Berufsbildung in Forschung und Praxis
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Übergang Schule-Beruf

Wie Schulsozialarbeit zur beruflichen Orientierung beitragen kann

In Deutschland und in der Schweiz setzt man unter anderem auf Schulsozialarbeit, um Kinder und Jugendliche mit einem niederschwelligen und freiwilligen Angebot am Übergang Schule-Beruf zu unterstützen. Was zeichnet Schulsozialarbeit gegenüber vielen anderen Angeboten der Berufsorientierung und -vorbereitung aus? Dieser Frage geht der Artikel nach einer kurzen Darstellung der Situation in Deutschland und der Schweiz im Folgenden nach.


In modernen westlichen Gesellschaften gilt eine abgeschlossene Ausbildung auf Sekundarstufe II als Voraussetzung für die Integration in den Arbeitsmarkt. Deutschland und die Schweiz gehören in Europa zu den Ländern mit geringer Erwerbslosenquote und niedrigen Zahlen bei der Jugendarbeitslosigkeit. Beide Länder gelten als wirtschaftlich stark und haben eine lange Tradition der dualen Ausbildung, die den Übergang von der Schule in den Beruf für viele Jugendliche erleichtert. Dennoch sehen sich beide Länder in Bezug auf die gesellschaftliche Integration von jungen Menschen Herausforderungen gegenüber.

1 Unterstützungssysteme für junge Erwachsene in Deutschland und der Schweiz

Gleichzeitig gelten aber sowohl das deutsche als auch das schweizerische Bildungssystem als Systeme, in denen der Bildungsverlauf von jungen Menschen besonders stark von der sozialen Herkunft abhängt.

Im Durchschnitt liegt die Erwerbslosenquote in Europa – je nachdem, welche Länder man dazu zählt – zwischen 5,9% und 6,4% (Eurostat 2023a). Deutschland konnte im August 2023 mit 3% Erwerbslosenquote nahezu Vollbeschäftigung verzeichnen, die Schweiz blieb mit 3,9% ebenfalls deutlich unter dem Durchschnittswert. Trotz der Corona- und Energie-Krise waren die Arbeitsmärkte relativ stabil, auch dank weitreichender Hilfspakete wie z.B. dem Kurzarbeitergeld. Die arbeitsmarktpolitischen Diskurse drehen sich bereits seit einigen Jahren in beiden Ländern weniger um Erwerbslosenzahlen als um den Fachkräftemangel, der derzeit als grösste Gefahr für die wirtschaftliche Entwicklung gesehen wird (z.B. Neuenschwander & Bennett, 2023; IW-Forschungsgruppe Konjunktur, 2017)

Auch die Jugendarbeitslosigkeit ist in Deutschland und der Schweiz auf einem niedrigen Niveau im Vergleich zu den anderen europäischen Ländern. Die Jugendarbeitslosigkeit lag im August 2023 in den europäischen Ländern durchschnittlich bei 13,8%; Deutschland glänzte mit der niedrigsten Quote von 5,7%, die Schweiz verzeichnete mit einem Wert von 7,3% die zweitniedrigste Quote (Eurostat, 2023b).

Gleichzeitig gelten aber sowohl das deutsche als auch das schweizerische Bildungssystem als Systeme, in denen der Bildungsverlauf von jungen Menschen besonders stark von der sozialen Herkunft abhängt (Schweizerische Koordinationsstelle für Bildungsforschung (SKBF), 2023; Maaz & Dumont, 2019). In beiden Ländern hat sich ein komplexes Übergangssystem entwickelt, welches sozial benachteiligten jungen Menschen Unterstützung beim Übergang von der Schule in den Beruf anbietet.

