Berufsbildung in Forschung und Praxis
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Nach einer Berufslehre an die Pädagogische Hochschule

Viele Hürden – viele Chancen

Der Weg über die berufliche Grundbildung an die Pädagogische Hochschule gewinnt bildungspolitisch an Bedeutung – nicht zuletzt aufgrund des Lehrpersonenmangels in der Volksschule. Gleichzeitig ist aber noch wenig Wissen dazu vorhanden. Wieviele Absolvierende einer beruflichen Grundbildung gehen diesen Weg? Welche Wege stehen offen, welche Hürden sind zu bewältigen und welche Faktoren unterstützen diese berufliche Weiterqualifizierung? Die Ergebnisse des vorliegenden Beitrags zeigen, dass von den Absolvierenden der Sekundarstufe II, die ein Studium in der Lehrerinnen- und Lehrerbildung aufnehmen, rund ein Sechstel über den Weg der beruflichen Grundbildung kommt. Die Analysen quantitativer und qualitativer Daten belegen jedoch auch, dass die angebotenen Zugangswege komplex und unübersichtlich sind. Zudem erschweren oder begünstigen Faktoren wie das Geschlecht, die absolvierte berufliche Grundbildung und die damit verbundene schulische Orientierung sowie die Durchlässigkeit zwischen den Ausbildungsbereichen den Übertritt ins Lehramt.


1 Nach einer beruflichen Grundbildung in die Lehrerinnen- und Lehrerbildung

Studierende, die eine berufliche Grundbildung absolvieren, berufstätig sind und anschliessend den anforderungsreichen Weg in die Lehrerinnen- und Lehrerbildung (LLB) erfolgreich bewältigen, sind mit ihren Erfahrungen eine Bereicherung – im Studium wie im Lehrberuf. Insbesondere aufgrund des Lehrpersonenmangels gewinnt dieser Weg bildungspolitisch an Bedeutung. Bisher ist aber noch wenig Wissen zu den Bildungswegen und Erfahrungen dieser Studierendengruppe vorhanden.

Der vorliegende Beitrag untersucht die Frage, welche Hürden auf dem Weg in die Lehrerinnen- und Lehrerbildung zu bewältigen sind und welche Faktoren diesen Bildungsweg befördern.

Der vorliegende Beitrag untersucht die Frage, welche Hürden auf dem Weg in die LLB zu bewältigen sind und welche Faktoren diesen Bildungsweg befördern. Die Ergebnisse beruhen auf Angaben zu den formalen Zulassungsbedingungen dieses Bildungsweges, auf Analysen der Längsschnittdaten zu den Bildungsverläufen (LABB) des Bundesamtes für Statistik sowie auf berufsbiografischen Interviews mit Lehramtsstudierenden im Studiengang Sekundarstufe I, die sich nach einer beruflichen Grundbildung für den Lehrberuf entschieden haben.

2 Durchlässigkeit der Wege über die berufliche Grundbildung in die Lehrerinnen- und Lehrerbildung

Wer heute den Lehrberuf ergreifen möchte, hat neben dem Gymnasium und der Fachmittelschule auch den Weg über die berufliche Grundbildung (Abschluss: Eidgenössisches Fähigkeitszeugnis EFZ) zur Auswahl.[1] Für ein Regelstudium muss eine Ergänzungsprüfung absolviert werden. Zu dieser ist zugelassen, wer neben dem EFZ über mindestens drei Jahre Berufserfahrung verfügt. Als Alternative kann ein Berufsmaturitätszeugnis (BM) vorgelegt werden. Für diesen Fall ist ab 2023 lediglich eine reduzierte Ergänzungsprüfung erforderlich, bei der einzelne Prüfungsfächer aus der BM angerechnet werden. Zur Vorbereitung der Ergänzungsprüfung empfiehlt sich der Besuch eines Vorkurses. Mit der Ergänzungsprüfung Passerelle Berufsmaturität kann direkt in den Studiengang Sekundarstufe I eingetreten werden.

