Berufsbildung in Forschung und Praxis
Herausgeberin SGAB Logo

Durch fächerübergreifende Projekte Schreibentwicklung fördern

Schreiben für den Beruf

Das Thema dieses Artikels – die Förderung von Schreibentwicklung – steht auch in Zusammenhang mit der Schreibkompetenzentwicklung. Schreiben ist ein komplexer Prozess und es ist unbestritten, dass schreibprozessbezogene Teilfähigkeiten unter anderem auch durch Üben und kontinuierliche Schulung entwickelt werden müssen. Schreiben ist keine One-Size-fits-all-Kompetenz (Russell, 2001), sodass auch spezifische Kenntnisse und Konventionen der verschiedenen Fachrichtungen und Disziplinen im Schreibunterricht berücksichtigt werden müssen. Fächerübergreifende, realitätsnahe und authentische Schreibprojekte sind dabei zentral, wie theoretische Konzepte aus der Schreibforschung und -didaktik zeigen. Je ein Praxisbeispiel aus einer Höheren Fachschule für Technik und einer technisch ausgerichteten Fachhochschule sowie Forschungsergebnisse der beiden Autorinnen (Venetz, 2022; Karras, 2017) illustrieren die dargestellten Konzepte.


Konzepte der Schreibdidaktik – WAC, WID und WTL

Schreiben findet in seiner Funktion als Denkmedium für das Lernen in den Fächern noch immer zu wenig Beachtung, weshalb das Schreiben im Fachunterricht auch oft als ein «schlafender Riese» bezeichnet wird.

Schreiben ist eine Fähigkeit, die in der rasant digitalisierten Welt eine zentrale Rolle spielt (Deloitte, 2017) und nur kontinuierlich, über längere Zeit und durch Übung entwickelt werden kann. Die Integration eines Schreibcurriculums in die Lehrpläne berufsorientierter Bildungs- und Studiengänge ist demzufolge eine besondere Aufgabe des Bildungsmanagements, damit Lernende und Studierende während der Ausbildung nicht nur ihre Fach-, sondern auch ihre Schreibkompetenzen entwickeln können.

Hierfür geeignete schreibdidaktische Konzepte entstanden bereits in den 70er- und 80er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts an mehreren amerikanischen Universitäten. Sie wurden inzwischen an etlichen Hochschulen auch in Europa etabliert und weiterentwickelt (Theiss et al., 2019) und finden zunehmend Eingang in die berufliche Grundbildung (Hoefele & Madlener-Charpentier, 2021)[1] bzw. in die Höhere Berufsbildung (Venetz, 2022). Nachfolgend werden drei solche Konzepte vorgestellt: das übergeordnete Konzept Writing Across the Curriculum (WAC) und die darin eingeordneten Teilkonzepte Writing to Learn (WTL) bzw. Writing in the Disciplines (WID) (WAC Clearinghouse, o. J.).

Dem Konzept WAC liegt die Idee zugrunde, dass Schreiben über die ganze Ausbildungsdauer verteilt geübt werden soll. Stufengerechte Schreibaufgaben, einzeln oder in zusammenhängenden Schreibarrangements zusammengefasst (Bräuer & Schindler, 2011), berücksichtigen den jeweiligen Entwicklungsstand von Lernenden oder Studierenden und werden einerseits in Modulen bearbeitet, die je nachdem «Deutsch», «schriftliche Kommunikation» o.ä. genannt werden. In solchen Modulen geht es nebst der Vermittlung von Wissen zu sprachlichem Ausdruck und sprachlicher Korrektheit vor allem darum, Ressourcen und Vorgehensweisen zur Verfügung zu stellen, um den Schreibprozess aktiv und effizient gestalten zu können. Andererseits fordert das Konzept dazu auf, dass auch in den fachspezifischen Modulen regelmässig und vielfältig geschrieben werden soll. Durch solch breit gestreute Schreibanlässe können sich die Schreib- und Kommunikationskompetenzen so entwickeln, dass die Lernenden und Studierenden ihre Ausbildung erfolgreich abschliessen können und für den Beruf vorbereitet sind.

