Berufsbildung in Forschung und Praxis
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Strategien für Berufstätige in einem dynamischen Arbeitsmarkt

So gelingt selbstgesteuerte Laufbahngestaltung

Die Gestaltung der eigenen beruflichen Laufbahn ist durch die hohe Dynamik des Arbeitsmarktes anspruchsvoller geworden und sollte nicht nur in Krisen ein Thema sein. Mit dem Begriff der selbstgesteuerten Laufbahngestaltung hat die Forschung einen Begriff geschaffen, der die Aktivitäten umfasst, mit denen Personen laufbahnbezogene Handlungen durchführen und steuern. Der vorliegende Beitrag arbeitet sieben Kernverhalten heraus, die soziale, motivationale und wissensbezogene Ressourcen nutzen und entwickeln.


Da es sich bei selbstgesteuerter Laufbahngestaltung um einen Sammelbegriff handelt, unter den verschiedenste Aktivitäten fallen, galt es zunächst, entsprechende Kernverhaltensweisen zu bestimmen.

Berufstätige begegnen im Laufe ihrer beruflichen Laufbahn einer Vielzahl von Herausforderungen. Sie müssen ihre Arbeitsmarktfähigkeit über die Lebensspanne hinweg entwickeln und erhalten, die Passung ihrer Kompetenzen an Erfordernisse im Beruf entwickeln und erhalten sowie eigene Ansprüche an die Arbeitsbedingungen (z.B. Work-Life Balance) mit den Anforderungen der Arbeitswelt vereinbaren. Diese Herausforderungen sind eingebettet in eine dynamische und unübersichtliche Arbeitswelt, in der sich, unter anderem durch die fortschreitende Digitalisierung, die Anforderungsprofile der Berufe rasch verändern.

Damit Personen diese Herausforderungen innerhalb und ausserhalb formaler Berufsbildungskontexte meistern können, müssen sie in der Lage sein, ihre Laufbahn kompetent und selbstgesteuert zu gestalten. Der Begriff selbstgesteuerte Laufbahngestaltung wird in der Literatur als Überbegriff verwendet, der verschiedene Aktivitäten umfasst, mit denen Personen laufbahnbezogene Handlungen durchführen und steuern (Greenhaus et al., 2019). Das Thema selbstgesteuerte Laufbahngestaltung wurde in dem von SBFI geförderten Projekt «Die Bedeutung, Messung und Förderungsfähigkeit von selbstgesteuerten Laufbahnmanagementstrategien: Ein multidisziplinärer multimethodischer Ansatz» an der Universität Bern in der Abteilung Arbeits- und Organisationspsychologie im Team von Prof. Hirschi genauer untersucht. Dabei wurde erforscht,

  • welche Verhaltensweisen den Kern von Laufbahngestaltung bilden,
  • wie sich diese mittels eines Fragebogens messen lassen, und
  • wie sich eigenständige Laufbahngestaltung mittels Online-Interventionen fördern lässt.

Im Folgenden fassen wir die Kernerkenntnisse dieses Projekts zusammen und stellen deren Implikationen für die Praxis der Berufsbildung und -beratung dar.

Sieben Kernverhalten selbstgesteuerter Laufbahngestaltung

Da es sich bei selbstgesteuerter Laufbahngestaltung um einen Sammelbegriff handelt, unter den verschiedenste Aktivitäten fallen, galt es zunächst, entsprechende Kernverhaltensweisen zu bestimmen. Dazu wurde eine umfangreiche Literaturstudie durchgeführt. Aus über 600 relevanten Artikeln wurden zunächst passende Verhaltensweisen identifiziert und anschliessend klassifiziert und integriert. Ausgehend von dieser Arbeit identifizierten die Autorin und die beiden Autoren sieben Kernverhaltensweisen der Laufbahngestaltung, welche im Textkasten dargestellt sind.

