Berufsbildung in Forschung und Praxis
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Normative Einstellungen gegenüber der Rolle des Staates beeinflussen die Ausbildungstätigkeit der Betriebe

Wer ausbildet, tut dies auch aus Überzeugung

Die bildungsökonomische Forschung zur Ausbildungsbereitschaft der Betriebe hat bisher fast ausschliesslich auf Motive fokussiert, welche auf finanzielle Abwägungen der Betriebe zurückgehen. Die Ergebnisse einer neuen Studie von Forschern des EHB und der Universität Bern zeigen nun, dass auch nicht-monetäre Faktoren einen wesentlichen Einfluss auf die betriebliche Ausbildungsentscheidung haben. Diese Faktoren erklären verschiedene Eigenheiten des Schweizer Berufsbildungssystems, die ansonsten schwer zu verstehen sind.


Es stellt sich die Frage, ob ein komplexes System wie die Schweizer Berufsbildung ausschliesslich auf finanziellen Überlegungen der Betriebe fussen kann.

Es ist unbestritten, dass finanzielle Motive wichtig sind, um die insgesamt hohe Ausbildungsbereitschaft der Betriebe in der Schweiz zu erklären (vgl. dazu die Übersicht von Muehlemann und Wolter, 2014). Besonders prominent sind Erklärungen, welche auf die produktiven Leistungen der Lernenden während ihrer Ausbildungszeit bzw. die Differenz zwischen diesen und den Kosten der Ausbildung fokussieren. So kommen zum Beispiel Strupler und Wolter (2012) in der dritten Kosten-Nutzen Erhebung zum Schluss, dass für eine Mehrheit der Betriebe in der Schweiz die produktiven Leistungen der Lernenden die Ausbildungskosten bis zum Ende der Lehre übertreffen.

Dennoch stellt sich die Frage, ob ein komplexes System wie die Schweizer Berufsbildung ausschliesslich auf finanziellen Überlegungen der Betriebe fussen kann. Das Schweizer Berufsbildungssystem beruht etwa ganz wesentlich auf der freiwilligen, kollektiven Partizipation der Betriebe und der Berufsverbände, was kaum nur mit finanziellen Anreizen erklärt werden kann. Nicht-monetäre Faktoren spielen auch in der Selbsteinschätzung der Betriebe eine Rolle: Werden die Betriebe nach ihrer Motivation für die Ausbildung von Jugendlichen gefragt, führen sie  häufig nicht-finanzielle Argumente an, beispielsweise dass die Ausbildung von Lernenden Teil der Firmentradition und eine Leistung für die Gesellschaft sei. Es ist deshalb davon auszugehen dass die betriebliche Entscheidung, Lernende auszubilden, auch durch nicht-finanzielle Faktoren beeinflusst wird.

Die bisherige Literatur hat allerdings kaum konkrete Evidenz dazu geliefert, welche nicht-ökonomischen Faktoren tatsächlich relevant sind für die Ausbildungsentscheidung der Betriebe. Wir gehen in unserer Studie von der Hypothese aus, dass es regionale Unterschiede in den gesellschaftlichen Vorstellungen bezüglich der Rollenverteilung zwischen Betrieben und dem Staat in der Bereitstellung von Ausbildungsangeboten existieren; d.h. Betriebe sind mit unterschiedlichen gesellschaftlichen Erwartungen betreffend ihren Beitrag zur Ausbildung von Jugendlichen konfrontiert. Solche normativen Erwartungen können aus verschiedenen Gründen Einfluss auf das Verhalten nehmen, sei es weil Abweichungen von der Norm sanktioniert werden oder weil die Norm internalisiert wurde – d.h. weil die Norm unbewusst eingehalten wird (Brennan et al., 2013). Wir erwarten folglich, dass die Ausbildungswahrscheinlichkeit in denjenigen Regionen höher ist, in denen die Erwartung stärker ausgeprägt ist, dass die Betriebe ihren Beitrag an die Ausbildung von Jugendlichen leisten sollen.