Die beiden Teilkonzepte Writing to Learn (WTL) und Writing in the Disciplines (WID) fokussieren unterschiedliche Schwerpunkte. Bei WTL steht das reflexive und forschende Schreiben im Mittelpunkt. Das Konzept umfasst spontane, informelle Schreibaktivitäten, die Lernenden und Studierenden helfen, Schlüsselinformationen einer Lehrveranstaltung schreibend zu verstehen. Mittels kleiner Aufgaben im Unterricht (z.B. Mindmap, zusammenfassende Notizen, Reflexion einer bestimmten Frage) oder auch mit etwas längeren Aufgaben zuhause (z.B. Zusammenfassung eines zu lesenden Textes) stellen Schreibende Lerninhalte für sich selbst dar und reflektieren und verarbeiten sie (WAC Clearinghouse, o.J.). Die dabei entstehenden Darstellungen und Texte sind selbstorientiert, das heisst, es handelt sich um sogenannte writer-based prose (Flower, 1979), die nicht auf die Kommunikation nach aussen abzielt.

Demgegenüber beinhaltet das Konzept WID, im deutschen Sprachraum auch domänenspezifisches Schreiben oder Schreiben in den Disziplinen genannt, Schreibaufgaben und -aktivitäten, welche die Lernenden und Studierenden in die sprachlichen und formalen Konventionen fachspezifischer Textsorten einführen. Beispielsweise setzen sich Studierende an tertiären Ausbildungsstätten durch Schreiben von Laborberichten, Projektberichten oder Fallstudien vertieft mit Inhalten von Lehrveranstaltungen auseinander und es werden damit insbesondere auch das kritische Denken, das Argumentieren und die Analysefähigkeit im Hinblick auf Lehrinhalte gefördert. Gleichzeitig bereiten solche Aufgaben auf das berufliche Schreiben vor (WAC Clearinghouse, o.J.). Schreiben dient somit der Kommunikation und erlaubt, eigene Gedanken auch anderen zugänglich zu machen. Die entstehenden Texte sind adressatenorientiert gestaltet, das heisst, es handelt sich um reader-based prose (Flower, 1979).

Im Unterricht sollten immer beide soeben beschriebenen Teilkonzepte ihren Platz finden. Dabei können WTL-Strategien von Dozierenden individuell und spontan verwendet werden, während die Vorbereitung von WID-Aktivitäten aufwendiger ist. Besonders geeignet für deren Umsetzung sind fächerübergreifende Settings, bei dem authentische und realitätsnahe Schreibarrangements bearbeitet werden. Durch die Authentizität der Aufgaben entstehen Texte, die in der Kommunikation nach aussen wirken, das heisst, die auf die Adressatinnen und Adressaten ausgerichtet sind. Im Folgenden wird auf diese drei Aspekte von WID-basiertem Unterricht näher eingegangen.

Fächerübergreifender Unterricht

Um eine Schreibsituation erfolgreich zu meistern, benötigen die Schreibenden Kompetenzen in mehreren Bereichen (nach Beaufort 2014, 162): neben inhaltlichem auch rhetorisches Wissen sowie Schreibprozess- und Textsortenwissen, insbesondere auch Kenntnis der Kommunikationsziele innerhalb ihrer Fachgemeinschaft. Darüber hinaus findet Schreiben in seiner Funktion als Denkmedium für das Lernen in den Fächern noch immer zu wenig Beachtung, weshalb das Schreiben im Fachunterricht auch oft als ein «schlafender Riese» bezeichnet wird (Thürmann et al. 2015, S. 32).

Deshalb sollte, um die Schreibentwicklung von Lernenden oder Studierenden effizient und wirkungsvoll zu fördern, Schreiben in den Fach- und Sprachmodulen gleichzeitig stattfinden, Sprach- und Fachdozierende sollten disziplinübergreifend unterrichten.

