Berufsbildung in Forschung und Praxis
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Der D-VET Hub unterstützt die digitale Transformation in der Berufsausbildung

Die Potenziale digitaler Lernumgebungen

Peter Bühlmann

Künstliche Intelligenz – besser spricht man von maschinellem Lernen – kommt auch in der Berufsbildung an. Der D-VET-Hub der EPFL (École Polytechnique Fédérale de Lausanne) beschäftigt sich mit der Entwicklung von Lernumgebungen, die deren Potenzial nutzen. Er setzt die Aktivitäten von Dual-T fort und wird als Leading House «Technologien für die Berufsbildung» durch das SBFI finanziert. Eine Anwendung ist zum Beispiel «PharmaSim», eine virtuelle Apotheke für szenariobasiertes Lernen.

Studie von WorkMed befragt 45'000 Lernende

Drei von vier Jugendlichen geht es in der Lehre gut – aber einige brauchen mehr Unterstützung

Ende 2024 sind rund 45’000 Lernende in der Schweiz gefragt worden, wie es ihnen in der Lehre geht, wie sie Herausforderungen und Belastungen bewältigen und was ihnen hilft, sich positiv zu entwickeln. Ergebnis: 80% bis 90% sagen, dass es ihnen in der Lehre eher bis sehr gut geht, dass sie die Lehre spannend finden und stolz darauf sind, im Lehrbetrieb zu arbeiten. 56% würden ihren Lehrbetrieb weiterempfehlen, 33% teilweise und 11% nicht. Gleichzeitig erleben 61% Prozent der Lernenden in der Lehre «psychische Probleme» im weitesten Sinn (von negativen Gedanken und Gefühlen bis hin zu psychischen Krisen und Krankheiten). Bei rund 25% bis 30% der Lernenden ist von Problemen auszugehen, die aktiver angegangen werden sollten. Hier brauche es weitere Anstrengungen aller Akteure in der Berufsbildung, so die Studie.

Zusammenfassung der Studie

Transfer. Berufsbildung in Forschung und Praxis wird nach den Sommerferien die Ergebnisse der Studie in vier Beiträgen vertiefen.

Working Paper (242) des Swiss Leading House VPET-ECON

Mindestlöhne stärken die Bereitschaft der Firmen, in Weiterbildung zu investieren

Mehrere Schweizer Kantone haben in der jüngeren Vergangenheit hohe und stark verbindliche Mindestlöhne eingeführt. Das hat sich positiv auf die berufliche Weiterbildung ausgewirkt, so eine Studie von Katarina Zigova und Thomas Zwick. Die Unternehmen hätten stärker in formale Weiterbildungen während der Arbeitszeit investiert. Diese Wirkung sei «erheblich», am stärksten bei Niedriglohnbezügern unterhalb und einige Prozentpunkte oberhalb des neuen Mindestlohnniveaus. Offenbar zögen es die Arbeitgeber vor, die Produktivität ihrer Arbeitskräfte nach der Einführung von stark einschneidenden Mindestlöhnen zu erhöhen, statt Kosten für die Einstellung besser qualifizierter Arbeitskräfte auf sich zu nehmen. Dieses Ergebnis stehe im Gegensatz zu den meisten bisherigen theoretischen und empirischen Arbeiten, die auf der Grundlage der Standard-Humankapitaltheorie argumentieren, dass Mindestlöhne die Weiterbildung am Arbeitsplatz verringern oder bestenfalls keine Auswirkungen haben. Die Forschenden zeigen zudem, dass Mindestlöhne keine negativen Auswirkungen auf die Ausbildungsbereitschaft der Betriebe haben.

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Die Pädagogische Hochschule der FHNW hat ein neues Instrument entwickelt

Triago – ein Beratungsinstrument im Bereich der Grundkompetenzförderung Erwachsener

Bund und Kantone sind verpflichtet, Grundkompetenzen (Sprache, Mathematik, Informations- und Kommunikationstechnologien) Erwachsener zu fördern. Die Professur Erwachsenenbildung und Weiterbildung der Pädagogischen Hochschule FHNW (Ulla Klingovsky und Martin Schmid) hat nun zwei Instrumente für die Abklärung solcher Kompetenzen entwickelt und publiziert. Sie richten sich in erster Linie an Beratungspersonen in Sozialdiensten, Berufsberatungen oder Arbeitsintegration. Das erste Instrument ist ein Kartenset zur dialogischen Abklärung und Beratung im Bereich Grundkompetenzen, das zweite steht online zur Verfügung und kann auch durch Betroffene selber oder in Betrieben genutzt werden. Laut Erhebungen besteht ein grosser Bedarf nach solchen Werkzeugen, wie eine Grundlagenstudie von Interface zeigte. Die Instrumente stehen in Deutsch, Französisch und Italienisch kostenlos zur Verfügung.