Auffällige regionale Unterschiede

Die Ausbildungsbeteiligung der Betriebe ist regional zum Teil sehr unterschiedlich gross.

Die drei bestehenden Erhebungen zu Kosten und Nutzen der beruflichen Grundbildung (KNBB) aus den Jahren 2000, 2004 und 2009 bilden die Grundlage für unsere empirische Analyse. Diese Daten enthalten, neben der Angabe, ob im Betrieb Lernende ausgebildet werden oder nicht, verschiedene Informationen zum Betrieb selbst (z.B. die Betriebsgrösse oder die Branche, in welcher ein Betrieb tätig ist). Die in der Analyse verwendete Stichprobe umfasst etwas mehr als 21’000 ausbildende und nicht ausbildende Betriebe aus der ganzen Schweiz.1

Abbildung 1 illustriert die teils grossen regionalen Unterschiede in der Ausbildungsbeteiligung der Betriebe (d.h. im Anteil der ausbildenden Betriebe an allen Betrieben innerhalb einer Region). Regionen mit einer überdurchschnittlich hohen (tiefen) Ausbildungsbeteiligung sind dunkelblau (hellblau) eingefärbt. Deutlich erkennbar sind einerseits sprachregionale Unterschiede (im deutschsprachigen Teil der Schweiz ist die Ausbildungsbeteiligung deutlich höher), andererseits Unterschiede zwischen ländlichen und städtischen Regionen (wobei die Ausbildungsbeteiligung in den ländlichen Regionen höher ist).

Abbildung 1: Regionale Unterschiede in der Ausbildungswahrscheinlichkeit der Betriebe (d.h. Anteil an ausbildenden an allen Betrieben) nach Arbeitsmarktregion. Arbeitsmarktregionen mit einer überdurchschnittlich (unterdurchschnittlich) hohen Arbeitsmarktbeteiligung sind dunkelblau (hellblau) eingefärbt. Die durschnittliche Ausbildungsbeteiligung in der Stichprobe insgesamt beträgt 33,6% (siehe dazu auch Fussnote 1).

Um die normativen Einstellungen gegenüber der Rolle des Staates und der Betriebe in der beruflichen Grundbildung zu messen, greifen wir auf kommunale Ergebnisse von zwei Abstimmungen auf nationaler Ebene zurück. Bei beiden Abstimmungen stand zur Diskussion, ob der Staat in der beruflichen Grundbildung eine stärkere Rolle zulasten der privaten Akteure einnehmen sollte.2 Beide Volksinitiativen sahen unter anderem einen nationalen Berufsbildungsfonds vor, der von Bund und Kantonen geführt werden sollte. Mit einer Ja-Stimme brachten die Stimmbürgerinnen und -bürger zum Ausdruck, dass sie solche Eingriffe in den Lehrstellenmarkt befürworten. Umgekehrt brachten sie mit einer Nein-Stimme zum Ausdruck, dass die Lehrstellen weiterhin weitgehend über einen freien Lehrstellenmarkt zugewiesen werden sollen, auf dem die Betriebe eine zentrale Rolle spielen. Wir verwenden im Folgenden den Durchschnitt der Ja-Stimmenanteile aus den beiden Abstimmungen, um die Einstellungen gegenüber der Rolle des Staates im Kontext der Berufsbildung in der jeweiligen Gemeinde zu messen.

Abbildung 2 zeigt die regionalen Unterschiede in den Einstellungen gegenüber einer stärkeren Rolle des Staates in der Berufsbildung. Deutlich mehr Zustimmung findet die Forderung nach einer stärkeren Rolle des Staates in der Berufsbildung im lateinisch-sprachigen Teil der Schweiz sowie in den grösseren Städten (deutlich erkennbar sind diesbezüglich etwa die Städte Basel und Zürich).