Authentische Schreibaufgaben

Als effektiv hat sich bei der Umsetzung des WID-Konzepts und besonders für den fächerübergreifenden Unterricht die Arbeit mit Aufgabenszenarien erwiesen, die sich an berufsspezifischen Kommunikations- und Handlungssituationen orientieren. Durch solche Schreibaufgaben und die Einbettung in ein Szenario lernen Schreibende fokussiert und zielgruppenorientiert zu schreiben, da sie beispielweise für einen inszenierten Investor oder eine (reale) Auftraggeberin sowohl verständlich und nachvollziehbar als auch fachspezifisch und der Kommunikationssituation angemessen schreiben müssen.

Bräuer und Schindler (2011) sprechen in diesem Zusammenhang von «authentischen» Schreibaufgaben, die für die Ausführenden von hohem Gebrauchswert sind. Das bedeutet, dass die Aufgaben durch ihre Situiertheit im Unterrichts- oder Berufskontext auch Transfers ermöglichen und Gelegenheiten bieten, persönlich bedeutsame Erkenntnisse zu erarbeiten. Schreibende erleben damit Wissen und Techniken, die sie im Schreibunterricht erarbeitet haben, als wertvoll, weil sie diese in einem technischen Fach oder im Beruf direkt anwenden können, etwa beim Verfassen einer Semester- bzw. Projektarbeit. Sie erleben Schreiben «nicht als ‘Pflichtübung’ für die Lehrperson» (Hoefele & Madlener-Charpentier, 2021), sondern als sinnvolle und notwendige Tätigkeit, um ihre eigenen Anliegen wirkungsvoll darzustellen und zu vermitteln. Damit kann gleichzeitig die Motivation für eine nicht immer beliebte Tätigkeit gestärkt werden.

In dem Falle, wo Texte, z.B. eine Projektstudie, für reale Auftraggebende verfasst werden, treten Schreibende mit Adressatinnen und Adressaten in direkte Interaktion. So können darauf basierend Anschlusshandlungen ausgeführt werden, indem beispielsweise aufgrund der Projektstudie über die Durchführung des Projekts entschieden wird. Mit diesem Aspekt erfüllen Texte eine weiter gefasste Funktion als jene der reinen Dokumentation; Schreiben wird zu sprachlich-kommunikativem Handeln im Fachbereich (Pogner, 1999).

Damit Texte überzeugen und ihre Leserinnen und Leser zu gewünschten Handlungen bringen, müssen sie adressatenorientiert verfasst sein. Welche Merkmale Adressatenorientierung ausmachen, zeigt der nächste Abschnitt.

Adressatenorientiert schreiben

Vertreterinnen und Vertreter aus der Industrie und Wirtschaft wurden gefragt, über welche kommunikativen Fähigkeiten Ingenieure und Ingenieurinnen verfügen müssten. Sie nannten als wichtigste Teilkompetenzen «logisch und nachvollziehbar formulieren, präzise formulieren und zielgruppenadäquat schreiben».

Leserinnen und Leser bringen unterschiedliches Vorwissen mit, interessieren sich für unterschiedliche Themen und stellen eigene Ansprüche an Texte. Das thematische Vorwissen, die Erwartungen und die Verständnisvoraussetzungen der Leserinnen und Leser müssen daher berücksichtigt werden. So sollte beim Schreiben zielgruppengerechter Texte nichts Unbekanntes vorausgesetzt und Bekanntes nicht oder nur knapp dargestellt werden.