Neuerdings ist es gesamtschweizerisch für über 30-jährige Personen mit Berufserfahrung möglich, ohne Maturität an die Pädagogischen Hochschulen (PH) «sur Dossier» zugelassen zu werden, sofern die PH die Studierfähigkeit im Rahmen eines dokumentierten Verfahrens festgestellt hat. Das Aufnahmeverfahren besteht aus einem einzureichenden Dossier und je nach PH aus einer Eignungsprüfung. Als weitere Zugangsvoraussetzung müssen alle Anwärterinnen und Anwärter Berufseignungsabklärungen, beispielsweise in Form von eintägigen Assessements, bestehen.

Um die Frage zu bearbeiten, welche Faktoren den Weg von der beruflichen Grundbildung an die PH befördern oder behindern können, analysieren wir vier verschiedene Dimensionen von Durchlässigkeit (Bernhard 2017, vgl. Abb. 1).

  1. Bei der ersten Dimension werden die formalen Zugangsregelungen (I) in den Blick genommen. Welche Zertifikate werden vorausgesetzt? Welche Prüfungen müssen bestanden werden? Die Zugangsregelungen für den hier thematisierten Bildungsweg sind komplex. Es wird zurzeit diskutiert, die Zugangsanforderungen zu senken.
  2. Die zweite Dimension beinhaltet die individuelle und pauschale Anrechnung von Erlerntem (II). Vorbildungen werden im Hinblick auf Austrittskompetenzen und Lernergebnisse überprüft und gegebenenfalls als gleichwertig eingestuft. Wie oben aufgeführt, wird ab 2023 bei BM-Absolvierenden bereits Erlerntes in der Berufsmaturitätsschule angerechnet.
  3. In der dritten Dimension geht es um organisationale Verbindungen (III) zwischen Bildungsbereichen, in unserem Fall um Verbindungen zwischen der Berufsbildung und dem Studium an einer PH. Die BM beispielsweise ermöglicht die Erweiterung von allgemeinbildenden und überfachlichen Kompetenzen, bereitet damit für ein Hochschulstudium vor und ergänzt die auf berufliche Handlungskompetenz ausgerichtete berufliche Grundbildung EFZ.
  4. Die vierte Dimension umfasst Unterstützungsstrukturen und die Offenheit gegenüber der Heterogenität der Studierenden (IV). Inwiefern wird in der LLB auf die unterschiedlichen Erfahrungen und Kompetenzen der Studierenden, die den Weg über die berufliche Grundbildung genommen haben, eingegangen? Die Berufsbildung ist eng auf die berufliche Praxis ausgerichtet (Esposito 2022; Leemann et al. 2019). Im Gegensatz dazu steht die LLB, die Studierfähigkeit voraussetzt und stärker auf theoretisch-abstraktes Wissen abzielt. Es braucht mitunter gezielte Beratung und Information, damit die Anforderungen der Lern- und Wissenskultur an der PH bewältigt werden und das Studium bestanden werden kann. Offenheit meint, dass die PH an die vorangegangenen Bildungs- und Berufserfahrungen anknüpft, um die Durchlässigkeit erfolgversprechend zu gestalten.

Abb. 1: Mögliche Wege an die Pädagogische Hochschule, Abschluss EDK-anerkanntes Lehrdiplom. Quelle: Eigene Darstellung

3 Bedeutung von Geschlecht und erlerntem Beruf

Auf der Basis der Längsschnittdaten zu den Bildungsverläufen (LABB) des Bundesamtes für Statistik (BFS) haben wir bei allen Studierenden, die nach Abschluss einer beruflichen Grundbildung EFZ im Jahre 2012 innerhalb von 54 Monaten in die LLB eingetreten sind, das Geschlecht, den erlernten Beruf und den gewählten Studiengang in der LLB untersucht.[2]

Tabelle 1: Eintritt der Absolvierenden der beruflichen Grundbildung EFZ (2012) innerhalb von 54 Monaten in die Lehrerinnen- und Lehrerbildung (2016) nach Geschlecht

