einiges teurer werden. Diese Ungleichbehandlung von Absolventinnen unterschiedlicher Module innerhalb desselben Systems ist unbefriedigend. Dass das Modul 1 (also das SVEB-Zertifikat) vom Bund nicht gefördert wird, ist besonders bedauerlich, da diese didaktische Basisqualifikation wesentlich zur Professionalität der Kursleitungen beiträgt und eine wichtige Rolle in der Qualitätssicherung der Weiterbildung spielt. Diese bildet ein wichtiges Ziel des Weiterbildungsgesetzes und sollte auch vom Bund gefördert werden.
Stiefkind Weiterbildungsforschung
Förderung wäre noch in weiteren Bereichen nötig, so bei den oft sehr teuren Kursen für berufliche Wiedereinsteiger/innen. Dabei handelt es sich um Kurse, die für den Arbeitsmarkt respektive für die Arbeitgeber einen ebenso wichtigen Stellenwert haben wie die Vorbereitungskurse zur höheren Berufsbildung.
Zu erwähnen ist schliesslich die Baustelle Weiterbildungsforschung, um die sich derzeit niemand kümmert. Auch hier führt das Weiterbildungsgesetz zu keiner Verbesserung. Der Bund hätte es in der Hand, die Weiterbildungsforschung anzustossen und mindestens dafür zu sorgen, dass Strukturdaten über das Weiterbildungssystem und die Anbieter erhoben würden. Das ist bislang nicht der Fall. Das Bundesamt für Statistik führt lediglich eine quantitative Teilnehmerbefragung und eine Betriebsbefragung durch. Eine Weiterbildungsforschung, die nicht nur Zahlen erfasst, sondern auch theoretische Fragen stellt und die Entwicklung der Weiterbildung vertieft analysiert, ist zurzeit noch in weiter Ferne. Möglicherweise wird das SBFI über die Ressortforschung einzelne Projekte unterstützen, beispielsweise eine Anbieterstatistik. Entsprechende Abklärungen sind in Gang.
Der SVEB engagiert zusammen mit den Lehrstühlen für Erwachsenenbildung an den Pädagogischen Hochschulen Zürich und Nordwestschweiz dafür, einen kontinuierlichen Austausch zu Fragen der Weiterbildungsforschung zu etablieren. Dazu haben wir eine gemeinsame Tagungsreihe, unterstützt vom SBFI, initiiert. Im September fand eine erste internationale Forschungstagung statt. Parallel dazu planen wir zusammen mit den beiden PH, ein Netzwerk Weiterbildungsforschung aufzubauen. Dieses Netzwerk startet im Herbst 2016 und steht allen Interessierten offen.
Zitiervorschlag
Schläfli, A. (2016). Weiterbildungsgesetz: Enttäuschte Hoffnungen. Transfer. Berufsbildung in Forschung und Praxis 1(2).