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Antrittsvorlesung von Markus Maurer an der Universität Zürich

Zu wenig Theorie: Der beruflichen Grundbildung droht ein Imageschaden

Markus Maurer (Professor für Berufspädagogik an der PH Zürich) hat an dieser Stelle kritische Thesen zum «Auftrag der Berufsfachschule» formuliert. Seine Beobachtungen bilden nun auch den Gegenstand seiner Antrittsvorlesung (Privatdozentur) an der Universität Zürich vom 27. Mai 2025. Er formuliert darin den Befund einer «funktionalen Verengung» des berufsschulischen Unterrichts auf betriebliche Verwertbarkeit (im Sinne der Handlungskompetenzorientierung) – und einer schleichenden Erosion des (breiter gemeinten) gesetzlichen Auftrags der Berufsfachschulen, «theoretische Grundlagen der Berufsausübung» zu vermitteln. Markus Maurer befürchtet einen Imageschaden für die berufliche Grundbildung, wenn Theorievermittlung in der beruflichen Grundbildung zunehmend oder gar vollständig an die Berufsmaturität delegiert werde. Die zentrale Frage laute: Wie sehen Qualifikationsverfahren aus, die glaubwürdig Handlungskompetenzen prüfen und gleichzeitig dazu beitragen, dass Lernende am Ende ihrer Grundbildung über zentrale «theoretische Grundlagen der Berufsausübung» verfügen?

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Ergebnisse einer sozialraumorientierten Untersuchung und Empfehlungen

Gestaltung und Aneignung innovativer Lernorte

Katrin Kraus & Lynette Weber

Die Aneignung eines neuen Schulgebäudes durch Lehrpersonen war Gegenstand einer sozialraumorientieren Untersuchung im Forschungsschwerpunkt «Orte des Lernens» am Lehrstuhl für Berufs- und Weiterbildung der Universität Zürich. Die Arbeit nimmt die Perspektive von Lehrpersonen ein. Sie untersucht mit einem ethnographischen Ansatz aus Beobachtung, Interviews und Raumskizzen, wie sie sich diesen Lernort im Rahmen ihrer Unterrichtstätigkeit aneignen und wie sie dabei mit der darin umgesetzten Vorstellung von Flexibilität und Individualisierung umgehen. Dazu wird rekonstruiert, was die Lehrpersonen in einzelnen Unterrichtssituationen tun und wie oder auf welche Art und Weise sie es tun.

ETH Zürich: Meta-Analyse von 66 internationalen Studien

Was befähigt besser für den Arbeitsmarkt: Berufsbildung oder Allgemeinbildung?

Die ETH Zürich (Professur für Bildungssysteme, Ursula Renold) hat 66 internationale Studien zur Frage ausgewertet, wie gut Berufsbildung und Allgemeinbildung auf den Arbeitsmarkt vorbereiten (Beschäftigung, Lohn). Es ist dies die erste Zusammenfassung dieser Art. Auf der Grundlage von 39 Studien, die die Auswirkungen der Berufsbildung mit der allgemeinen Bildung vergleichen, zeigen sich minimal bessere Arbeitsmarktergebnisse von beruflicher gegenüber allgemeiner Bildung; diese tendieren aber im Lauf der Zeit gegen Null. Auf der Grundlage der weiteren 27 Studien (sie verglichen die Berufsbildung mit einer uneingeschränkten Kontrollgruppe) ist die Auswirkung der Berufsbildung mittelgross und zeigt einen signifikanten Anstieg der Beschäftigung und der Verdienste/Löhne. Die Autoren der Studie erklären die insgesamt eher geringen Vorteile der Berufsbildung damit, dass sich viele Studien ausschliesslich auf schulische Berufsbildungsprogramme (davon zahlreiche US Community Colleges) konzentrierten, die kaum auf die Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt abgestimmt seien.