Abbildung 2: Regionale Unterschiede in der Einstellung gegenüber der Rolle des Staates in der Berufsbildung nach Arbeitsmarktregion. Regionen mit einer überdurchschnittlich (unterdurchschnittlich) hohen Zustimmung zu einer stärkeren Rolle des Staates in Bereich der Berufsbildung sind dunkelblau (hellblau) eingefärbt. Der durchschnittliche Ja-Stimmenanteil beträgt 22,4%.

Wo die Ausbildungsbereitschaft höher ist

In den Regionen, in denen die Überzeugung vorherrscht, dass der Staat keine stärkere Rolle in der Berufsbildung übernehmen sollte, ist die Ausbildungswahrscheinlichkeit der Betriebe deutlich höher.

Unsere empirische Analyse zeigt, dass ein deutlicher Zusammenhang zwischen den beiden Grössen existiert. Dieses zentrale Ergebnis lässt sich am einfachsten grafisch darstellen. Zur besseren Verständlichkeit sind einzelne Regionen explizit beschriftet.

In Abbildung 3 ist die regionale Ausbildungswahrscheinlichkeit (d.h. der Anteil an ausbildenden Betrieben am Total aller Betriebe innerhalb einer Arbeitsmarktregion) auf der y-Achse eingetragen. Auf der x-Achse ist die Einstellung gegenüber einer stärkeren Rolle des Staates in der Berufsbildung in den Regionen eingetragen, also der durchschnittliche Ja-Stimmenanteil aus den beiden Abstimmungsvorlagen zur Berufsbildung. Die Grösse der Kreise ist proportional zur Anzahl der Betriebe in einer Region. Der grösste (kleinste) Kreis repräsentiert also die Arbeitsmarktregion Zürich (Pays d’Enhaut), diese beiden Regionen sind in der Abbildung entsprechend markiert. Es ist ein sehr deutlicher und – wie erwartet – negativer Zusammenhang zwischen den beiden Grössen zu sehen. In denjenigen Regionen der Schweiz, in denen die Überzeugung vorherrscht, dass der Staat keine stärkere Rolle in der Berufsbildung übernehmen sollte (in der Grafik links), ist die Ausbildungswahrscheinlichkeit der Betriebe deutlich höher als in denjenigen Regionen, in welchen eine stärkere Rolle des Staates gewünscht wird (in der Grafik rechts). In Abbildung 3 lässt sich dies anhand zweier Regionen beispielhaft illustrieren: Die Region Mesolcina ist die Arbeitsmarktregion mit der tiefsten beobachteten Ausbildungswahrscheinlichkeit; gleichzeitig ist es eine derjenigen Regionen, in der die Unterstützung für eine stärkere Rolle des Staates in der Berufsbildung am stärksten ausgeprägt ist. Umgekehrt ist das Glarner Hinterland sowohl durch eine sehr kritische Haltung gegenüber mehr staatlicher Intervention in der Berufsbildung als auch durch eine sehr hohe Ausbildungswahrscheinlichkeit charakterisiert.

Abbildung 3: Regionale Ausbildungswahrscheinlichkeit und normative Einstellungen gegenüber der Rolle des Staates in der Berufsbildung. Die Abbildung zeigt den Zusammenhang zwischen den regionalen Einstellungen gegenüber der Rolle des Staates in der Berufsbildung (auf der x-Achse) und der regionalen Ausbildungsbeteiligung der Betriebe (auf der y-Achse). Die Grösse der Kreise ist proportional zur Anzahl der Betriebe in einer Region.