In einer Studie über arbeitsplatzbezogene Kommunikationskompetenzen (Karras, 2017) konnte gerade für das beruflichen Schreiben gezeigt werden, dass zielgruppengerechtes Schreiben eine wichtige Teilkompetenz ist. Ingenieure und Ingenieurinnen etwa müssen technische Zusammenhänge für spezifische Anspruchsgruppen nachvollziehbar und verständlich formulieren und schriftlich darstellen (Karras, 2017). Eine Interview-basierte Studie zur Qualität von Diplomarbeiten an Höheren Fachschulen zeigt, dass Absolvierende von technischen HF-Lehrgängen zwar am Arbeitsplatz weniger Zeit mit Schreiben verbringen als Ingenieurinnen und Ingenieure, da sie stärker in die operativen Geschäfte involviert sind. Trotzdem kommunizieren sie regelmässig entweder intern mit Vorgesetzten bzw. Mitarbeitenden oder extern mit Kundinnen bzw. Auftraggebern; deshalb ist auch für sie Adressatenorientierung in den verfassten Dokumenten sehr wichtig (Venetz, 2022).

Auch in einer Bedarfsanalyse zur Förderung von kommunikativen Kompetenzen im Ingenieurstudium an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (2015) wurden Vertreterinnen und Vertreter aus der Industrie und Wirtschaft befragt, über welche kommunikativen Fähigkeiten Ingenieure und Ingenieurinnen verfügen müssten. Sie nannten als wichtigste Teilkompetenzen «logisch und nachvollziehbar formulieren, präzise formulieren und zielgruppenadäquat schreiben» (Karras et al., 2015).

Doch häufig fehlen im unterrichtlichen Kontext gerade die Adressaten und Adressatinnen in Schreibprozessen, was ein wiederkehrendes Problem ist, wie eine Studie über Schreibstörungen zeigen konnte (Keseling, 2014). Die Schreibenden wissen dann häufig nicht, für wen sie die jeweilige Schreibaufgabe verfassen und an wen sich ihre Texte richten. Die beiden folgenden Unterrichtsbeispiele zeigen u.a., wie dieser Problematik begegnet werden kann.

Praxisbeispiele

Die erläuterten Prinzipien werden schon heute an Höheren Fachschulen und Fachhochschulen umgesetzt. In ausgewählten Modulen unterrichten Sprach- oder Kommunikationsdozierende gemeinsam mit Fachlehrenden. Die Studierenden schätzen diese Unterrichtsform und es werden in der Regel gute Lernerfolge erzielt.

Praxisbeispiel Höhere Fachschule: Semesterarbeit

An einer Höheren Fachschule für Technik wird im ersten Semester im Lehrgang «Prozesstechnik» das Modul «Schreiben und Präsentieren» mit dem Modul «Projekte und Prozesse» verknüpft und in fächerübergreifender Zusammenarbeit eine Semesterarbeit als Schreibaufgabe gestellt. Im Modul «Projekte und Prozesse» werden hierfür im Verlauf des Semesters anhand eines realen Projekts aus dem beruflichen Umfeld der Studierenden verschiedene Dokumente zu einzelnen Unterrichtsthemen des Prozess- und Projektmanagements erstellt. Auf Semesterende werden diese Dokumente zu einer zusammenhängenden Projektstudie zusammengefügt. Die Arbeit wird inhaltlich von der Fachlehrperson und formal bzw. sprachlich von der Lehrperson für schriftliche Kommunikation begleitet, eingefordert und separat als Leistungsnachweis «Semesterarbeit» bewertet.

Im Sinne von Scaffolding[2] wird bereits zu einem früheren Zeitpunkt im Semester ein bestimmtes Dokument aus dem Technikfach im Sprachfach im Hinblick auf Form und Sprache beispielhaft bearbeitet und bewertet. Normalerweise kann der Text aus dem Technikfach eher als writer-based prose (s.o., WTL) betrachtet werden, was auch die explizite Verwendung von Fachvokabular, die Beschreibung von Prozessen in Stichworten oder deren Darstellung in Form von Matrizen anstelle von zusammenhängendem Text umfassen kann. Im Sprachfach wird dieser Text weiterbearbeitet und zu reader-based prose (s.o., WID) weiterentwickelt, indem Aspekte der Textqualität wie Verständlichkeit, Adressatenorientierung, aber auch Textstruktur, Visualisierungsqualität und schliesslich korrekte Sprache berücksichtigt werden. Ziel ist es, das Bewusstsein für die unterschiedlichen Funktionen des Schreibens von writer-based und reader-based prose zu wecken. Zudem sollen die Studierenden das Gefühl für Textqualität entwickeln und gleichzeitig dafür notwendige sprachliche Mittel erhalten, um diese umzusetzen.