Diese sieben Kernverhalten wurden durch die Entwicklung eines Fragebogens weiter abgesichert, der das jeweilige Verhalten mit je drei Fragen misst (z.B. «Ich habe in den letzten sechs Monaten Laufbahnziele entwickelt, die für mich attraktiv sind» mit Antworten von 1 – gar nicht bis 5 – sehr viel) und an zwei Stichproben von total 1’065 Arbeitnehmenden erfolgreich evaluiert wurde.

Kernverhaltensweisen der Laufbahngestaltung

  1. Kontakte aufbauen: Berufliche Kontakte aufbauen und erhalten.
  2. Kontakte nutzen: Bei beruflichen Kontakten Unterstützung (z.B. Ratschläge, Hinweise auf offene Stellen) einholen.
  3. Impressionsmanagement: Anderen ein positives Bild von sich vermitteln (z.B. Selbstdarstellung als eine kompetente und engagierte Person).
  4. Wissen und Kompetenzen entwickeln: Durch formelle (z.B. Weiterbildung) oder informelle Wege (z.B. sich bei der Arbeit etwas Neues Beibringen) neues Wissen und Kompetenzen aneignen.
  5. Ziele und Handlungsstrategien entwickeln: Bestimmen von Laufbahnzielen und Entwicklung entsprechender Handlungsstrategien.
  6. Selbstexploration: Eigene berufliche Erfahrungen, Qualitäten (z.B. Fähigkeiten, Wissen) und Motivationen (z.B. Werte, Interessen) erkunden und reflektieren.
  7. Mobilitätsorientierte Aktivitäten: Sich über Möglichkeiten auf dem Arbeitsmarkt informieren und Stellensuche betreiben, um berufliche Mobilität auf organisations-internen und -externen Arbeitsmärkten zu ermöglichen.

Funktionen selbstgesteuerter Laufbahngestaltung

Eine wichtige Funktion von Laufbahngestaltung ist das Aufbauen, Erhalten und Nutzen von Laufbahnressourcen zur Verfolgung von beruflichen Zielen (Hirschi, 2012). Laufbahnressourcen lassen sich nach dem Karriere-Ressourcenmodell (Hirschi et al., 2019) in Umfeld-Ressourcen (z.B. Breite von Netzwerken), Wissen und Kompetenzen (z.B. berufliche Expertise) sowie motivationale Ressourcen (z.B. berufliche Zielklarheit) differenzieren. Zum besseren Verständnis, wie Laufbahngestaltung zu Erfolg führt, untersuchten wir daher, welche Kernverhalten der Laufbahngestaltung mit welchen Laufbahnressourcen zusammenhängen. Dabei zeigten sich folgende Zusammenhänge:

  • Das Aufbauen beruflicher Kontakte geht mit einer grösseren Breite interner und externer Netzwerke einher;
  • die Entwicklung von Zielen und Plänen geht mit einer erhöhten beruflichen Zielklarheit einher;
  • die Entwicklung von Wissen und Kompetenzen geht mit mehr selbsteingeschätztem Wissen und Kompetenzen einher;
  • mobilitätsorientierte Aktivitäten sowie das Aufbauen beruflicher Kontakte gehen mit einem grösseren Wissen über den Arbeitsmarkt einher.

Im Gegensatz dazu zeigen die drei Kernverhaltensweisen Kontakte nutzen, Impressionsmanagement, und Selbstexploration keine spezifischen Zusammenhänge mit Laufbahnressourcen, wenn das Engagement in anderen Laufbahnstrategien berücksichtigt wird. Dies deutet darauf hin, dass diese Verhaltensweisen auch durch einen wahrgenommenen Ressourcenmangel ausgelöst werden können, etwa wenn Unklarheit über berufliche Ziele die Selbstexploration stimuliert.

Somit sollte Laufbahngestaltung ein möglichst breites Spektrum verschiedener Kernaktivitäten beinhalten, um diverse Laufbahnressourcen zu fördern und mögliche Schwierigkeiten in der Laufbahnentwicklung abzuwenden.