Es ist naheliegend, die Unterschiede in der Ausbildungswahrscheinlichkeit zwischen den Regionen auf die entsprechenden Differenzen in den normativen Einstellungen zurückzuführen. Allerdings stellt sich an dieser Stelle die Frage, ob der in Abbildung 3 dargestellte Zusammenhang nicht auch durch andere Faktoren erklärt werden könnte. So könnte man zum Beispiel argumentieren, dass sich Regionen mit unterschiedlichen sozialen Normen gleichzeitig auch bezüglich anderer Faktoren (z.B. bezüglich der wirtschaftlichen Struktur oder der sprach-kulturellen Zugehörigeit einer Region) unterscheiden, welche ihrerseits mit der Ausbildungswahrscheinlichkeit in Beziehung stehen. Eine eingehende ökonometrische Analyse, welche viele verschiedene Erklärungsmechanismen in Betracht zieht, zeigt allerdings, dass der Zusammenhang zwischen der regionalen sozialen Norm und der Ausbildungswahrscheinlichkeit bestehen bleibt. Weder regionale noch firmenspezifische Variablen können den in Abbildung 3 dargestellten Zusammenhang «wegerklären». Zumindest ein Teil der beobachtbaren Unterschiede in der regionalen Ausbildungswahrscheinlichkeit lässt sich demnach ursächlich auf entsprechende regionale Unterschiede in den normativen Einstellungen bezüglich der Rollenteilung zwischen Staat und Betrieben in der Berufsbildung zurückführen.3

Erheblicher Einfluss

Unsere Ergebnisse ergänzen die bisherige bildungsökonomische Literatur, die bislang praktisch ausschliesslich auf Faktoren fokussiert hat, welche auf finanziellen Überlegungen der Betriebe beruhen.

Unsere empirische Analyse belegt die Relevanz von nicht-finanziellen Faktoren für die Ausbildungsentscheidung von Betrieben. Ansonsten vergleichbare Betriebe bilden eher Lernende aus, wenn sie sich in einer Region mit einer kritischen Haltung gegenüber einer stärkeren Rolle des Staates in der Berufsbildung befinden. Dieser Effekt erweist sich in unserer Analyse als statistisch signifikant und als äusserst robust, das heisst, er zeigt sich in stets ähnlicher Grössenordnung in verschiedenen statistischen Modellen. Schliesslich erweist sich der Effekt auch von der Grösse her als bedeutsam: Ist der Nein-Stimmenanteil in einer Gemeinde um 10 Prozent höher, dann ist die Ausbildungsbeteiligung der Betriebe im Schnitt um 3,1 Prozent höher (dies ist ein Effekt von erheblicher ökonomischer Grössenordnung).4

Abbildung 4 illustriert die Grössenordnung des Effekts noch auf eine andere Art. Dafür wurde zunächst für jede Region eine hypothetische Ausbildungsbeteiligung berechnet, welche von der fiktiven Situation ausgeht, dass alle Gemeinden den minimal beobachteten Ja-Stimmenanteil aufweisen.5 Die Differenz aus der fiktiven und der tatsächlichen Ausbildungsbeteiligung illustriert den maximal denkbaren Effekt, den die Einstellungen gegenüber der Rolle des Staates auf die Ausbildungsbeteiligung haben könnten (für eine übersichtlichere Darstellung wurden die Daten zudem auf kantonaler Ebene aggregiert). Diese Differenz ist in Abbildung 4 auf der y-Achse abgetragen, während auf der x-Achse die tatsächliche Ausbildungsbeteiligung abzulesen ist. Die Abbildung zeigt deutlich, dass ein wesentlicher Teil der beobachteten regionalen Unterschiede in der Ausbildungsbeteiligung auf entsprechende Unterschiede in den Einstellungen gegenüber der Rolle des Staates zurückzuführen sind.6

Abbildung 4: Illustration der quantitativen Grössenordnung. Die Abbildung zeigt die Differenz zwischen einer hypothetischen und der tatsächlich beobachteten Ausbildungsbeteiligung (∆Ausbildungsbeteiligung, auf der y-Achse) gegenüber der tatsächlich beobachteten Ausbildungsbeteiligung (auf der x-Achse). Die hypothetische Ausbildungsbereitschaft resultiert aus dem (fiktiven) Szenario, in welchem sämtlichen Gemeinden der minimal beobachtete Ja-Stimmenanteil (Gemeinde Beromünster, mit einem Ja-Stimmenanteil von 6,5%) zugewiesen wird. Die Grösse der Kreise ist proportional zur Anzahl der Betriebe in einem Kanton.