Indem die Studierenden über ein Projekt aus ihrem Arbeitsalltag und ihrem Studienfach schreiben, ist die Situiertheit und Authentizität der Schreibaufgaben gewährleistet; sie können für sich bedeutsame Erkenntnisse gewinnen. Zudem ist die Semesterarbeit im ersten Semester eine wichtige Vorübung für das Schreiben von Fallstudien in höheren Semestern und schliesslich der Diplomarbeit, für die eine Projektstudie oder ein Projekt durchgeführt und in einem Bericht dokumentiert werden muss. Gleichzeitig bereitet sie auf adressatengerechte berufliche Kommunikation mit Auftraggebenden und Kundinnen oder Kunden vor. Nicht zuletzt entsprechen diese Fertigkeiten den Handlungskompetenzen, die im seit 2022 gültigen Rahmenlehrplan für Höhere Fachschulen im Bereich Kommunikation gefordert werden (Venetz 2022).

Seit Sommer 2021 werden im Technikfach nur noch die einzelnen Teilaufgaben als Leistungsnachweise eingefordert, die vollständige Semesterarbeit hingegen wird lediglich im Sprachfach verlangt. Auch wurde die Lektionenzahl im Sprachfach um fast ein Drittel gekürzt. Als Folge dieser Änderung wird beobachtet, dass sich die Textqualität der Semesterarbeit generell verschlechtert hat.3

Praxisbeispiel Fachhochschule: Projektmodul

In den technischen Studiengängen der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften wird in Projektmodulen wissenschaftliches und berufliches Schreiben in Anbindung an fachliche Inhalte unterrichtet. Das Projektmodul ist ein interdisziplinäres, integriertes Unterrichtsformat, in dem fächerübergreifend unterrichtet wird. Sprach- und Fachdozierende konzipieren, planen, unterrichten und bewerten dabei kooperativ. Das Unterrichtskonzept wird in allen Ingenieurstudiengängen der School of Engineering umgesetzt, wobei sich die konkrete Ausgestaltung an den fachspezifischen Ausprägungen der jeweiligen Studiengänge orientiert.

Die Studierenden arbeiten in diesen schreibintensiven Projektmodulen in kleinen Lerngruppen (in der Regel unter zwanzig Teilnehmenden), wodurch eine intensive Betreuung durch Fach- und Sprachdozierende möglich wird. Innerhalb dieser überschaubaren Lerngruppen sind sie meist noch einmal aufgeteilt in Projektteams (etwa fünf bis sieben Studierende), in denen sie selbständig an ihren Projekten arbeiten. Auf alle schriftlichen Dokumente erhalten die Studierenden Feedback von Fach- und Sprachdozierenden.

Der Vorteil gegenüber rein fachspezifischen Schreibkursen besteht darin, dass hier neben Fachdozierenden auch ausgebildete Schreibdidaktiker und -didaktikerinnen sowohl an der Konzeption als auch der Durchführung der Projektmodule beteiligt sind, denn Fachdozierende verfügen häufig nur über implizites Wissen in Bezug auf Konventionen fachlichen Schreibens und sind somit nicht ausreichend in der Lage, Schreiben auch explizit und didaktisch angemessen zu unterrichten (vgl. auch Beaufort 2007, S. 14 f).

Fazit: Umsetzung der Konzepte in der Bildungsinstitution

Die beschriebenen schreibdidaktischen Konzepte umzusetzen, stellt in berufsorientierten Ausbildungs- und Studiengängen eine wichtige Aufgabe im Rahmen des Bildungsmanagements dar.

