Berufsbildung in Forschung und Praxis
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Interview mit Nicole Steiner, SwissSkills

Gen Z: Wertschätzung ist wichtiger als ein hoher Lohn

SwissSkills fördert die Durchführung von Berufsmeisterschaften. Nun zeigt die Organisation in einer Studie, welche Erwartungen die Generation Z an die Arbeitswelt hat. Chefs sollten auch mit Lernenden auf Augenhöhe verkehren. Junge Leute wechseln ihre Arbeit vor allem, wenn die Wertschätzung fehlt.


Nicole Steiner, Leiterin Organisationsentwicklung bei SwissSkills.

Nicole Steiner, SwissSkills hat 600 Teilnehmerinnen und Teilnehmer von Berufsmeisterschaften befragt. Welches sind die wichtigsten Erkenntnisse?

Die Studie umfasst drei Teile. Sie zeigt erstens, dass der wichtigste Grund für die Wahl eines Arbeitgebers ein gutes Arbeitsklima und ein gutes Team sind. 94% der Frauen und 87% der Männer haben sich so geäussert. Diese Leute lassen sich zweitens am besten führen, wenn man ihnen Wertschätzung, Vertrauen und Respekt entgegenbringt. Drittens fragten wir, warum junge Menschen eine Firma verlassen würden. Auch hier sind zwischenmenschliche Aspekte zentral: Schlechtes Betriebsklima, mangelnde Wertschätzung und Unzufriedenheit mit der Führungsperson sind die Hauptmotive.

Das sind doch alles Dinge, die selbstverständlich sein sollten.

Wir wissen nicht, wie häufig junge Fachkräfte schlechte Führung oder miese Stimmung im Team erleben. Das dürfte je nach Branche auch unterschiedlich sein. Laut dem «Barometer gute Arbeit» von 2022 erleben 77% der Befragten in hohem Masse «Sinn bei der Arbeit und Wertschätzung».

Die Generation Z (Gen Z) legt hohen Wert auf Wertschätzung. War das vor zwanzig Jahren wirklich anders?

Ich bin 43. Als ich zur Schule ging, waren emotionale Kompetenz, flache Hierarchien oder Teilzeitarbeit kaum ein Thema. Diese Dinge sind in den letzten zwanzig Jahren wichtig geworden – auch dank der Medien. Heute haben junge Leute mehr Möglichkeiten und können Bedingungen stellen. Früher wollte man etwas erreichen. Das will man heute auch. Aber weniger, um gut dazustehen, sondern um etwas Sinnvolles zu tun. Mir gefällt das.

Sie haben SwissSkills-Teilnehmer befragt. Die können selbstbewusst Respekt einfordern. Gelten die Ergebnisse trotzdem für alle?

Den jungen Leuten sind der Zusammenhalt im Team, ehrliches Feedback, Anerkennung und Wertschätzung bei der Arbeit besonders wichtig. Sie möchten zudem an einem Ort arbeiten, an dem sie etwas Sinnvolles tun können und sich wohlfühlen.

Wir sehen auch in anderen Studien, dass die Gen Z Sinnfragen stellt, Interaktion auf Augenhöhe wünscht, Vertrauen erwartet. Im Frühling ergab eine Studie von Deloitte, dass junge Leute ihre letzte Stelle hauptsächlich darum kündigten, weil die Arbeit nicht erfüllend oder sinnvoll war. Die Studie «Junge Schweizer*innen 2023» zeigt, dass der Zusammenhalt im Team, ehrliches Feedback, Anerkennung und Wertschätzung bei der Arbeit besonders wichtig sind. Diese Leute möchten zudem an einem Ort arbeiten, an dem sie etwas Sinnvolles tun können und sich wohlfühlen.

Und wie wichtig ist der Lohn?

Es ist weder für Frauen noch für Männer das Hauptkriterium bei der Wahl des Unternehmens – auch wenn das nach Branchen differiert. Auch wenn man fragt, welche Gründe einen Firmenwechsel auslösen würden, sind Faktoren wie flexiblere Arbeitszeiten oder der Wunsch, eine neue Arbeitsumgebung kennenzulernen, wichtiger als der Lohn.