Unsere Ergebnisse ergänzen die bisherige bildungsökonomische Literatur, die bislang praktisch ausschliesslich auf Faktoren fokussiert hat, welche auf finanziellen Überlegungen der Betriebe beruhen (z.B. produktive Leistungen der Lernenden während ihrer Ausbildungszeit im Betrieb oder die Einsparung von Rekrutierungskosten für Fachkräfte vom externen Arbeitsmarkt durch die Übernahme von eigenen Lernenden).

Implikationen für die Praxis

Nicht-finanzielle Motive von Ausbildungsbetrieben können verschiedene Eigenheiten des Schweizer Berufsbildungssystems erklären, welche ansonsten schwierig zu verstehen sind. Erstens nimmt ein erheblicher Teil der ausbildenden Betriebe teils bedeutende Kosten für die Ausbildung auf sich, welche bis zum Abschluss der Ausbildung nicht vollständig durch entsprechende produktive Leistungen der Lernenden kompensiert werden. Zweitens zeigt unsere Analyse, dass sich die grossen regionalen Unterschiede in der Ausbildungswahrscheinlichkeit innerhalb der Schweiz (u.a. zwischen den verschiedenen Sprachregionen) zu einem wesentlichen Teil durch entsprechende Unterschiede in den normativen Einstellungen gegenüber der Rolle des Staates in der Berufsbildung erklären. Drittens erscheint es uns plausibel, dass ein komplexes System wie die Schweizer Berufsbildung nicht ausschliesslich auf (kurzfristigen) finanziellen Überlegungen der teilnehmenden Betriebe beruht. Schliesslich können solche Faktoren, viertens, möglicherweise auch erklären, warum es so schwierig ist, das Berufsbildungssystem der Schweiz (oder Teile davon) in andere Kontexte zu transferieren.

Dies hat allenfalls auch Implikationen für die Steuerung der Berufsbildung. Zunächst deuten unsere Ergebnisse an, dass für die Steuerung der Berufsbildung nicht nur der Hebel der finanziellen Anreize für die Betriebe zur Verfügung steht, wie beispielsweise das Ausbildungskriterium bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen. Wenn neben finanziellen auch nicht-finanzielle Motive für die Ausbildung wichtig sind, dann eröffnet dies andere Möglichkeiten der Einflussnahme auf die Ausbildungsentscheidung von Betrieben. Entsprechend erscheinen bestehende Instrumente wie z.B. die Lehrbetriebsvignette oder Berufswettbewerbe als sinnvoll, auch wenn ihre Wirksamkeit in der vorliegenden Studie nicht direkt untersucht wurde. Gleichzeitig deuten unsere Ergebnisse an, dass ein komplexes System wie die Schweizer Berufsbildung letztlich nur bedingt staatlich gesteuert werden kann, weil man davon ausgehen muss, dass sich soziale Normen nicht oder nur sehr begrenzt steuern lassen. Dass der soziale Kontext wichtig ist für ein funktionierendes Berufsbildungssystem, könnte auch erklären, warum es schwierig ist, das System (oder Teile davon) in andere Länder zu exportieren. Schliesslich werfen unsere Ergebnisse die Frage auf, welche Wechselwirkungen zwischen finanziellen und nicht-finanziellen Motiven bestehen. Falls, wie häufig argumentiert wird, nicht-finanzielle Motive durch finanzielle Anreize verdrängt werden (können), dann würde dies bedeuten, dass der Fokus der Berufsbildungspolitik nicht ausschliesslich auf finanziellen Motiven liegen sollte.