Die beschriebenen schreibdidaktischen Konzepte umzusetzen, stellt in berufsorientierten Ausbildungs- und Studiengängen eine wichtige Aufgabe im Rahmen des Bildungsmanagements dar. Das Konzipieren und Implementieren eines Schreibcurriculums, in dem auch fächerübergreifender Unterricht einen Platz einnimmt, ist dabei zentral, denn nur wenn solche Konzepte institutionell verankert und verstetigt werden, sind sie auch effektiv. Ist ein Konzept nicht nachhaltig gesichert, leidet die Qualität des Unterrichts und der entstehenden Texte (vgl. Fussnote 3).

In Anlehnung an die Gestaltungsebenen des St. Galler Managementmodells[4] lässt sich eine Reihe von Aufgaben definieren:

  • Auf der normativen Ebene (Makro-Ebene) müssen durch klare Vorgaben die Leistungsziele hinsichtlich der Schreibkompetenz und der daraus erwarteten Produkte (z. B. Master- bzw. Diplomarbeit) definiert werden. Zu beachten ist, dass Aufgabenstellungen zur Zielüberprüfung handlungsorientiert und berufsrelevant gegeben werden.
  • Zur strategischen Ebene (Meso-Ebene) gehört, dass bei der Entwicklung der Lehrpläne schreibdidaktische Grundsätze berücksichtigt werden. Schreibkompetenz soll verbunden mit Fachkompetenz und somit fächerübergreifend entwickelt werden. Schreibentwicklung wird während der gesamten Ausbildungsdauer gefördert. Wichtig ist deshalb, die fächerübergreifenden Projekte curricular zu verankern und Lehrpläne entsprechend zu gestalten.
  • Auf der operativen Ebene (Mikro-Ebene) ist es wichtig, dass Unterrichtspläne und Unterlagen für den Unterricht nach schreibdidaktischen Grundsätzen und mit dem Ziel einer umfassenden Schreibentwicklung gestaltet sind. Fächerübergreifende Aktivitäten werden von Schreib- und Fachdozierenden gemeinsam und nach den Konzepten von WTL und WID geplant.
    Auf der operativen Ebene sind ausserdem Schulung und Entwicklung von Dozierenden angesiedelt, die im Fachunterricht Schreibaufgaben stellen und begleiten. In Weiterbildungen durch schreibdidaktische Fachpersonen sollten Fachdozierende mit den hier beschriebenen schreibdidaktischen Konzepten vertraut werden, damit sie die Wichtigkeit und die Funktion des Schreibens in ihrem Fach erkennen. Fach- und Sprach-Dozierende sollten von einem gemeinsamen Verständnis für Schreibentwicklung ausgehen und «am gleichen Strick ziehen».

Zusammenfassung

Schreiben ist eine Tätigkeit, die über längere Zeit geübt und entwickelt werden muss. Für (Hoch)schulen bedeutet dies, ein geeignetes Schreibcurriculum anzubieten. In diesem Artikel werden mit WAC (Writing Across the Curriculum), WTL (Writing to Learn) und WID (Writing in the Disciplines) drei Konzepte vorgestellt, deren Umsetzung gezielte Schreibentwicklung ermöglicht. Mittels authentischer, realitätsnaher Schreibaufgaben werden Lernende und Studierende schrittweise auf das Schreiben im Beruf vorbereitet, indem fachspezifische und damit auch adressatenorientierte Textsorten gezielt geübt werden. Der Artikel zeigt, dass fächerübergreifender Unterricht besonders geeignet ist, gleichzeitig Fachwissen zu dokumentieren und die Handlungswelten des Fachs kennenzulernen sowie sprachliches und prozedurales Wissen zum Schreiben zu erwerben. Durch die Beteiligung von Sprach- und Fachdozierenden am fächerübergreifenden Unterricht werden diese beiden für das berufliche Schreiben wichtigen Bereiche verknüpft, das angeeignete Wissen kann sowohl auf Ausbildung und Beruf transferiert werden. Je ein Beispiel einer Höheren Fachschule für Technik und einer Fachhochschule mit technischer Ausrichtung illustrieren, wie diese Prinzipien erfolgreich umgesetzt werden können.