In Tab. 1 ist dargestellt, wie viele Absolvierende einer beruflichen Grundbildung in die LLB eingetreten sind. Die Spalte Total zeigt die absoluten Zahlen, die Spalte Quote (%) die Übertrittsquote in die LLB. Von den Absolvierenden EFZ ohne eine BM1 sind dies weniger als 1 %, von jenen mit BM1 knapp 3 %. In der letzten Spalte Anteil an allen Eintritten ist ersichtlich, wie hoch der Anteil ist an allen Absolvierender der Sekundarstufe II, die ein Lehramtsstudium begonnen haben. Rund 10 % stammen aus der Kohorte mit einem EFZ ohne BM1, 6 % aus der Kohorte mit EFZ & BM1, die restlichen 84 % sind Absolvierende aus der Fachmittelschule oder dem Gymnasium (in der Tabelle nicht dargestellt).

Bei beiden Zugangswegen tragen die Frauen einen grösseren Anteil zu den Studienanfängerinnen und Studienanfängern in der LLB bei (Spalte Anteil an allen Eintritten), obwohl mehr Männer als Frauen mit einem EFZ (ohne/mit BM1) die Sekundarstufe II abschliessen (Spalte Total Absolvierende). Innerhalb der beiden Zugangswege entscheiden sich Frauen gut dreimal so häufig wie Männer für die LLB (Spalte Quote (%)). Auch vertiefende multivariate Analysen, bei denen das Alter, die Staatsangehörigkeit und der Wohnort (Sprachregion; Stadt-Land) kontrolliert wurde, belegen eine ausgeprägte Geschlechterdifferenz beim Entscheid für den Lehrberuf (Leemann et al. 2022). Weiter ist interessant, dass Männer sich häufig für eine Ausbildung zur Sekundarlehrperson entscheiden, während Frauen mehrheitlich ein Studium zur Lehrperson des Kindergartens oder der Primarstufe einschlagen.

Im Weiteren haben wir untersucht, inwiefern ein pädagogik-affines Profil des erlernten Berufes (soziale, pädagogische und pflegerische Berufe) sowie der Umfang der schulischen Ausbildung (Kriesi et al. 2022, S. 21ff.) den Weg in die LLB befördert.

Tabelle 2: Vorhergesagte Wahrscheinlichkeit für den Eintritt in die Lehrerinnen- und Lehrerbildung  (Kindergarten/ Primarstufe und Sekundarstufe I) innerhalb von 54 Monaten nach einem Abschluss der beruflichen Grundbildung EFZ (2012)

In Tab. 2 sind dazu die Ergebnisse abgebildet. Im Modell 1 ist erkennbar, dass ein pädagogik-affines Profil die Übertrittswahrscheinlichkeit in die LLB nicht beeinflusst (Spalte AME). In Modell 2 wird der schulische Anteil innerhalb der beruflichen Grundbildung als erklärenden Faktor einbezogen, in der Annahme, dass die Lern- und Wissenskultur der gewählten Berufsausbildung bedeutsam ist (Esposito 2022; Leemann et al. 2019). Wie die Ergebnisse zeigen, verkleinert sich die Wahrscheinlichkeit, den Bildungsweg in die LLB in Angriff zu nehmen bei geringer Anzahl Lektionen in der Berufsfachschule. In einem nächsten Schritt haben wir in Modell 3 den Erwerb einer Berufsmaturität als weiteren Faktor einbezogen. Dieser hat einen hoch signifikanten Einfluss auf die Übertrittswahrscheinlichkeit in die LLB. Der Faktor schulischer Anteil ist nicht mehr signifikant und hat damit einen vermittelnden Effekt, indem er die Wahrscheinlichkeit für das Erlangen einer BM1 oder BM2 erhöht.

4 Was befördert oder behindert den Weg zu einem Lehramtsstudium?

Im Rahmen ihrer Dissertation führt Bettina Weller berufsbiografische Interviews mit Lehramtsstudierenden im Studiengang Sekundarstufe I, die über den Weg der beruflichen Grundbildung an die PH gelangt sind. Im Folgenden werden Bildungswege, Erfahrungen und Motivationen zweier interviewter Personen vorgestellt und zu den Dimensionen der Durchlässigkeit in Bezug gesetzt.