Hohe Wertschätzung statt hoher Lohn: Wie erklären Sie sich diesen Fokus?

Vielleicht konsumiert die Generation Z anders als wir es taten. Vor zwanzig Jahren wollte jeder ein Auto haben, heute nimmt die Zahl der neu eingelösten Autos ab. Die materiellen Ansprüche der jungen Leute sind kleiner, nicht Materielles wichtiger geworden.

Wie betriebstreu ist die Gen Z?

Drei von vier Befragten sind derzeit nicht an einem Arbeitsplatzwechsel interessiert. Eine andere Zahl: 49% der Männer können sich vorstellen, länger als vier Jahre in ihrem derzeitigen Unternehmen zu bleiben, und 34% der Frauen. Die Loyalität zum Arbeitgeber ist hoch, wenn das Gesamtpaket stimmt. Auch Arbeitsplatzsicherheit ist für die Gen Z wichtig, obwohl diese Leute gute Chancen haben, alternative Beschäftigung zu finden.

Ihre Studie sagt: Viele aus der Gen Z würden lieber für eine Firma arbeiten, die ihnen einen Sinn gibt als für eine, die mehr zahlt. Was heisst «Sinn»?

Wir haben das nicht exakt definiert. Ich würde den Begriff aber breit verstehen. Er bedeutet, dass der Gegenstand der Arbeit sinnvoll ist – in der Alterspflege etwa. Oder dass man die Arbeit eigenverantwortlich verrichten kann. Das setzt Vertrauen voraus – und genau das ist eine Form von Wertschätzung.

Glauben Sie, dass Jugendliche in der Lehre solche Wertschätzung erfahren?

Da gibt es sicher noch Luft nach oben – das ist ein Grund, warum wir diese Untersuchung durchgeführt haben. Heute reicht es nicht mehr, den Lernenden Aufträge zu erteilen; die Gen Z will verstehen, warum sie den Auftrag erhält. Das betrifft auch angestellte Personen. Hier muss ein Wandel stattfinden.

Sie sagten, dass es Ihnen gefällt, wie die Gen Z denkt. Gibt es Dinge, die Sie kritisch sehen?

Die jungen Erwachsenen wollen eine gute Work Life Balance. Ich sehe aber eher ein Work Life Blending, also das Verschwimmen der Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit.

Die jungen Erwachsenen wollen eine gute Work Life Balance. Ich sehe aber eher ein Work Life Blending, also das Verschwimmen der Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit. Wer zwischendurch einen Tag frei nimmt, klickt auch sonntags Mails an. Dann ist man ständig online: Bei der Arbeit auch für Privates und zuhause auch für die Arbeit. Das führt an beiden Orten zu Konflikten.

Es gibt auch Leute, die sagen: Die Jugendlichen sind nicht mehr belastungsfähig.

Ältere unterliegen gerne der Versuchung, die Jüngeren kritisch zu sehen, das war schon bei Sokrates so. Kritisch ansprechen möchte ich die Bereitschaft von jungen Leuten, eine Extrameile zu gehen. Wer an den Wettbewerben von SwissSkills teilnimmt, muss rund 800 Stunden investieren. Wir erleben, dass immer mehr Teilnehmende zwischendurch motiviert werden müssen, diesen Aufwand zu treiben. Was sie dank SwissSkills erreichen können, so glauben sie, erreichen sie auch so. Die Zahl an Alternativen, die junge Erwachsene heute haben, ist gross: Anderer Arbeitgeber, Weiterbildung, Ausland, Rückzug ins Private. Da fällt es manchem schwerer, fokussiert zu bleiben.

Dieses Interview erschien zuerst in «Alpha» des Tages-Anzeigers.
Studie «Erwartungen der Gen Z an die Arbeitswelt»

Zitiervorschlag

Fleischmann, D. (2023). Gen Z: Wertschätzung ist wichtiger als ein hoher Lohn. Transfer. Berufsbildung in Forschung und Praxis 8(1).

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