Neben dem dualen und schulischen Ausbildungssystem sowie der Hochschulbildung hat sich in Deutschland über Jahrzehnte hinweg eine Vielzahl von Angeboten etabliert, die oft unter dem Begriff des Übergangssystems zusammengefasst werden, obwohl sie auf der Basis unterschiedlicher gesetzlicher Normen beruhen, aus unterschiedlichen Mitteln finanziert und mit durchaus unterschiedlichen Zielsetzungen gestartet werden. Gemeinsam ist ihnen, dass sie versuchen, junge Menschen, die das Regel(aus)bildungssystem verlassen haben bzw. dort (noch) nicht Fuss fassen konnten, zu motivieren und zu unterstützen, damit ihnen dies doch noch gelingt. Dabei werden in der Regel sozialpädagogische Methoden und Konzepte angewendet und sozialpädagogische Fachkräfte eingesetzt. Manche dieser Angebote erstrecken sich bis in die Ausbildung hinein, z.B. die Ausbildungsbegleitenden Hilfe (abH nach §75 SGB III), oder ermöglichen einen Beginn der Ausbildung auf dem dritten Arbeitsmarkt in den überbetrieblichen Berufsbildungsstätten (ÜBS). Nur wenn die Massnahme unter den § 13 Jugendsozialarbeit oder §13a Schulsozialarbeit des SGB VIII fällt, stehen dezidiert Ziele der Kinder- und Jugendhilfe im Vordergrund, insbesondere die Entwicklung zu einer eigenständigen und gemeinschaftsfähigen Person (§1 SGB VIII). In den vergangenen 15 Jahren verschoben sich die Massnahmen immer weiter nach vorne in die Phase der schulischen Bildung. Durch Berufsorientierungsmassnahmen, Coaching und sozialpädagogisch begleitete Praktika soll einem Scheitern am Übergang von der Schule in den Beruf vorgebeugt werden, was auch präventive Massnahmen zur Schulmüdigkeit und zum Schulabsentismus beinhalten kann (z.B. Goldmann & Brülle, 2014).

Für die Schweiz stellt sich die Situation ähnlich dar; auch hier existieren zahlreiche Angebote an dieser Übergangsstelle. Beim Übergang Schule-Beruf nehmen Eltern, die Schule sowie die Berufsberatung eine wichtige Rolle ein. Ergänzend gibt es spezialisierte Programme wie z.B. das Case Management Berufsbildung oder das Projekt Lift, das sich als Integrations- und Präventionsprogramm an Jugendliche ab der 7. Klasse mit erschwerter Ausgangslage richtet. Während die meisten Jugendlichen direkt in eine berufliche oder schulische Ausbildung übertreten, besuchen andere eine Zwischenlösung. So weist die jährliche Erhebung der Schulabgänger und Schulabgängerinnen am Ende des Schuljahrs 2022 aus, dass 12% der befragten 14–16-Jährigen ein Brückenangebot in Anspruch nehmen resp. ein Zwischenjahr einschalten (gfs.bern, 2022). Diese Angebote reichen von etablierten Programmen wie dem Brückenangebot «10 Schuljahr», das als klassisches schulisches Übergangsjahr keine explizite sozialpädagogische Ausrichtung hat, bis zu spezialisierten Programmen für Jugendliche mit spezifischem Bedarf (z.B. Motivationssemester).

Sind die Angebote der Schulsozialarbeit mehr auf fachliche (berufsbezogene) Bildung ausgerichtet oder auf die ganzheitliche Förderung der Jugendlichen?

Ryter und Schaffner (2015, S. 264) beschreiben zentrale Spannungsfelder, die für das Schweizer Übergangssystem charakteristisch sind, wie z.B. die exklusive vs. die inklusive Wirkung der Angebote oder das Wissens- und Machtgefälle der Beteiligten. Herausgreifen möchten wir hier aber insbesondere die Spannungsfelder, die in Bezug auf die Schulsozialarbeit mit jungen Menschen relevant sind und entsprechend Ansatzpunkte bieten: Sind die Angebote mehr auf fachliche (berufsbezogene) Bildung ausgerichtet oder auf die ganzheitliche Förderung der Jugendlichen? Sind die Angebote arbeitsweltorientiert oder steht die Lebenswelt der Jugendlichen im Zentrum? – Auch in Deutschland gibt es seit Mitte der 1990er-Jahre einen fachpolitischen Diskurs um die Ausrichtung der Angebote an der Arbeits- bzw. an der Lebenswelt (Pötter, 2004).