Fall David: «Viele Steine liegen da im Weg»

David besuchte die Sekundarstufe I mit erweiterten Ansprüchen, obwohl ihm aufgrund seiner Leistungen auch der progymnasiale Leistungszug offen stand. Nach der obligatorischen Schulzeit begann er eine Lehre als Fotoangestellter im dörflichen Fotoladen. Die Lehre beurteilt er als «viel zu einfach». Der Besuch der Berufsmaturitätsschule war für den Lehrbetrieb und für David damals jedoch kein Thema. Kurz nach Abschluss der Lehre machte er sich selbstständig. Es folgten spannende Jahre in der Fotobranche. Finanzielle Schwierigkeiten des Betriebs machten eine Veränderung nötig. Ein befreundeter Lehrer brachte ihn auf die Idee, den Lehrberuf anzustreben. Er erkundigte sich bei der PH seines Kantons und erhielt die telefonische Empfehlung, sich aufgrund des Lehrpersonenmangels doch gleich auf Stellen zu bewerben. Er schrieb 76 Bewerbungen und erhielt ohne pädagogische Ausbildung eine Stelle als Primarlehrer, mit der Auflage der Schulleitung, im nächsten Jahr die Ausbildung an der PH zu beginnen.

Seinen Weg an die PH schildert David dramatisch: Sein Antrag zum Aufnahmeverfahren «sur Dossier» wurde abgelehnt. Er versuchte es bei einer weiteren PH, die damals noch kein Verfahren «sur Dossier» anbot, und scheiterte an der Ergänzungsprüfung.

Seinen Weg an die PH schildert David dramatisch: Sein Antrag zum Aufnahmeverfahren «sur Dossier» wurde abgelehnt. Er versuchte es bei einer weiteren PH, die damals noch kein Verfahren «sur Dossier» anbot, und scheiterte an der Ergänzungsprüfung, obwohl er sich sehr gut vorbereitet hatte. «Das war so dermassen Stress für mich.» Er konnte die Ergänzungsprüfung einsehen, und stellte fest, dass er zu langsam gearbeitet hatte. Er «übte stupide» Zusammenfassungen zu schreiben. Um sicher zu gehen, dass nichts schief geht, zahlte er als kantonsfremder Teilnehmer 8’000 Franken für  den PH-Vorkurs. Beim Kursbesuch ist er «sehr auf die Welt gekommen». «Deutsch und Grammatik und Französisch – das war ja schwierig.» Als er schlussendlich die Zulassung zur PH, Studiengang Primarstufe mit der Post zugesendet bekam, «weinte ich vor der Postfrau». Seine während der beruflichen Selbstständigkeit erworbene Stressresistenz sowie seine Motivation durch die bereits begonnene Tätigkeit als Primarlehrperson halfen ihm, mit den Barrieren auf dem Weg an die PH umzugehen. Das PH-Studium zum Primarlehrer erlebte David anschliessend positiv. Es wurden ihm u.a. «Spezialwünsche bezüglich Praktikum genehmigt». Fachlich hatte er keine Schwierigkeiten. Nach dem Bachelor für die Primarstufe absolviert er nun die Stufenerweiterung Sekundarstufe I mit dem Ziel, den Masterabschluss zu erreichen.