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Forschungsarbeit der EHB

Gesundheit von Lernenden: Zwischen Schutzgedanken und Risikoverharmlosung

Nadia Lamamra, Barbara Duc, Mathilde Romanens & Gilles Descloux

Das Schweizer Berufsbildungssystem kennt klare gesetzliche Vorgaben zum Schutz der Gesundheit und Sicherheit von Lernenden. In der Praxis geraten diese aber manchmal in den Hintergrund, wie ein Forschungsprojekt der EHB zeigt. So spielen die psychische Gesundheit und die psychosozialen Risiken, die mit dem Arbeitsumfeld einhergehen, eine untergeordnete Rolle. Insgesamt tragen die Handlungskompetenzorientierung, die Mechanismen der Risikoverharmlosung und der Fokus auf Eigenverantwortung im Gesundheitswesen zu einer unscharfen Definition von Gesundheit am Arbeitsplatz bei.

Studie am Leading House VPET-ECON

Frauen meiden Berufe mit hohem Mathe-Anteil

Je mehr Mathe, desto weniger Frauen – auf diese Formel lässt sich das Geschehen im Rahmen der Berufswahl bringen. Dies zeigt ein Forschungsprojekt des Leading House VPET-ECON (Thea S. Zöllner, Working Paper 237). Während die Ergebnisse nur eine sehr geringe geschlechtsspezifische Diskrepanz zugunsten von Männern in Berufen mit höheren naturwissenschaftlichen Anforderungen nahelegen, zeigt sich eine statistisch signifikante geschlechtsspezifische Diskrepanz in Berufen mit höheren mathematischen Anforderungen; dies entspricht im Durchschnitt einem Lohnminus von ca. 12% über das gesamte Arbeitsleben.

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Studie an der Universität Zürich

Produktive Mitstudierende prägen unsere Persönlichkeit

Vor einiger Zeit zeigten Claudio Schilter, Samuel Luethi und Stefan C. Wolter, dass wettbewerbsfähige Mitschülerinnen und -schüler dazu beitragen, dass Jugendliche sich für besser bezahlte (und anspruchsvollere) Berufe entscheiden und sich diese auch sichern (Working Paper 228, Swiss Leading House VPET-ECON). Nun macht eine Studie der Universität Zürich ähnliche Feststellungen für den akademischen Bereich. Studierende werden, so die Erkenntnis, wettbewerbsfähiger, offener und gewissenhafter, wenn sie mit Mitstudierenden zusammenarbeiten, die diese Eigenschaften stärker aufweisen. Die Forschenden Ulf Zölitz (UZH) und Xiaoyue Shan (National University of Singapore) sprechen von deutlichen Persönlichkeits-«Spillover»-Effekten. Ulf Zölitz: «Unsere Ergebnisse legen nahe, dass der Einfluss produktiver Persönlichkeitsmerkmale von Peers ebenso entscheidend sein kann wie das akademische Leistungsniveau des Umfelds». Keine signifikanten Effekte zeigten sich bei Extraversion, Verträglichkeit und Neurotizismus.

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Längsschnittanalysen des Bundesamts für Statistik

Der Erwerb eines Abschlusses auf Sekundarstufe II hängt stark mit der sozioökonomischen Situation zusammen

Gut acht Prozent der Jugendlichen, die zwischen 2011 und 2013 ihr 15. Altersjahr vollendet haben, hatten zehn Jahre später noch keinen Abschluss der Sekundarstufe II. Bei den Jugendlichen aus Haushalten, die zu den 20 Prozent mit dem geringsten Nettoäquivalenzerwerbseinkommen gehören, beläuft sich dieser Anteil auf 13 Prozent, bei jenen, die wirtschaftliche Sozialhilfe beziehen, sogar auf 24 Prozent. Umgekehrt haben in den einkommensstarken Haushalten (reichstes Fünftel der Haushalte) 73 Prozent der Jugendlichen eine Maturität und nur ein Prozent ein Eidgenössisches Berufsattest. Dies sind die wichtigsten Ergebnisse aus einer neuen Publikation des Bundesamtes für Statistik (BFS) auf Basis von Längsschnittanalysen mit Daten zu rund 82 000 Jugendlichen.