Die Ergebnisse in detaillierter Form erscheinen demnächst als Arbeitspapier (Kuhn et al., 2018).

1 Die Stichprobe der Betriebe ist repräsentativ für den zweiten und dritten Sektor, d.h. landwirtschaftliche Betriebe sind nicht berücksichtigt. Ebenfalls nicht berücksichtigt sind Kleinstunternehmen mit zwei oder nur einem Mitarbeitenden. Dies schliesst zwar nur verhältnismässig wenige ausbildende Betriebe, aber eine substantielle Anzahl an nicht ausbildenden Betrieben, aus der Stichprobe aus. Dies hat insgesamt einen deutlichen Einfluss auf den hier ausgewiesenen Anteil an ausbildenden Betrieben.
2 Es handelt sich einerseits um die Initiative  „für eine gesicherte Berufsbildung und Umschulung“ vom 28. September 1986 sowie um die Initiative „für ein ausreichendes Berufsbildungsangebot (Lehrstellen-Initiative)“ vom 18. Mai 2003. Beide Initiativen wurden von einer deutlichen Mehrheit der Stimmbürger/-innen abgelehnt (der prozentuale Anteil an Ja-Stimmen betrug 18,4% bzw. 31,6%).
3 Es ist auch denkbar dass es auch (oder gar ausschliessslich) einen Effekt in die andere Richtung gibt, dass also die Ausbildungsbereitschaft die soziale Norm beeinflusst. Um diesem Einwand zu begegnen verwenden wir sogenannte Instrumentvariablenmethoden. Diese zusätzlichen Ergebnisse stützen unsere Interpretation eines Effektes von der sozialen Norm auf die Ausbildungsentscheidung.
4 Muehlemann et al. (2007) kommen zum Schluss, dass eine Erhöhung des Nettonutzens (d.h. der Differenz  den produktiven Leistungen der Lernenden und den Ausbildungskosten) um 10 Prozent die Ausbildungsbeteiligung um ca. 4,5 Prozent erhöhen würde. Unter Berücksichtigung der statistischen Unschärfe der beiden Effekte ist die ökonomische Grössenordnung der beiden Effekte durchaus vergleichbar.
5 Die Gemeinde mit dem geringsten Ja-Stimmenanteil (6,5%) ist Beromünster im Kanton Luzern.
6 Für den Kanton Genf resultiert für dieses fktive Szenario eine um 12 Prozenpunkte höhere Ausbildungsbeteiligung, was gegenüber der tatsächlichen Ausbildungsbeteiligung (von ungefähr 15 Prozent) eine Erhöhung von rund 80% bedeuten würde. Dennoch bliebe die Ausbildungsbeteiligung im Kanton Genf unterdurchschnittlich, was auf die Bedeutung anderer Einfluissfaktoren hinweist.

Literatur

  • Brennan, G., Eriksson, L., Goodin, R.E., und Soutwood N. (2013). Explaining Norms. Oxford University Press.
  • Kuhn, A., Schweri, J., und Wolter, S. C. (2018). Social Norms and the Private Provision of Training. Leading House Working Paper Series.
  • Muehlemann, S. und Wolter, S. C. (2014). Return on investment of apprenticeship systems for enterprises: Evidence from cost-benefit analyses. IZA Journal of Labor Policy, 3(1), 25.
  • Muehlemann, S., Schweri, J., Winkelmann, R., und Wolter, S. C. (2007). An empirical analysis of the decision to train apprentices. Labour, 21(3), 419–441.
  • Strupler, M. und Wolter, S. C. (2012). Die duale Lehre: Eine Erfolgsgeschichte – auch für die Betriebe. Rüegger Verlag: Glarus.
Zitiervorschlag

Kuhn, A., Schweri, J., & Wolter, S. C. (2018). Wer ausbildet, tut dies auch aus Überzeugung. Transfer. Berufsbildung in Forschung und Praxis 3(3).

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