Wie durchlässig gestaltete sich der Weg des über 30-jährigen David an die PH? Ihm standen zwei formale «Zugangsregelungen» (Dimension I) zur Auswahl: Die Aufnahme «sur Dossier» oder der Zugang über die Ergänzungsprüfung. Bei beiden Varianten tauchten Hürden auf. Dass die Prüfungseinsicht nach einer nicht-bestandenen Prüfung im Zulassungsvefahren vorgesehen ist, hat sich bei David als unterstützend herausgestellt. Die Dimension II «Anrechnung von Erlerntem» ist in der Berücksichtigung seiner Berufserfahrung erkennbar, was ihm erlaubte, auch ohne BM die Ergänzungsprüfung zu absolvieren bzw. ein Dossier einzureichen, das seine Studierfähigkeit belegen sollte. In seinem spezifischen Fall stellte sich jedoch heraus, dass die im Berufsleben erworbenen Kompetenzen allein nicht ausreichten, um die Aufnahmeverfahren zu bestehen – weder «sur Dossier» noch via Ergänzungsprüfung. Es brauchte einen dritten Anlauf für das Aufnahmeverfahren und eine vertiefte, finanziell teure schulische Vorbereitung. Die Dimension III «organisationale Verbindung» zwischen EFZ und PH war bei David eher schwach ausgebildet. Seine berufliche Grundbildung EFZ im Fotobereich eines Mikrobetriebs gehörte nicht zu einem Ausbildungsberuf mit hohem Anteil an schulischen Lektionen und Absolvierenden von Berufsmaturitäten (Kriesi et al. 2022, S. 23f.) Dies hat vermutlich verhindert, dass er trotz seiner guten schulischen Leistungen in der Sekundarschule die Durchlässigkeit in die Tertiärausbildung auf Anhieb nutzen konnte. Denn gemäss Meyer und Sacchi (2020) vermindert sich die Chance, einen Abschluss auf Tertiärstufe zu erlangen, bei einer Berufslehre mit geringem schulischen Anteil markant (ebd. S. 23). Die organisationale Verbindung zwischen dem Studium zum Primarlehrer und zum Sekundarlehrer erlaubte ihm einen zusätzlichen Berufswechsel. Die Dimension IV «Umgang mit Heterogeniät» im Studium erlebt David als problemlos. Dies könnte auch damit zusammenhängen, dass er im Beruf als Lehrperson bereits Fuss fassen konnte.

Fall Tom: «Ich habe noch nie etwas nicht bestanden»

Tom wuchs mit drei Brüdern in einem Dorf auf. Sein Vater war Schweizer und Bauer, seine Mutter in der Türkei aufgewachsen; sie konnte keine Berufsausbildung absolvieren. Die Eltern liessen sich vor Toms Schuleintritt scheiden. Die Unkenntnis seiner alleinerziehenden Mutter bezüglich Bildung sieht er als Grund für eine erschwerte Schulzeit. Auch im weiteren Bildungsverlauf musste Tom sich in Ausbildungsfragen auf Informationsveranstaltungen und Empfehlungen ausserhalb der Familie verlassen. Die Schwierigkeit, eine Lehrstelle zu finden, begründet er mit seinen schlechten schulischen Leistungen und nicht mit äusseren Faktoren. Da er handwerklich wenig begabt ist, kamen für ihn viele Berufe nicht in Frage. Er ergatterte eine KV-Lehre bei einem Lehrbetriebsverbund. Die BM1 war aufgrund seiner Zeugnisnoten damals kein Thema. Den prüfungsfreien Zugang zur BM2 bezeichnet er als «Glücksfall». Auf die Berufsidee «Lehrer» kam er erst nach der BM und verschiedenen Informationsveranstaltungen. Die Ergänzungsprüfung an die PH «war nicht so eine Sache, wenn man so von der BM kam» und den Vorkurs besuchte. Sein Selbstvertrauen in Bezug auf seine Leistungsfähigkeit in Schule und Studium ist stetig gewachsen. Nach dem Lehrdiplom Primarstufe schloss er die Stufenerweiterung Sekundarstufe an. Heute kann Tom sagen: «Ich habe noch nie etwas nicht bestanden.»

Im Studium hatte Tom auch ohne gymnasiale Maturität keine Anschlussschwierigkeiten. Nach dem Bachelor der Primarstufe schloss er sogleich den Master für die Sekundarstufe an.