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Gemeinsamer Forschungsbericht der D-A-CH-Länder

Indikatoren zur dualen Berufsbildung 2024

Deutschland, Österreich und die Schweiz besitzen gut ausgebaute duale Berufsbildungssysteme, die regelmässig in länderspezifischen Reports beschrieben werden. Im Rahmen eines Pilotprojekts haben die drei Länder nun ein gemeinsames Monitoring eingerichtet und den ersten Bericht «Indikatoren zur dualen Berufsbildung 2024» publiziert. Er zeigt, um nur eine von zahlreichen Feststellungen zu nennen, dass die Erfolgsquote bei den Lehrabschlussprüfungen in Österreich deutlich unter jener in Deutschland und vor allem in der Schweiz liegt; eine Rolle könnte spielen, dass in Österreich eine duale Lehrausbildung vor allem von Jugendlichen mit schwächeren Schulleistungen gewählt wird. Im Zuge der Fortführung des Projekts sollte auch eine Diskussion der Ergebnisse sowie deren etwaigen Implikationen für die künftige Steuerung der Berufsbildung zumindest im kleinen Rahmen mitgeplant werden, so die Autoren des Berichts.

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«Berufsbildung 2040 – Perspektiven und Visionen»: Neue Lernumgebungen, smarte Technologien und soziale Kompetenzen

Berufsfachschule 2040: «Escape» in die Zukunft

Claudia Hug

Die Berufsfachschule der Zukunft ist weit mehr als ein Lernort. Sie wird zur Plattform für Innovation, zum sozialen Raum für Persönlichkeitsentwicklung und zum Motor für nachhaltiges Handeln in einer dynamischen Arbeitswelt. Um diese Vision Wirklichkeit werden zu lassen, braucht es die konsequente Weiterentwicklung dieser Schulen – technologisch, didaktisch und kulturell. Einiges davon ist am Bildungszentrum Limmattal bereits Realität, anderes noch Vision.

Studie zur berufsorientierten nicht-formalen Weiterbildung im Gebäudebereich

Halten die Weiterbildungsangebote mit den Energie- und Klimazielen Schritt?

Stefan Rieder & Adea Barileva

Die Schweiz hat sich das Ziel gesetzt, bis 2050 klimaneutral zu werden. Dem Baugewerbe kommt dabei eine Schlüsselrolle zu: Rund ein Drittel der CO₂-Emissionen der Schweiz wird durch den Gebäudepark verursacht. Wie gut die Fachkräfte der Branche auf diese Aufgabe vorbereitet sind, zeigt eine Studie von Interface. Sie macht deutlich, dass in den Bereichen «Erneuerbare Energien» und «Vorteilhafte Materialien und Elemente einsetzen» ein relativ breites Weiterbildungsangebot besteht, während bei anderen Themen wie «Schadstoff-Emissionen reduzieren» oder «Abfall reduzieren» noch viel Luft nach oben ist. Die Studie macht eine Reihe von Empfehlungen; so sei das Angebot im Bereich Soft Skills auszubauen.

Jüngste Literaturzusammenstellung des BIBB-Fachinformationsservices

Auswahlbibliografie zum dualen Studium

Der Fachinformationsservice des deutschen Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) bietet zu verschiedenen Themen der Berufsbildungsforschung, -politik und -praxis Literaturzusammenstellungen an. Diese Auswahlbibliografien geben einen Überblick über die aktuelle Literatur zu einem Berufsbildungsthema. Die jüngste Zusammenstellung thematisiert duale Studiengänge; sie enthält gut 60 Hinweise auf meist deutschsprachige Studien, deren Fragestellung und Hauptergebnisse jeweils kurz referiert werden.

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Open-Access-Publikation bietet Modelle zur Förderung einer besseren Integration

Berufliche Teilhabe von Erwachsenen mit dem Asperger-Syndrom

Menschen mit dem Asperger-Syndrom sind im Berufsleben oft mit besonderen Herausforderungen konfrontiert; in Transfer sind zu diesem Thema bereits einige Beiträge erschienen, die sich über die Archivsuche erschliessen lassen. Nun hat Carla Canonica, Leiterin der Abteilung Sonderpädagogik des Kantons Zug, ein Buch zu diesem Thema verfasst. Canonica untersucht, wie Personen mit dem Asperger-Syndrom in der Schweiz vermehrt am ersten Arbeitsmarkt teilhaben können und welche Faktoren dies fördern oder hemmen. Zudem erarbeitet die Autorin ein Modell, das Fachpersonen sowie Selbstbetroffene und deren Umfeld dabei unterstützen kann, die berufliche Teilhabe von Personen mit dem Asperger-Syndrom zu analysieren und zu fördern.

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EHB-Workshop zu den Herausforderungen der Berufsbildung

Qualität! Ziel oder Slogan für die Berufsbildung?