Als Ausblick wird festgehalten, wie im Bildungsmanagement von Institutionen ein Schreibcurriculum nach Grundsätzen von WAC, WTL und WID konzipiert werden kann. Die nachhaltige institutionelle Verankerung ist dabei wichtig, denn deren Fehlen führt zu Qualitätseinbussen von Unterricht und geschriebenen Texten. Für die Umsetzung schlagen die Autorinnen vor, Lehr- und Unterrichtspläne nach schreibdidaktischen Prinzipien zu erstellen, fächerübergreifende Schreibaufgaben darin zu integrieren und auch Dozierende in technischen Fächern schreibdidaktisch zu schulen. Damit können diese die Wichtigkeit des Schreibens in ihrem Fach erkennen und bei fächerübergreifender Zusammenarbeit «am gleichen Strick» ziehen.

[1] Die Autorin und der Autor berichten über eine trinationale Studie zu den Schreibkompetenzen von Berufslernenden, an der sie als Vertretende der ZHAW beteiligt waren. Sie zeigen u.a., dass für die Schreibförderung im allgemeinbildenden Unterricht an Berufsfachschulen schreibdidaktische Konzepte wie die Arbeit mit realitätsnahen Szenarien oder die Verschränkung von Lese- und Schreibaktivitäten sinnvolle und erfolgversprechende didaktische Ansätze darstellen.
[2] Wood, Bruner und Ross (1976) haben mit dem Begriff des «scaffolding» eine Metapher geprägt, unter der die Hilfestellung eines Lehrenden bei der Bewältigung einer konkreten Aufgabe verstanden wird (Wood, Bruner, Ross 1976, zitiert nach Bräuer & Schindler, 2011). Durch antizipierende Feedbacks, d.h. Kommentare, in denen vorangegangene, aktuelle und zukünftige Schreibaufgaben miteinander in Bezug gebracht und so die Kontinuität von Lernprozessen sichtbar gemacht werden, können Lernende ihr eigenes Potenzial erkennen und entwickeln.
[3] Zu erwähnen ist, dass die beobachteten Mängel nicht nur sprachlich-formale Aspekte betreffen, sondern auch die inhärente Logik und den fachlichen Zusammenhang der Texte. Dies zeigt, wie wichtig die Verschränkung von Form und Inhalt sowie die Begleitung durch Sprach- und Fachlehrende zur Erreichung von Textqualität ist.
[4] Das St. Galler Management-Modell wurde in den 1960er Jahren von dem Wirtschaftswissenschaftler Hans Ulrich erarbeitet und von Sabine Seufert im Hinblick auf das Bildungsmanagement weiterentwickelt und angewendet. (Seufert 2013). Dabei werden als Gestaltungsebenen des Bildungsmanagements die normative, strategische und operative Ebene unterschieden, auf die im vorliegenden Artikel als Strukturierungsmodell für die Entwicklung von Schreibcurricula Bezug genommen wird.