Was die Frage der Durchlässigkeit des Weges an die PH betrifft, war für Tom die Möglichkeit der Ergänzungsprüfung entscheidend, denn für den Weg «sur Dossier» war er noch zu jung («Zugangsregelungen», Dimension I). Die Dimension II «Anrechnung von Erlerntem» findet sich allgemein in der Anrechnung der Erfahrungen und Kenntnisse einer beruflichen Grundbildung und BM beim Zugang in die PH. Fünf Aspekte weisen auf die Dimension III «organisationale Verbindung von Bildungsbereichen» hin. Erstens wurde er in seinem Ausbildungsberuf «Kaufmann EFZ», der einen hohen Schulanteil umfasst und viele Lernende zur BM führt (vgl. Kriesi et al. 2022, S. 24), gut auf die BM2 vorbereitet. Zweitens ermöglichten es die Regelungen in seinem Wohnkanton, dass er dank des erreichten Notendurchschnitts prüfungsfrei in die Berufsmaturitätsschule für die BM2 eintreten konnte (Hänni und Kriesi 2022). Drittens fand an dieser ein Informationsanlass zur PH statt, die Tom auf die Idee brachte, diesen Bildungsweg zu wählen. Viertens ermöglichte der von Tom besuchte PH-Vorkurs, angeboten von einer Kantonsschule seines Wohnkantons, eine gute Vorbereitung auf die Ergänzungsprüfung. Das Kursgeld inkl. Gebühren und Verbrauchsmaterial betrug rund 1300 Franken, da er eine Kostengutsprache seines Wohnkantons erhielt. Nicht zuletzt konnte auch Tom den Weg weiter in die Masterausbildung zum Sekundarlehrer beschreiten. Zur Dimension IV «Heterogenität»: Im Studium hatte er auch ohne gymnasiale Maturität keine Anschlussschwierigkeiten. Nach dem Bachelor der Primarstufe schloss er sogleich den Master für die Sekundarstufe an.

5 Fazit

Unser Studie verweist auf das Potenzial, Absolvierende der beruflichen Grundbildung für den Lehrberuf zu gewinnen und damit dem Fachkräftemangel in der Schule zu begegnen. Analysen von repräsentativen statistischen Längsschnittdaten zeigen, dass von den Absolvierenden der Sekundarstufe II, die ein Studium in der Lehrerinnen- und Lehrerbildung aufnehmen, rund ein Sechstel über den Weg der beruflichen Grundbildung kommt. Wie beim Gymnasium und der Fachmittelschule sind es überproportional Frauen, die sich für diese berufliche Weiterqualifizierung interessieren. Da die berufliche Grundbildung in absoluten Zahlen gesehen aber häufiger von Männern gewählt wird, sind es quantitativ dennoch viele Männer, die auf diesem Weg an die PH gelangen. Sie wählen oftmals den Studiengang Sekundarstufe I, während Frauen mehrheitlich ein Studium zur Lehrperson des Kindergartens oder der Primarstufe präferieren.

Das Profil des Ausbildungsberufes – Nähe zur Pädagogik – ist kein Faktor, der diesen beruflichen Weg befördert. Bedeutsam dagegen ist der schulische Anteil des Ausbildungsberufes.

Das Profil des Ausbildungsberufes – Nähe zur Pädagogik – ist kein Faktor, der diesen beruflichen Weg befördert. Bedeutsam dagegen ist der schulische Anteil des Ausbildungsberufes – je höher er ist, desto grösser die Wahrscheinlichkeit, diesen beruflichen Qualifizierungsweg zu bestreiten.

Bildungspolitisch wurden in den letzten Jahren verschiedene Optionen eröffnet, um diesen beruflichen Qualifizierungsweg zu unterstützen. Neue Zugangsregelungen und die Anrechnung von Erlerntem ermöglichen den Weg in die LLB auch ohne Berufsmaturität. Immer jedoch sind Ergänzungsprüfungen oder die Überprüfung der Studierfähigkeit Voraussetzung für die Zulassung an die PH. Diese Durchlässigkeit ist – so lassen Interviews mit Studierenden, die über den Weg der beruflichen Grundbildung ins Lehramtsstudium gelangt sind, erkennen – jedoch von weiteren Faktoren abhängig. Auch in den biografischen Darstellungen der befragten Studierenden zeigt sich, wie folgenreich die Wahl des Ausbildungsberufes und die damit einhergehende schulischen Nähe für den weiteren Bildungsverlauf sein kann. Ebenso sind die kantonalen Bestimmungen für die Zulassung zur BM ausschlaggebend, die diesen Weg befördern oder behindern können. Die Unterstützung der Interessenten durch Vorkurse – deren Zugänglichkeit, Qualität und Finanzierung – ist zentral. Nicht zuletzt müssen Absolvierende der beruflichen Grundbildung auf diese berufliche Option stossen, weshalb Informationsveranstaltungen an den Berufsmaturitätsschulen selbst, aber auch koordinierte überkantonale mediale Kampagnen bedeutsam sind.