Insgesamt deuten die Befunde darauf hin, dass unterschiedliche Aktivitäten der Laufbahngestaltung spezifische Funktionen zur Entwicklung bestimmter Ressourcen haben. Für eine erfolgreiche Laufbahnentwicklung ist das Zusammenspiel verschiedener Laufbahnressourcen entscheidend. Defizite in bestimmten Ressourcen können zudem nicht ohne weiteres durch andere Ressourcen kompensiert werden (Hirschi, 2012). Somit sollte Laufbahngestaltung ein möglichst breites Spektrum verschiedener Kernaktivitäten beinhalten, um diverse Laufbahnressourcen zu fördern und mögliche Schwierigkeiten in der Laufbahnentwicklung abzuwenden.

Förderung selbstgesteuerter Laufbahngestaltung

Basierend auf diesen Erkenntnissen ist es in der Praxis wichtig, Kernverhalten der Laufbahngestaltung in ihrer Verbindung mit Laufbahnressourcen zu betrachten. Dabei entscheidend ist, dass Personen wissen, über welche Ressourcen sie verfügen und inwiefern diese für ihre beruflichen Ziele und Arbeitsmarktfähigkeit hinreichend sind. Zur differenzierten Standortbestimmung von vorhandenen Laufbahnressourcen eignet sich z.B. der Karriere-Ressourcen-Fragebogen, welcher für verschiedene Gruppen wie Lernende, Erwerbstätige sowie Nicht-Erwerbstätige vorliegt (Hirschi et al., 2019). Des Weiteren sollten Personen wissen, welche Handlungsstrategien geeignet sind, um ihre Laufbahnressourcen auszubauen, Defizite zu beheben, und wie sie diese Ressourcen zur Erreichung beruflicher Ziele einsetzen können. Hierfür können die oben genannten Kernverhalten der Laufbahngestaltung herangezogen werden. Beispielsweise können bei einem Defizit in sozialen Ressourcen das Aufbauen von Kontakten fokussiert und entsprechende Handlungsmöglichkeiten geplant werden (etwa Strategien zum Umgang mit Netzwerken wie LinkedIn, Aktivitäten in Berufsverbänden, usw.).

Zudem lohnt es sich, den Blick etwas weiter zu fassen und die zugrundliegende Motivation zur Laufbahngestaltung zu ermessen. Denn ohne hinreichende Motivation laufen andere Fördermassnahmen ins Leere, etwa wenn zwar passende Handlungsstrategien entwickelt wurden, aber die Motivation zu deren Umsetzung fehlt. Nach Parker et al. (2010) lassen sich drei Motivationstypen unterscheiden, die individuelle Unterschiede in der Laufbahngestaltung erklären und begünstigen.

  1. Vertrauen in die eigene Handlungsfähigkeit (engl. «can do») beinhaltet die Selbstwirksamkeitswahrnehmung (Kann ich es tun?), die Einschätzung der Durchführbarkeit und Kontrollierbarkeit (Wie machbar ist es?) sowie die wahrgenommenen Kosten einer Handlung (Wie gross ist das Risiko?).
  2. Überzeugung vom Wert und Nutzen des eigenen Handelns (engl. «reason to») beinhaltet selbstbestimmte Motivation sowie Werte, Ziele, Interessen, Vorstellungen über das aktuelle oder zukünftige Selbst, und beantwortet die Frage des Warums einer Handlung.
  3. Handlungsenergie (engl. «energized to») beinhaltet aktivierte und positive Emotionen, Stimmungen und Gefühle wie Begeisterung und Freude.