2 Schulsozialarbeit bietet einen ganzheitlichen Zugang am Übergang von der Schule in den Beruf

Schulsozialarbeit ist in Deutschland im SGB VIII verankert; sie stellt damit in jedem Fall eine sozialpädagogische Massnahme dar mit dem Ziel, junge Menschen dabei zu unterstützen, zu eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeiten heranzuwachsen (s.o.). Der 15. Kinder- und Jugendbericht der Bundesregierung von 2017 unterstreicht, dass es für junge Menschen in der Transition ins Erwachsenendasein nicht nur um Qualifizierung geht, sondern immer auch um Positionierung und Verselbstständigung (BMFSFJ, 2017).

Untersuchungen zur Rolle der Schulsozialarbeit am Übergang Schule-Beruf gibt es in der Schweiz bislang nicht.

Auch in der Schweiz hat sich die Schulsozialarbeit im Verlauf der letzten Jahrzehnte etabliert, wobei sich die Entwicklungen in der deutsch- und französischsprachigen Schweiz unterscheiden (Hostettler, Pfiffner, Ambord & Brunner, 2020). Im Unterschied zu Deutschland gibt es für die Schulsozialarbeit auf nationaler Ebene keine gesetzliche Grundlage. Dennoch versteht sich Schulsozialarbeit auch hier als niederschwelliges, freiwilliges und vertrauliches Angebot der Sozialen Arbeit in den Schulen, welches Kinder und Jugendliche bei der Lebensbewältigung unterstützt. Aus Evaluationen geht  hervor, dass sich Schülerinnen und Schüler mit Fragen in Bezug auf Berufswahl und Lehrstellensuche an Schulsozialarbeitende wenden (Baier, 2011, S. 25). Ebenso ist bekannt, dass Schulsozialarbeitende im Rahmen des Projekts Lift eine zentrale Rolle übernehmen können. Dass Schulsozialarbeit zukünftig auch an Berufsfachschulen und Gymnasien angeboten werden soll, ist ein weiteres Indiz für ihre Rolle im Übergang Schule-Beruf. Untersuchungen zur Rolle der Schulsozialarbeit am Übergang Schule-Beruf gibt es in der Schweiz bislang nicht.

Schulsozialarbeit kann aufgrund ihrer Verortung in den Schulen frühzeitig Angebote zur Lebensplanung machen und durch ihren ganzheitlichen Zugang jungen Menschen einen Freiraum bieten, in dessen Rahmen sie ihre Wünsche, Bedürfnisse und Ängste bzgl. der Arbeitswelt thematisieren können. Sie kann zur Reflexion gängiger Rollenbilder und veränderter Erwartungen in der Arbeitswelt anregen und dadurch die jungen Menschen dazu befähigen, kompetente Entscheidungen für ihre berufliche Planung zu treffen. Dabei gilt es auch, Erfahrungen des Scheiterns, Umwege, Widerstände und unerwartete Herausforderungen zu thematisieren.