Matilde Wenger, Thomas Ruoss & Lorenzo Bonoli

Der Winterworkshop der Eidgenössischen Hochschule für Berufsbildung (EHB) bringt jedes Jahr Expertinnen, Forschende und Praktiker aus der Berufsbildung zusammen, um aktuelle Herausforderungen und Fragestellungen zu diskutieren. Die Ausgabe 2025 widmete sich einer besonders brisanten Frage: Ist Qualität in der Berufsbildung ein greifbares Ziel oder lediglich ein Schlagwort? Eines der Ergebnisse: Qualität sollte nicht als starres Raster gedacht, sondern als Aushandlungsprozess und kontinuierliche Reflexion über Bildungsziele und die Rollen der unterschiedlichen Akteure verstanden werden.

Dieter Euler

Der Zweck heiligt den Optimismus – Berufswahl zwischen Herkunft und Zukunft

Dieter Euler

Wer seinen Beruf wählt, trifft eine der wichtigsten Entscheidungen seines Lebens. Aber diese Wahl ist selten frei und selbstbestimmt, denn Herkunft, soziale Bedingungen und regionale Gegebenheiten prägen die Berufswahl tiefgreifend. Der Optimismus, dass Jugendliche mit Schulabschluss eine klare, stabile Entscheidung treffen, wird durch die Realität relativiert. Vielmehr ist die Berufswahl oft von Unsicherheiten, Kompromissen und fortwährender Neuorientierung geprägt – denn der Zweck heiligt den Optimismus, aber die Zukunft bleibt plural.

Interview mit Daniel Oesch

«Ein Abschluss auf Tertiärstufe ist zur neuen Norm geworden»

Daniel Fleischmann

Für immer mehr Jugendliche ist die Berufslehre nur ein Zwischenschritt auf dem Weg in eine Hochschule oder in die Höhere Berufsbildung. Aber nimmt die Berufsbildung diese Bedürfnisse wirklich auf? Professor Daniel Oesch sagt, dass ihre Zukunft genau von dieser Frage abhängt. – Das vorliegende Interview ergänzt den Beitrag von Daniel Oesch in der Reihe «Berufsbildung 2040 – Perspektiven und Visionen» mit dem Titel «Die Berufslehre wird zunehmend zum Zwischenschritt zur Tertiärbildung – und das hat Folgen».

«Berufsbildung 2040 – Perspektiven und Visionen»: Künftige Herausforderungen für die Berufsbildung

Die Berufslehre wird zunehmend zum Zwischenschritt zur Tertiärbildung – und das hat Folgen

Daniel Oesch

Bildung hat in den letzten Jahrzehnten stark an Bedeutung gewonnen, und immer mehr Jugendliche streben einen höheren Bildungsabschluss an. Der Tertiärabschluss wird in der Schweiz zur neuen Norm, während die Berufslehre zunehmend als Sprungbrett zu weiteren Bildungswegen dient. Die Berufsbildung muss künftig nicht nur auf einen spezifischen Beruf vorbereiten, sondern auch das Fundament für die weitere Ausbildung legen. In der Zukunft werden daher die Berufsmaturität und die Stärkung der Grundkompetenzen während der Berufslehre wichtiger. Zudem stellt sich die Frage des Aufbaus dualer Studiengänge.

Studie der Universität Zürich

Falsche Dualität von allgemeiner und beruflicher Bildung

Die Beziehung von allgemeiner Bildung und spezifischen Kompetenzen ist ein Dauerbrenner der Bildungsforschung und -entwicklung. Katrin Kraus und Lena Freidorfer (beide Universität Zürich) zeigen in einer gerade abgeschlossenen Untersuchung zum kritischen Denken und Problemlösen, wie komplex die Frage im Konkreten sein kann. Sie argumentieren, dass überfachliche Kompetenzen sowohl – wie es ihre Bezeichnung nahelegt – berufsübergreifend allgemein als auch spezifisch beruflich sein können. Dies erfordere nicht nur ein umfassendes Verständnis dieser Kompetenzen, sondern auch eine vertiefte Auseinanderersetzung mit der Beziehung von Arbeit und Bildung in der Berufsbildungstheorie. Dafür könnten theoretische Perspektiven genutzt werden, die die spezifische, auf eine konkrete berufliche Tätigkeit bezogene Bildung mit der allgemeinen Bildung verbinden – etwa mit Bezug zum kulturwissenschaftlichen Verständnis von beruflichen Kulturen, die ihren Ausdruck auch in einer spezifischen beruflichen Interpretation von überfachlichen Kompetenzen finden.

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