Diese Motivationstypen gilt es zu ergründen und durch geeignete Ansätze zu fördern. Um das Vertrauen in die Handlungsfähigkeit zu stärken, kann z.B. durch das Vergegenwärtigen von persönlichen Erfolgserlebnissen die Selbstwirksamkeit gesteigert werden. Durch die wahrgenommene Unterstützung können soziale oder persönliche Ressourcen der Person aktiviert werden, was wiederum die Zuversicht, ein Ziel erfolgreich zu bewältigen, erhöht. Die Überzeugung in die Sinnhaftigkeit und Zweckmässigkeit des Handelns kann durch die Attraktivität von laufbahnbezogenen Zielen gesteigert werden. Dazu können Ziele in Bezug zu persönlichen Werten wie Autonomie oder intrinsische Interessen (z.B. etwas Neues zu lernen) gesetzt werden. Sie können auch mit prosozialen Motiven in Verbindung gebracht werden, wobei deren potenziell positive Auswirkungen auf andere Menschen, Gruppen oder die Gesellschaft im Ganzen herausgearbeitet werden. Durch das Hervorrufen positiver Gefühle gegenüber der eigenen beruflichen Laufbahn kann die Handlungsenergie aktiviert werden. Dies kann z.B. geschehen, indem die erwarteten positiven Emotionen in Zusammenhang mit dem Erreichen der Laufbahnziele bewusst gemacht und beschrieben werden.

Durch das Hervorrufen positiver Gefühle gegenüber der eigenen beruflichen Laufbahn kann die Handlungsenergie aktiviert werden.

Im Forschungsprojekt setzten wir diese Förderungsansätze mittels dreier selbständig durchführbarer kurzer Online-Interventionen um (d.h. ohne Anleitung durch eine Fachperson). Dabei wählten wir als Interventionsform primär Übungen mit expressivem Schreiben, in denen Personen angeleitet werden, ihre Gedanken und Vorstellungen niederzuschreiben. Unsere Studienergebnisse deuten darauf hin, dass die Förderung der Motivationstypen im Zusammenspiel dieser verschiedenen Interventionsansätze entsteht: So haben gewisse Kombinationen von Interventionen eine positivere Wirkung als einzelne Interventionen. Zum Beispiel scheint die Kombination von emotionsfokussierten und wertefokussierten Interventionen die Überzeugung vom Wert und Nutzen des eignen Handelns stärker zu fördern als eine rein wertefokussierte Intervention. Welche Interventionsansätze in welcher Weise zu kombinieren sind, um die Motivation zur Laufbahngestaltung am effektivsten zu fördern, ist aber noch genauer zu bestimmen.

Fazit

Im Überblick zeigt sich selbstgesteuerte Laufbahngestaltung als komplexer Bestandteil des Berufslebens, in welchem Personen verschiedene Aktivitäten durchführen und steuern müssen, um laufbahnbezogene Ziele zu setzen und zu verfolgen. Zentral sind dafür sieben Kernverhaltensweisen, welche verschiedene soziale, motivationale und wissensbezogene Ressourcen nutzen und entwickeln. Aus praktischer Sicht ist es wichtig, dass Personen ihre Laufbahnressourcen reflektieren und diese in Bezug zu beruflichen Zielen und möglichen Strategien der Laufbahngestaltung setzen. Der Laufbahngestaltung kommt in der beruflichen Entwicklung eine Schlüsselfunktion zu, da sie Laufbahnressourcen ausbauen und für die Zielerreichung nutzen. Schliesslich sind motivationale Grundlagen der Laufbahngestaltung zu adressieren, welche die Voraussetzung für eine engagierte selbständige Laufbahngestaltung bilden.

Referenzen

  • Greenhaus, J. H., Callanan, G. A., & Godshalk, V. M. (2019). Career management for life (Fifth edition). Routledge/Taylor & Francis Group.
  • Hirschi, A. (2012). The career resources model: An integrative framework for career counsellors. British Journal of Guidance & Counselling, 40(4), 369–383.
  • Hirschi, A., Hänggli, M., Nagy, N., Baumeler, F., Johnston, C., & Spurk, D. (2019). Karriere-Ressourcen messen: Validierung der deutschsprachigen Version des Karriere-Ressourcen Fragebogens. Diagnostica, 65(3), 133–141.
  • Parker, S. K., Bindl, U. K., & Strauss, K. (2010). Making Things Happen: A Model of Proactive Motivation. Journal of Management, 36(4), 827–856.
Zitiervorschlag

Wilhelm, F., Hirschi, A., & Schläpfer, D. (2023). So gelingt selbstgesteuerte Laufbahngestaltung. Transfer. Berufsbildung in Forschung und Praxis 8(10).

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