Schulsozialarbeit kann die Thematik des Übergangs von Schule zu Beruf breiter denken als nur auf einen möglichst reibungslosen Anschluss der Schule an die ökonomische Berufswelt zu fokussieren. Teil einer subjektiv erfolgreichen Berufskarriere ist für viele junge Menschen auch die Frage nach der Sinnhaftigkeit und der Nachhaltigkeit ihres Tuns. An dieser Stelle sei auf ein Beispiel aus Australien verwiesen, wo als eine Antwort auf diese Frage das sogenannte «Doppel-Helix-Modell» entwickelt wurde (Fu, 2023). Mit dem Begriff ist gemeint, dass die zwei Stränge «Bildung» und «Arbeit» als unabhängige, aber miteinander verwobene Elemente anzusehen sind, die nicht in einer linearen oder einfach-kausalen Beziehung stehen. Die Lebensrealität von jungen Menschen zeigt ein komplexeres Verhältnis von Bildung und Arbeit. Dieses erfordert eine kontinuierliche Auseinandersetzung mit der (lebenslangen) Bildung und dem beruflichen und damit auch (sozial-)wirtschaftlichen Engagement in der Gesellschaft, die insbesondere auf die Erreichung eines sinn- resp. bedeutungsvollen Lebens abzielt. Die Auseinandersetzung mit Fragen von Bildung und Arbeit ist eine anspruchsvolle Aufgabe für alle jungen Menschen und kann für einzelne Jugendliche zu Überforderungssituationen führen, die spezifischer Intervention bedarf. Gerade in der Übergangsphase von der obligatorischen Schulbildung hin zu einem individuellen Bildungs- und Arbeits-Pfad kann die Schulsozialarbeit diese Herausforderungen gezielt begleiten und unterstützen.

Dies kann und soll einerseits in Form von primärer Prävention passieren (Thematisierung der Bedeutung von Arbeit, Arbeit und Wohlbefinden, individuelle Wege zum «Erfolg»), die alle Jugendlichen gleichermassen adressiert, aber natürlich auch in Form von sekundärer oder tertiärer Prävention resp. Intervention bei belasteten Jugendlichen, sowie deren Eltern (gezielte Vernetzung und Beratung). Unabhängig davon, in welcher Form oder zu welchem Zeitpunkt das Angebot der Schulsozialarbeit beginnt, muss sie die Mehrdimensionalität des Übergangs in ihren Angeboten berücksichtigen und thematisieren, diese auch gegenüber den anderen Akteuren und Kooperationspartnern verdeutlichen und aufzeigen, welche Blockaden entstehen können, wenn sie nicht ausreichend berücksichtigt wird (vgl. Pötter, 2014, S. 40). Schulsozialarbeit hat sowohl den Auftrag als auch die Kompetenzen jungen Menschen bei diesem Übergang zu begleiten und bietet damit eine wichtige Ergänzung zu den stärker berufsorientierenden und -bezogenen Angeboten.

Schulsozialarbeit kann die Thematik des Übergangs von Schule zu Beruf breiter denken als nur auf einen möglichst reibungslosen Anschluss der Schule an die ökonomische Berufswelt zu fokussieren.

Konkret kann dies bedeuten, dass Schulsozialarbeitende für Jugendliche wichtige Ansprechpersonen sein können, wenn letztere z.B. realisieren, dass sie aufgrund ihrer schulischen Leistungen vorerst keine Lehrstelle in ihrem Wunschberuf finden. Sie können Jugendlichen neue Wege aufzeigen und motivieren oder mit ihnen auch den Umgang mit Frustrationen oder Ängsten thematisieren und sie dadurch stärken.

Darüber hinaus sind Sozialarbeitende darauf spezialisiert, die Lebenswelt von Jugendlichen in ihre fachlichen Überlegungen einzubeziehen. Dies ist insbesondere relevant, wenn sie die persönliche Entwicklung der Jugendlichen in den Bereichen Freizeit, berufliche Entwicklung und Lebensgestaltung unterstützen.

Mit anderen Worten: Trotz vieler Akteure im Feld ist die Schulsozialarbeit eine wichtige Ansprechpartnerin für das Thema Übergang Schule-Beruf. Sie muss die ganzheitliche Betrachtung der Jugendphase aufrechterhalten und die Verselbständigung und Selbstpositionierung als gleichwertige Aufgaben neben die Qualifizierung stellen. Dann kann sie junge Menschen darin unterstützen, ihre Chancen bei diesem wichtigen Thema zu wahren und bewusste Entscheidungen zu treffen.

Literatur

Zitiervorschlag

Pötter, N., Stohler, R., & Bussmann, E. (2023). Wie Schulsozialarbeit zur beruflichen Orientierung beitragen kann. Transfer. Berufsbildung in Forschung und Praxis 8(12).

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