Literatur

  • Beaufort, Anne (2007). College writing and beyond. A new framework for university writing instruction. Logan: Utah State University Press.
  • Beaufort, Anne (2014). Wie Schreibende sich an neue Schreibsituationen anpassen. In: Nadja Sennewald & Stephanie Dreyfürst (Hrsg), Schreiben: Grundlagentexte zur Theorie, Didaktik und Beratung. Opladen: Verlag Barbara Budrich, S. 153-168.
  • Bräuer, Gerd, Schindler, Kirsten (Hrsg.) (2011). Schreibarrangements für Schule, Hochschule, Beruf. Freiburg, Fillibach
  • Deloitte (2017). Welche Schlüsselkompetenzen braucht es im digitalen Zeitalter? In Deloitte Schweiz. [24.9.2021].
  • Flower, Linda (1979). Writer-Based Prose: A Cognitive Basis for Problems in Writing. In College English 41/1. S. 19–37.
  • Hoefele, Joachim, Madlener-Charpentier, Karin (2021). Wie es um die Schreibkompetenzen Berufslernender steht: Neue ZHAW-Studie. In Transfer. Berufsbildung in Forschung und Praxis. SGAB, Schweizerische Gesellschaft für angewandte Berufsbildungsforschung
  • Karras, Simone, Konstantinidou, Liana, Marti, Markus, Müller Viviane, Winkler, Oliver (2015). Kommunikationskompetenzen im Ingenieurberuf. Eine Bedarfsanalyse zur Förderung von kommunikativen Kompetenzen im Ingenieurstudium. ZHAW
  • Karras. Simone (2017). Wie schreiben Ingenieure im Beruf? Ein arbeitsplatzbezogenes Kommunikationsprofil. Waxmann.
  • Keseling, Gisbert (2014). Schreibblockaden überwinden. In Stephanie Dreyfürst & Nadja Sennewald (Hrsg.), Schreiben: Grundlagentexte zur Theorie, Didaktik und Beratung. Opladen: Verlag Barbara Budrich, S. 235-253.
  • Pogner, Karl-Heinz (1999). Schreiben im Beruf als Handeln im Fach. Tübingen: Narr. (= Forum für Fachsprachen-Forschung Band 46).
  • Seufert, Sabine (2013). Bildungsmanagement: Einführung für Studium und Praxis. Stuttgart, Schäffer-Poeschel.
  • Russell, David R. (2001). Where Do the Naturalistic Studies of WAC/WID Point? A Research Review. In Susan H. McLeod, Eric Miraglia, Margot Soven & Christopher Thaiss (Hrsg.), WAC for the New Millennium: Strategies for Continuing Writing-Across-the-Curriculum Programs (S. 259-298). National Council of Teachers of English.
  • Thaiss, Chris, Bräuer, Gerd, Carlino, Paula, Ganobcsik-Williams, Lisa, Aparna, Sinha (eds.) (2012). Writing Programs Worldwide: Profiles of Academic Writing in Many Places. Anderson, SC (US), Parlor Press and the WAC Clearinghouse.
  • Thürmann, Eike, Pertzel, Eva, Schütte, Anna Ulrike (2015). Der schlafende Riese: Versuch eines Weckrufs zum Schreiben im Fachunterricht. In Sabine Schmölzer-Eibinger & Eike Thürmann (Hrsg.), Schreiben als Medium des Lernens: Kompetenzentwicklung durch Schreiben im Fachunterricht. (= Fachdidaktische Forschungen 8). Waxmann, S. 17–46
  • Venetz, Gabriela H. (2022). Darstellungsqualität und ihre Beurteilung in Diplomarbeiten (DA) an Höheren Fachschulen (HF). Merkmale, Kriterien, Herausforderungen. Thesis zum MAS Erwachsenenbildung und Bildungsmanagement. Olten, Hochschule für Wirtschaft fhnw
  • WAC Clearinghouse (o.J.). Home – The WAC Clearinghouse. [15.2.2023].
  • Wood, David, Bruner, Jerome S., Ross, Gail (1976). The role of tutoring in problem solving. Journal of Psychology and Psychiatry 17, S. 89–100.
Zitiervorschlag

Venetz, G. H., & Karras, S. (2023). Schreiben für den Beruf. Transfer. Berufsbildung in Forschung und Praxis 8(6).

Das vorliegende Werk ist urheberrechtlich geschützt. Erlaubt ist jegliche Nutzung ausser die kommerzielle Nutzung. Die Weitergabe unter der gleichen Lizenz ist möglich; sie erfordert die Nennung des Urhebers.