[1] Dieser hier thematisierte Bildungsweg gilt nur für die Lehrerinnen- und Lehrerbildung (LLB), die an Pädagogischen Hochschulen organisiert ist. In Genf (alle Stufen) und in Fribourg (Sekundarstufe I) ist die LLB an der Universität angesiedelt.

[2] Die Studie hat ebenfalls den Weg der Absolvierenden des Gymnasiums und der Fachmittelschule in die LLB analysiert (Leemann et al. 2022).

[3] Predictive Margins (PM) sind die durchschnittlichen vorhergesagten Zugangswahrscheinlichkeiten eines LLB-Zugangs. Bei den Average Marginal Effects (AME) handelt es sich um ein absolutes Distanzmass, welches sich als Prozentpunktdifferenz der PM interpretieren lässt, und den Vergleich über verschiedene Modelle hinweg erlaubt. Sie werden in der Tabelle nur ausgewiesen, wenn sie signifikant sind.

Literatur

  • Bernhard, Nadine (2017). Durch Europäisierung zu mehr Durchlässigkeit? Veränderungsdynamiken des Verhältnisses von beruflicher Bildung zur Hochschulbildung in Deutschland und Frankreich. Opladen/Berlin/Toronto: Budrich Verlag.
  • Esposito, Raffaella Simona (2022). Unausgeschöpftes Potenzial für die Rekrutierung von Gesundheitsfachkräften? Fachmittelschule Gesundheit und berufliche Grundbildung Fachfrau/-mann Gesundheit im Vergleich. In: Gymnasium Helveticum, Nr. 3/22, S. 18–21.
  • Hänni, Miriam, Irene Kriesi (2022). Berufsmaturität: welche Rolle spielen die kantonalen Zulassungsbedingungen? OBS EHB Trend im Fokus 26.4.2022.
  • Kriesi, Irene, Lorenzo Bonoli, Miriam Grønning, Miriam Hänni, Jörg Neumann, Jürg Schweri (2022). Spannungsfelder in der Berufsbildung international und in der Schweiz – Entwicklungen, Herausforderungen, Potentiale. OBS EHB Trendbericht 5. Zollikofen: Eidgenössische Hochschule für Berufsbildung EHB.
  • Leemann, Regula Julia, Andrea Pfeifer Brändli, Christian Imdorf, Sandra Hafner (2022). Lehramtsstudierende in der Schweiz: Zur Bedeutung der Zugangswege Gymnasium, Fachmittelschule und berufliche Grundbildung in Geschlechterperspektive. In: Susanne Burren und Sabina Larcher (Hrsg.). Geschlecht, Bildung, Profession – Ungleichheiten im pädagogischen Berufsfeld. Opladen u.a. Verlag Barbara Budrich, S. 190–217.
  • Leemann, Regula Julia, Raffaella Simona Esposito, Andrea Pfeifer Brändli, Christian Imdorf (2019). Handlungskompetent oder studierfähig? Wege in die Tertiärbildung: Die Bedeutung der Lern- und Wissenskultur. 2(2).
  • Meyer, Thomas, Stefan Sacchi (2020). Wie viel Schule braucht die Berufsbildung? Eintrittsdeterminanten und Wirkungen von Berufslehren mit geringem schulischen Anteil. In: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie. Zusammenfassung in Transfer 2/2022.
Zitiervorschlag

Leemann, R. J., Weller, B., & Pfeifer‏‏‎-Brändli, A. (2023). Viele Hürden – viele Chancen. Transfer. Berufsbildung in Forschung und Praxis 8(1).

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