Annette Krauss arbeitet an der Interkantonalen Hochschule für Heilpädagogik als wissenschaftliche Mitarbeiterin. Sie führt die Studie zusammen mit Matthias Pfiffner (wissenschaftlicher Mitarbeiter) und Pia Georgi-Tscherry (Dozentin und Projektleiterin) am Institut für Sozialpädagogik und Bildung ISB der Hochschule Luzern – Soziale Arbeit durch.
Mehr als jeder vierte Jugendliche und junge Erwachsene sagt von sich, er sei beeinträchtigt. Die Betroffenen berichten von Schwierigkeiten bei der Bewältigung von schulischen oder betrieblichen Anforderungen und einem reduzierten Wohlbefinden. Ein Teil von ihnen erhält einen Nachteilsausgleich. Er wird vor allem von Personen genutzt, die Lese-Rechtschreibstörungen haben, gefolgt von ADHS und körperlichen Beeinträchtigungen. An den Schulen sind zwar zunehmend Wissen und Erfahrung vorhanden, wie man mit dem Nachteilsausgleich umgeht. Bei der Umsetzung bestehen aber auch Unsicherheiten. Das Projekt «Enhanced Inclusive Learning» zeigt Erfahrungen, Einstellungen und Umsetzungsmöglichkeiten.
Der Übergang von der Schule in die Berufsbildung und später ins Erwerbsleben stellt für Jugendliche mit einer Beeinträchtigung eine besondere Herausforderung dar. In den letzten Jahren haben verschiedene Reformen dazu beigetragen, diesen Übergang zu erleichtern. Spezielle Massnahmen für Jugendliche mit einer Beeinträchtigung gibt es auf Sekundarstufe II jedoch vergleichsweise wenige. Ein wichtiges Instrument ist der Nachteilsausgleich, den Jugendliche mit einem ärztlichen Attest anfordern können. Er soll Massnahmen zur Unterstützung beim Lernen oder bei Prüfungen ermöglichen, aber keine inhaltliche Anpassung der Lernziele.
Während Jugendliche mit Lernstörungen spezifische Schwierigkeiten bei der Bewältigung von Anforderungen in der Schule zeigen, wirkt sich eine eingeschränkte psychische Gesundheit umfassender auf die Situation der Betroffenen aus.
Um mehr über die Situation von Lernenden mit einer Beeinträchtigung auf Sekundarstufe II und dem Umgang mit dem Nachteilsausgleich zu erfahren, führten die Interkantonale Hochschule für Heilpädagogik (HfH) und die Hochschule Luzern – Soziale Arbeit (HSLU) die Studie «Enhanced Inclusive Learning» durch. Neben der Erhebung des Wohlbefindens und der Anforderungsbewältigung von betroffenen Jugendlichen wurden die Umsetzung des Nachteilsausgleichs, Erfahrungen und Einstellungen sowie der Unterstützungsbedarf der Lehrpersonen ermittelt. Die Studie wurde vom Eidgenössischen Büro für die Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen (EBGB) und Stiftungen finanziell unterstützt.
Die Studie umfasste zwei Erhebungen, eine quantitative Befragung in Schulklassen mit mindestens einer Person mit Nachteilsausgleich und eine qualitative Vertiefung. Insgesamt nahmen 66 Klassen aus Mittel- und Berufsfachschulen aus zehn Deutschschweizer Kantonen teil. Die Stichprobe bestand damit aus 907 Jugendlichen im Alter von 14 bis 24 Jahren; von ihnen bezogen 60 Jugendliche einen Nachteilsausgleich. Mit einzelnen von ihnen und ihren Lehrpersonen wurden im Rahmen des qualitativen Forschungsteils 24 Interviews durchgeführt.
Beeinträchtigungen auf Sekundarstufe II
Etwas mehr als jeder vierte befragte Jugendliche bzw. junge Erwachsene (27%) gab an, eine Beeinträchtigung zu haben. Dabei handelt es sich um Selbstauskünfte und nicht zwangsläufig um medizinisch diagnostizierte Behinderungen oder Erkrankungen. Psychische Beeinträchtigungen wurden am häufigsten genannt (8%), gefolgt von körperlichen und chronischen Beeinträchtigungen (7%), Lese-Rechtschreibstörungen (LRS, 7%) und Aufmerksamkeitsdefizit-(Hyperaktivitäts-)Störungen (ADHS, 6%). Anzumerken ist, dass die Auftretenshäufigkeit der Beeinträchtigungen aufgrund der Auswahl von Klassen mit Jugendlichen mit Nachteilsausgleich gegenüber einer repräsentativen Stichprobe etwas verzerrt sein dürfte. So ist anzunehmen, dass insbesondere Jugendliche mit Lese-Rechtschreibstörungen in der Stichprobe überrepräsentiert sind (7% gegenüber ca. 5% bei Schulte-Körne, 2010).
Zitiervorschlag
Krauss, A., & Schellenberg, C. (2020). Zumeist hilfreich. Transfer. Berufsbildung in Forschung und Praxis 5(3).
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